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Der Staat dankt ab
Die Zivildiener-Debatte, zuletzt zur Chefsache der Koalition hochstilisiert, war und ist ein Modellfall der Abdankung von Staatsautorität.
Es ist bekannt, daß die österreichische Landesverteidigung auch ihren bisherigen Minimalstandard nicht mehr halten kann, wenn es weiterhin nach den bisherigen Regeln allen jungen Männern freigestellt bleibt, sich für das Bundesheer oder den Zivildienst zu entscheiden.
In der Debatte darüber hat sich gezeigt, daß die ursprüngliche Idee dieser beiden Einrichtungen völlig vergessen worden ist. Die ursprüngliche Idee ist: Jeder junge Mann muß ein knappes Lebensjahr der Ausbildung für eine mögliche militärische Verteidigung der Heimat widmen. Punkt.
Der Zivildienst kam erst viel später als menschenwürdiger Ausweg für jene dazu, denen das Gewissen den Gebrauch einer Waffe unter allen Umständen verbietet. Auch Punkt.
An eine Alternative - „such' dir aus, was dir lieber ist” -war nie gedacht. Deshalb hatte auch eine Kommission die Ernsthaftigkeit des Gewissenswiderstandes zu prüfen. „Das Gewissen kann man nicht einer Kommission unterwerfen!” Dieser Einwand setzte sich schließlich durch und führte zur Auflösung der Zivildienstkommission. Seither schnellt die Zahl der Zivildiener rapid hinauf.
Das läßt doch nur eine einzige Deutung zu: Zu den Gewissensverweigerern kommen jetzt die Bequemlichkeitsverweigerer. Das aber heißt im Klartext: Viele versuchen, sich vor einer Gemeinschaftsverpflichtung möglichst zu drücken. Kein Staat, der einen Rest von Autorität seinen Bürgern gegenüber bewahren möchte, kann sich das bieten lassen.
Die einzig logische Folge wäre: Der Staat muß wieder klarmachen, daß es eine soziale Leistungspflicht aller jungen Männer (logisch wäre: und aller jungen Frauen) gibt. Er kann nur dann mehrere Alternativen zur freien Wahl stellen, wenn diese annähernd gleiche Opfer verlangen, und die Mindesterfordernisse der Landesverteidigung erfüllt sind.
Sonst muß rekrutiert und die Gewissenskommission reaktiviert werden. Dazu aber sind sämtliche Parteien dieses I^andes zu feige.
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