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Der Staat frißt bald 60 Prozent unserer Leistung

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Auf die ÖAAB-Forderung nach Lohnsteuersenkung reagierte der Bundeskanzler zynisch: Die ÖVP rechne offenbar für lange Zeit nicht mehr damit, die Regierungsverantwortung übernehmen zu müssen.

Ist die ÖAAB-Forderung wirklich nur Demagogie, wie Kreisky und seine Mitarbeiter behaupten, oder machen es sich diese doch zu leicht, wenn sie kurzerhand konstatieren: Die öffentlichen Ausgaben sind aus Qründen der Sicherung der Arbeitsplätze notwendig und daher haben sich die Einnahmen an ihnen zu orientieren?

Entweder Steuer- und Abgabenerhöhungen oder Kürzungen bei Pensionen, Familienbeihilfen, Bildungsausgaben uswso simplifiziert Hannes Androsch das Problem. Daß es andere, bei weitem kontroversiellere Budgetposten gibt, erwähnt Androsch nicht - und auch nicht, daß es selbst innerhalb der von ihm so gern zitierten sozial wichtigen Positionen selbstverständlich auch Posten gibt, bei denen ohne „soziale Demontage” Reduktionen möglich wären. Man denke nur an die in der gegenwärtigen Form unnötig aufwendige Schulbuchaktion und die aus dem Familienlastenausgleichsfonds abgegoltenen unbeschränkten Schülerfreifahrten, die per saldo nichts anderes sind als versteckte Subventionen an defizitäre öffentliche Verkehrsbetriebe auf Kosten der Familien.

Es gäbe also genügend Einsparungsmöglichkeiten ohne die geringsten sozialen Härten, wodurch die öffentlichen Ausgaben verringert und damit die Voraussetzungen für Steuerreformen geschaffen werden könnten.

Dagegen wird von den Sozialisten zvdnexst angeführt, hier stünden sich zwei soziale „Phfilqsophien” gegenüber: Bie eine wolle durch Steuererhöhungen die öffentlichen Serviceleistungen erhöhen, die andere wolle den Staat „aushungern” und ziele auf einen Sozialstopp ab.

Was bei dieser Argumentation immer übersehen wird, ist das Faktum, daß der „ausgehungerte” öffentliche Sektor (also Bund, Gebietskörperschaften, Sozialversicherung sträger und Sondergesellschaften) in Österreich bereits 58 Prozent des Bruttonationalprodukts verschlingt und eine weitere Expansion des öffentlichen Anteils notgedrungenermaßen zu einer Senkung des Massenwohlstandes und zu einer Restriktion des persönlichen Freiheitsraumes führen muß.

Eine Sozialisierung von immer mehr bisher privaten Aufgabenbereichen bedeutet nämlich nicht, daß uns etwas geschenkt würde, sondern daß der Staat immer mehr Kaufkraft der freien Disposition entzieht und uns stattdessen vorschreibt, was und wie wir es zu konsumieren hätten. Bis zur Vorschrift des Arbeitsplatzes und der Lebensgewohnheiten scheint der Weg nicht mehr weit zu sein.

Bisher mußte immer das Argument der Umverteilung herhalten, um selbst die unsinnigsten öffentlichen Ausgaben und ihre Finanzierung durch Steuern und Abgaben zu rechtfertigen. Heute sind wir am Plafond angelangt und jede weitere Erhöhung der Staatsausgaben muß auf Kosten der Masseneinkommen gehen.

Die konstante Mehrbesteuerung auch der Masseneinkommen wird auf eine sehr unauffällige und raffinierte Methode durchgeführt: Durch die Inflation rutschen die Einkommen, auch wenn nur die reinen Kaufkraftverluste kompensiert werden, infolge der Progression in immer höhere Steuersätze, wodurch auch bei kaufkraftmäßig gleichbleibenden Einkommen die Steuerbelastung konstant steigen muß (siehe auch nebenstehenden Artikel).

Auf diese Weise zahlen heute die Bezieher bescheidener und mittlerer Einkommen bereits die seinerseits für Großverdiener festgelegten Steuersätze. Da diese Entwicklung weitergeht, kommen immer kleinere Einkünfte unter die Guillotine der Progressionssprünge.

Daraus leitet sich die soziale Notwendigkeit für sporadische Steuerkorrekturen ab, die zu Unrecht - auch von der Opposition - als Steuersenkungen bezeichnet werden. In Wirklichkeit sind sie nichts anderes als eine partielle Rücknahme der durch kein Gesetz gedeckten automatischen Steuererhöhungen. Wenn daher bei einer Meinungsumfrage des Fessel-Instituts z]pej .Drittel der Befragten eine rasche Lohnsteuersenkung forderten und 73 Prozent der befragten Arbeiter diese noch im laufenden Jahr durchgeführt wissen wollen, so beweist dies nicht - wie die Regierung dies immer darstellen möchte - politische Unreife, sondern im Gegenteil, daß eine steigende Anzahl von Menschen reif genug ist, diese Zusammenhänge zu erkennen.

Begrüßenswert an den ÖAAB- Plänen ist außerdem, daß die Familie, speziell der Alleinverdiener, wieder steuerlich berücksichtigt werden soll. Familiengerechtigkeit bedeutet ja, daß keine Benachteiligung der Kinderreichen gegenüber den Kinderlosen eintritt. Dies ist aber durch Steuerabsetzbeträge, nicht durch starre Beihilfen zu erreichen.

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