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REM-Schlaf: Der Stoff, aus dem Träume sind

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Traumdeutung hat es immer schon gegeben. Die wissenschaftliche Erforschung des Schlafs und seiner Begleitumstände ist jünger - und sie liefert hochinteressante Resultate.

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Traumdeutung hat es immer schon gegeben. Die wissenschaftliche Erforschung des Schlafs und seiner Begleitumstände ist jünger - und sie liefert hochinteressante Resultate.

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Der Mensch „verschläft" insgesamt ungefähr ein Drittel seines Lebens (als Säugling sehr viel mehr, ab dem 60. Lebensjahr etwas weniger), dennoch ist die Bedeutung von Schlaf und Traum noch weitgehend ein Geheimnis — und das, obwohl sich viele Wissenschafter seit Jahren mit der Schlafforschung beschäftigen. Allerdings können auch sie nicht klar beantworten, wie und warum der Mensch einschläft. Offensichtlich besteht im Gehirn ein eigenes Schlafzentrum.

Ein Alternieren von Phasen der Aktivität und der Ruhe findet man schon bei Einzellern, schlafähnliche Zustände jedoch nur bei höheren Lebewesen. Vergleiche mit Säugetieren zeigen, daß die artspezifische Schlaflänge mit der Entwicklungsstufe des Nervensystems und mit der Sicherheit in direktem Zusammenhang steht: Der Mensch kann sich den Luxus eines langen Schlafs leisten, weil er keine natürlichen Feinde hat.

Circadianer Rhythmus

Der erwachsene Mensch besitzt so etwas wie eine innere Uhr. Auch bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in einem unterirdischen Raum richtet er seine Aktivität nach dem sogenannten circadianen (d. h. etwa einen Tag umfassenden) Rhythmus, mit durchschnittlich acht Stunden Schlaf und 16 Stunden Wachsein. Nur durch besonders ausgeklügelte Experimente kann es gelingen, diese Periodik bei einigen Menschen zu verändern. Einer ähnlichen Zyklik unterliegen übrigens auch die Rektaltemperatur, die Hormonsekretion und der Blutzuckerspiegel.

Schlaf ist lebensnotwendig. Die Leistungsfähigkeit des Menschen fällt bei längerem Schlafentzug rapide ab, er wird nervös und reizbar. Nach mehr als 60 Stunden ohne Schlaf kommt es zu Halluzinationen. Trotzdem kann man versäumten Schlaf in relativ kurzer Zeit nachholen. Depressive Menschen schlafen bezeichnenderweise weniger lang und weniger tief. In der medizinischen Praxis zeigt sich übrigens immer wieder, daß sich Patienten ihre Schlaflosigkeit meist nur einbilden, während sie objektiv schlafen und sogar träumen. Auch solche Störungen können jedoch sehr qualvoll für den Betroffenen sein.

Aufgrund der Messung des Hirnstroms im EEG (Elektroenzephalogramm) kann man fünf Schlaftiefen unterscheiden, wobei das sogenannte REM-Stadium durch schnelle Augenbewegungen (REM = "Rapid Eye Movements") und ein EEG, das dem des Wachzustands ähnelt, charakterisiert ist. Dieses Stadium macht unter normalen Umständen insgesamt etwa ein Viertel der Schlafdauer aus und tritt insgesamt zirka viermal auf, wobei die Intervalle zwischen den einzelnen REM-Phasen immer kürzer, die Phasen selbst immer länger werden. Das erste REM-Stadium wird durchschnittlich 90 Minuten nach dem Einschlafen erreicht, bei sehr langem Schlafentzug sofort.

Schlaf und Lernen

Obwohl die Augenbewegungen der REM-Phase mit den Trauminhalten übereinstimmen und Personen sich besser an ihre Träume erinnern, wenn sie während ihres REM-Schlafs geweckt werden, kann nach dem heutigen Stand der Wissenschaft nicht ganz ausgeschlossen werden, daß Träume auch in anderen Stadien auftreten. Alpträume, ebenso Krankheitserscheinungen wie epileptische Anfälle und Schlafwandel findet man gehäuft außerhalb des REM-Stadiums.

Der REM-Schlaf gilt als die Quintessenz des Schlafs, denn negative Auswirkungen eines Schlafentzugs sind umso größer, je mehr dieses Stadium betroffen ist. Zahlreiche Experimente haben zudem gezeigt, daß REM-Schlaf und Gedächtnisleistung in einem Zusammenhang stehen: In Lernphasen verlängern sich die REM-Stadien, das Gedächtnis wird durch Schlaf unmittelbar nach dem Lernprozeß günstig beeinflußt. Bezeichnend dafür ist die Tatsache, daß der REM-Anteil während des ersten Lebensjahres (in dem der Säugling die Welt kennenlernt) ganz besonders hoch ist.

Ist die Untersuchung der Träume hinsichtlich ihres Auftretens erst relativ rezent, so wurde ihr Inhalt schon von alters her beachtet und lange Zeit mit zukünftigem Geschehen zu verbinden gesucht. Seit Freud weiß man, daß Träume dem Menschen ein von Normen unzensuriertes Erleben unbewußter oder uneingestandener Wünsche ermöglichen und als solche höchst notwendig sind zur Erhaltung des seelischen Gleichgewichts. Uber die Traumdeutung kann der Psychoanalytiker seelische Konflikte von Patienten erkennen.

Farbige Traumbilder

Der Mensch träumt während jedes Schlafs, und zwar in Farbe. Die zeitlichen Verhältnisse des Traums scheinen mit jenen der Wirklichkeit übereinzustimmen; der Träumende kann auch gleichzeitig mit dem Traum erfolgende Sinneseindrücke, wie etwa Donnerschläge oder Wecker-Gerassel, in seinen Traum integrieren.

Ob Traumentzug für den Betroffenen tödlich ist, steht derzeit noch nicht genau fest. Die Wissenschaft ist sich jedoch darüber im klaren, daß Schlaf und Traum zur physischen und psychischen Gesunderhaltung des Menschen unentbehrlich sind.

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