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Der Streit um die Donau eskaliert

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Sattelschlepper fahren pausenlos über den Donaudamm, Polizisten riegeln weiträumig ab. Tonnenweise wird Gestein und Beton in die Donau südöstlich von Preßburg geschüttet. Hunderte Planierraupen, Sattelschlepper, berittene Sicherheitskräfte und Hubschrauber sorgen für „reibungslose Bauarbeiten".

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Sattelschlepper fahren pausenlos über den Donaudamm, Polizisten riegeln weiträumig ab. Tonnenweise wird Gestein und Beton in die Donau südöstlich von Preßburg geschüttet. Hunderte Planierraupen, Sattelschlepper, berittene Sicherheitskräfte und Hubschrauber sorgen für „reibungslose Bauarbeiten".

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Die Aufregung ist groß. Denn niemand hatte damit gerechnet, daß die Slowaken am Wochenende wirklich Ernst machen und die Donau, trotz aller Proteste, in ein neues Flußbett umleiten würden: in einen 30 Kilometer langen Kanal, der das umstrittene Wasserkraftwerk Gaböikovo in Gang setzen soll.

Die Umweltschäden, so haben vor allem die Ungarn eingesehen, stehen in keinem Verhältnis zu der letztlich gewonnenen Energie aus den Turbinen der Staustufe Gabcikovo. Während die Ungarn aber für einen Abriß plädieren, argumentieren die Slowaken, die Bauarbeiten seien so weit vorangeschritten, daß zum einen die bereits entstandenene Umweltschäden nicht mehr gut zu machen seien, zum anderen eine Inbetriebnahme billiger komme als ein Abriß.

Argumente, die vergangenen Samstag der Direktor des Bauprojekts, Julius Binder, neugierigen Journalisten direkt an der ersten Staumauer bei Cunovo nahezubringen suchte. Er

Das alte Donaubett . hat ausgedient (APA, Graphik FAZ)

sprach von „Völkerfreundschaft", die sein Land mit Ungarn pflegen wolle, er sprach von der Notwendigkeit, die Donau „als Energiespeicher" zu nutzen.

Gabcikovo hat die nationalen Spannungen zwischen Budapest und Preßburg enorm aufgeheizt. Beide Seiten zeigen sich in dieser Frage unnachgiebig. Bekanntlich wird die Donau in ihrem alten Bett, Grenze zwischen der Slowakei und Ungarn, ab November kaum mehr Wasser führen.

Glaubt man slowakischen Regierungsquellen, so hat Antall in den letzten Tagen starke Truppenverbände entlang des historischen Donaulaufes auffahren lassen. Eine Preßburger Zeitung spekulierte: Wenn das Donaubett in Kürze austrocknen wird, werden die Ungarn mit ihren Panzereinheiten unsere Slowakei überfallen. Und die „Mlada Fronta Dnes" aus Prag warnt „vor einem internationalen Unglück" und „Schüssen an der Donau".

Seit Tagen schon hat ein kleines

Häufchen von Umweltaktivisten aus allen Anrainerstaaten mehrere Camps unweit der Großbaustelle aufgeschlagen. „Die Donau zu retten, war immer unser Anliegen", sagt Jänos Varga, ungarisches Gründungsmitglied des 1984 entstandenen „Donaukreises", „doch damals hörten die Kommunisten nicht auf Unsere Argumente, so instrumentalisieren heute Nationalisten das Problem von Gabäikovo." Der Biologe Varga hat resigniert.

Radikale ungarische Nationalisten kündigten am Wochenende anläßlich des Gedenkens des 36. Jahrestages des 1956er Aufstandes vor dem Budapester Parlament an, „einen neuen ungarischen Lebensraum" schaffen zu wollen. Fanatische Anhänger des rechtsextremen Vize-Vorsitzenden der ungarischen Regierungspartei „Ungarisches Demokratisches Forum", Istvän Csurka, wollen zum „Schutz der ungarischen Minderheit" in der Slowakei in den nächsten Tagen nach Gabfikovo ziehen und für den „neuen ungarischen Weg" demonstrieren. Nach Csurka bedeutet dieser die Revision der bestehenden Grenzen für ein neu zu schaffendes „Ungartum" - eine politische Option, die innerhalb der Budapester Regierung immer populärer zu werden scheint.

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