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Der Streit um die Subventionen

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Die Verhandlungen der sogenannten Uruguay-Runde des Welthandelsabkommens GATT sind zu einem Nervenkrieg zwischen den großen Industriemächten geworden. Am 15. Dezember soll ein Grundsatzabkommen angestrebt werden.

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Die Verhandlungen der sogenannten Uruguay-Runde des Welthandelsabkommens GATT sind zu einem Nervenkrieg zwischen den großen Industriemächten geworden. Am 15. Dezember soll ein Grundsatzabkommen angestrebt werden.

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Die Europäische Union (EU) will sich kommende Woche in einem außerordentlichen Ministerrat damit befassen.

Im September 1986 hatte man in Uruguay diese Verhandlungsrunde beschlossen. Sie sollte ursprünglich 1990 beendet sein. Nachdem das nicht gelungen war, hatten die vier Großen (USA, Kanada, EG, Japan) einander im heurigen Sommer in Tokio Zusagen gemacht, die Hoffnungen aufkommen ließen. Seither haben aber die Amerikaner (zum Teil auch die Japaner) teils Zugeständnisse wieder zurückgenommen, teils die Gespräche wochenlang blockiert. Dazu kommt, daß nicht nur die vier großen Partner, sondern insgesamt fast 120 Mitglieder des GATT in die Verhandlungen einbezogen sind.

Die Fülle der Probleme ist demgemäß verwirrend, die Aktenstöße sind kaum mehr überschaubar. Allein die gedruckten österreichischen Vorschläge zum Agrarhandel wiegen schätzungsweise ein Kilo!

Ein Hauptziel der Verhandlungen ist ein verbesserter „Marktzugang” durch weiteren Zollabbau. Für einige Waren (Pharmazeutika und sonstige chemische Produkte, medizinische Geräte, Baumaschinen und andere) sollen die Zölle überhaupt beseitigt werden. Dort, wo Zölle jetzt 15 Prozent und mehr betragen, will man sie auf die Hälfte senken. Bei allen anderen Waren ist eine Zollsenkung um durchschnittlich 33 Prozent in Aussicht genommen. Die österreichischen Vorschläge für die verschiedenen Warensorten, die in diese Hauptgruppe fallen, liegen ungefähr zwischen 32 und 40 Prozent Senkung. Doch da wir als kleines, einzelnes Land wenig erreichen könnten und da sich unsere Interessen in vielen Fällen mit denen der europäischen Handelspartner dek-ken, fährt Österreich stillschweigend im Geleitzug der EU mit. Als Land mit hohem Außenhandelsanteil hat Österreich, ebenso wie die Brüsseler Gemeinschaft, großes Interesse am neuen GATT-Abkommen.

Ein vor allem zwischen den Amerikanern und den Europäern ebenfalls heftig umstrittener Aspekt sind die Subventionen. Das reicht vom amerikanischen Unbehagen über den Airbus, der subventioniert wird und ihrer Flugzeugindustrie Konkurrenz macht, bis zur Stahlindustrie, wo die Europäer, auch mit Subventionen, zu halten versuchen, was irgend möglich ist, aber mit amerikanischen Strafzöllen rechnen müssen; auch unsere Stahlindustrie weiß ja davon ein Lied zu singen.

Überhaupt spielen in all diese Überlegungen amerikanische interne Interessen hinein. Auch der Stichtag des 15. Dezember wird ja mit dem Auslaufen einer Genehmigung des US-Kongresses für die Washingtoner Regierung begründet.

Streitpunkt Landwirtschaft

Der härteste Brocken der Verhandlungen ist derzeit die Landwirtschaft. Subventionen, die angesichts der hohen Unterschiede in den agrarischen Produktionskosten zwischen Europa und Nordamerika im Laufe der Jahre immer stärker gewährt wurden, sind laut GATT zwar nicht verboten, nicht einmal (anders als bei Industriewaren) zur Exportstützung, sie sind aber an Bedingungen gebunden. Ein agrarisches Vorabkommen vom Dezember vergangenen Jahres (Blair House) wird von Frankreich als unannehmbar bezeichnet. Washington drängt aber hartnäckig auf einen schrittweise besseren Zugang zum europäischen Markt (vor allem bei Ölsaaten), auf einen Abbau der Subventionen im

Verlauf von sechs Jahren und auf die Beseitigung der bestehenden Einfuhrhindernisse. Das würde auch einen Abbau mancher österreichischer Subventionen erfordern, etwa für Getreide, für Vieh und für Milchprodukte.

Für uns gleichfalls wichtig ist das eplante Begime für Textilwaren. m Rahmen des schon vor zwanzig Jahren geschlossenen Multifaser-Ab-kommens sollte die Einfuhr eigentlich schon frei sein, doch aus verschiedenen Gründen, die auch bei den Entwicklungsländern liegen (zum Beispiel Musterschutz!) bestehen weiterhin Einfuhrquoten für Bekleidung aus manchen Niedrig-Preis-Ländern. Nun soll ihr Abbau im Verlauf von zehn Jahren erfolgen, wobei aber nach österreichischer Meinung die sensiblen Produkte erst gegen Ende drankommen sollen.

So wie das Multifaser-Abkommen gehört auch die in Aussicht genommene neue Begelung für Dienstleistungen nicht unmittelbar zum GATT im engeren Sinne, doch werden all diese Materien als Paket angesehen, und wenn man im Warenverkehr zu einem neuen Abkommen gelangt, werden auch für Dienstleistungen künftig, das heißt im Verlauf von fünf bis zehn Jahren, internationale vereinbarte Regelungen gelten. In Teilfragen sind sich aber die großen Industriestaaten auch da noch uneinig, so über die Behandlung der audio-visuellen und der Filmproduktion, wo die Europäer (besonders die Franzosen) sich gegen die amerikanische Übermacht wappnen wollen.

Durchbruch bis 1995?

Ohne im einzelnen speziell betroffen zu sein, macht Österreich auch diese Verhandlungen mit, denn da geht es um Begelungen, die in weite Wirtschafts- und Sozialbereiche hineinwirken, von der Öffnung im Bankwesen bis zum Niederlassungsrecht. Und auch da ist unser Land an Abmachungen interessiert, die uns gegen größere Wirtschaftsmacht absichern können.

Zunächst muß aber, trotz der zum Teil noch erheblichen Differenzen zwischen den großen Verhandlungspartnern, das Grundsatzabkommen im Warenhandel Zustandekommen, und da bleiben nur noch drei Wochen Zeit. Gelingt bis dahin der Durchbruch, sollten Detailverhandlungen etwa bis April nächsten Jahres abgeschlossen sein. Dann könnte das neue GATT sogar schon mit Jahresbeginn 1995 in Kraft treten — ein für Österreich deshalb bedeutsamer Zeitpunkt, weil dann, wenn alles gut feht, Österreich auch Mitglied der uropäischen Union sein kann. Der Abschluß des neuen GATT könnte jedenfalls weltweit einen spürbaren Impuls für den Welthandel geben, was angesichts der gegenwärtigen Wirtschaftskrise nicht nur von den Industriestaaten gewünscht wird.

Ein Nebeneffekt, so meinen österreichische Kenner der Materie, könnte sein, daß damit allzu verkrustete Wirtschaftsstrukturen in unserem Land aufgebrochen werden - was ebenfalls wegen der EU wichtig ist.

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