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Der Streit ums Staatsvermögen

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Ein Handelskrieg zwischen Kroatien und Serbien erschüttert Jugoslawien. Das schlechte Beispiel machte Schule. Jede Teilrepublik reklamiert jetzt einen großen Teil des Wirtschaftskuchens für sich, Schulden sollen jedoch die anderen bezahlen. Kopfzerbrechen bereitet auch die Aufteilung der Volksarmee.

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Ein Handelskrieg zwischen Kroatien und Serbien erschüttert Jugoslawien. Das schlechte Beispiel machte Schule. Jede Teilrepublik reklamiert jetzt einen großen Teil des Wirtschaftskuchens für sich, Schulden sollen jedoch die anderen bezahlen. Kopfzerbrechen bereitet auch die Aufteilung der Volksarmee.

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Begonnen hatte es im Februar. Die Republik Serbien stornierte über Nacht alle Schulden gegenüber dem staatlichen Ölriesen INA der Republik Kroatien. Die Kroaten waren ihrerseits nicht faul und drehten einfach den Ölhahn zu. In Serbien herrscht seither Benzinnotstand, die Schlangen vor den Tankstellen werden immer länger.

Da kamen die Genossen um den Altkommunisten und starken Republikspräsidenten Slobodan Milosevic kurzerhand auf die Idee, alle 187INA-Tankstellen auf dem „Staats"-Terri-torium Serbiens zu enteignen. Der Handelskrieg nahm seinen Lauf. Er Wird immer härter.

Die augenblickliche Situation: Die besagten 187 Tankstellen wurden weiter veräußert, an einen westlichen Konzern, der den Serben - wie die ausgetricksten Kroaten zu wissen glauben - 150 Millionen Dollar hingeblättert haben sol 1. Im auseinanderbrechenden Jugoslawien nimmt sich

kein Gericht mehr so einer Sache an, kann die nahezu entmachtete Zentralregierung unter Ministerpräsident Ante Markovic nicht eingreifen.

In ihrer Wut wußten die kroatischen Politiker nichts Besseres, als unverzüglich für alle serbischen Firmen in ihrer Republik eine Sondergrundstückssteuer einzuheben zum utopischen Preis von 60 Dollar pro Quadratmeter. Und als beispielsweise serbische Firmenchefs in der Adria-stadt Zadar dieser Zahlung nicht nachkommen wollten oder konnten, beschlossen die Stadtväter, daß alle 17 serbischen Firmen, die im kroatischen Zadar Zweigstellen besaßen, diese bis April schließen mußten.

Wild-West-Methoden

Der kroatisch-serbische Handelskrieg machte Schule. Keine Republik, die nicht einen Vorwand findet, fremdes Eigentum zu beschlagnahmen, zu plündern. Wild-West-Methoden, befinden die Medien. Zwar beteuern nahezu alle jugoslawischen Re-publiksregierungen,fürdie Marktwirtschaft und „ausländische" Investoren offen zu sein, doch ist es nicht gerade einfach, als Serbe in Kroatien und in Slowenien Kapital zu investieren -und umgekehrt. Zahlreiche Reglementierungen schieben überall „Fremd"-Kapital einen Riegel vor - zum Leidwesen auch westlicher Firmen.

Auf dem Weg zur Eigenstaatlichkeit kennen die abtrünnigen Republiken keine Schranken, das Vermögen

des zerbröckelnden Vielvölkerstaates für sich zu beanspruchen und die Schulden von sich zu weisen. Der Streit beginnt bereits bei der Aufteilung der Devisenreserven von derzeit vier Milliarden Dollar. Serbien verlangt bei einer Auflösung Jugoslawiens als Staat eine Pro-Kopf-Rege-lung. So würde Belgrad als bevölkerungsreichste Republik (siehe Gaphik) mehr bekommen als bei einer Verrechnung, wie sie Slowenien anstrebt.

Ljubljana (Laibach) pocht auf eine Aufteilung im Verhältnis der Exporte in Hartwährungsländer - denn ein Drittel aller Ausfuhren Jugoslawiens werden durch slowenische Firmen getätigt. Nicht geringer sind die Streitigkeiten, nach welchem Schlüssel der fette Kuchen des Bundesvermögens von geschätzten 25 bis 30 Milliarden Dollar aufgeteilt werden könnte.

Selbst beim Bestand der Sozialistischen Volksarmee wird man sich nicht einig. Wem fallen die 2.000 Panzer, 440 Stück schwerer Artillerie, die 455 Kampfflieger, 200 Helikopter und 40 Kriegsschiffe zu? Hier fordern Kroatien und Slowenien 30 beziehungsweise 20 Prozent. Ihre Begründung: Als die bestentwickelten Republiken hätten sie in den letzten Jahren 50 Prozent des Militärhaushaltes bestritten. Serbien argumentiert dagegen, wenn die Slowenen und Kroaten den Balkanstaat verlassen wollten, dann seien die Rest-Republiken noch immer die rechtmäßigen „Staatsnachfolger" Jugoslawiens.

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