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Der Traum vom Bundesstaat

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Syrien, Libanon und Jordanien wollen sich, so hieß es kürzlich plötzlich in Damaskus, zu einem ostarabischen Bundesstaat zusammenschließen. Die Bemühungen der Regierungen Syriens und Jordaniens um eine Annäherung auf militärischer, wirtschaftlicher und politischer Ebene treten damit in ein neues Stadium. Der Geniestreich des syrischen Staatschefs General Hafis el-Assad ist vielleicht das probateste Mittel zur Beendigung des seit April 1975 anhaltenden Bürgerkrieges im Libanon.

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Syrien, Libanon und Jordanien wollen sich, so hieß es kürzlich plötzlich in Damaskus, zu einem ostarabischen Bundesstaat zusammenschließen. Die Bemühungen der Regierungen Syriens und Jordaniens um eine Annäherung auf militärischer, wirtschaftlicher und politischer Ebene treten damit in ein neues Stadium. Der Geniestreich des syrischen Staatschefs General Hafis el-Assad ist vielleicht das probateste Mittel zur Beendigung des seit April 1975 anhaltenden Bürgerkrieges im Libanon.

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Libanons (scbiitischer) Parlamentspräsident Kamel el-Assad befürwortete denn auch sofort das überraschende Föderationsprojekt. Für den Moslem el-Assad, als libanesischen Nationalisten, wäre damit der Alptraum einer christlichen Vorherrschaft oder einer Teilung des Levantelandes Vergangenheit. Der von seinem Damaszener Namensvetter ausgeheckte Plan könnte einerseits das Uberleben der christlichen Minderheit an der Levanteküste, für das Syrien in den vergangenen Monaten sogar den Einsatz einer politischen Isolierung in der arabischen Welt wagte, den die Mehrheit im Libanon bildenden Moslems aber gleichzeitig die Chance größeren politischen Einflusses sichern. Das Zentrum der panarabischen Einigungsbestrebungen verlagert sich damit offensichtlich endgültig von Kairo nach Damaskus.

Präsident Assad bescherte dem bis dahin von Militärputschen und parlamentarischen Wechselspielen am laufenden Band erschütterten Syrien seit seinem Machtantritt vor rund sieben Jahren eine Periode nie gekannter politischer Stabilität und wirtschaftlicher Blüte. Behutsam führte er sein Land aus der allzugroßen Abhängigkeit von der Sowjetunion und knüpfte vorsichtige Verbindungen zum Westen. Gleichzeitig äußerte er sich wiederholt sehr deutlich über seine Ziele. Syrien müsse wieder die führende Rolle im Kampf um die panarabische Einheit spielen. Sein erster Erfolg war die Aussöhnung mit dem bis dahin von Damaskus aus ebenso wütend wie erfolglos bekämpften haschemitischen Königshaus in Transjordanien. Damaskus und Amman schlössen einen Militärpakt und beschlossen eine rasche und für andere Araberstaaten offene politische und wirtschaftliche Integration.

Kommt es zu der geplanten Drei-Staaten-Föderation, können sich die in der ersten Phase des libanesischen Bürgerkrieges mit der physischen Ausrottung bedrohten Christen der Levanteküste künftig sicher vor weiteren Verfolgungen fühlen. Die Moslems jedoch gewinnen durch den dann wieder hergestellten Zusammenhang mit dem muselmanischen Hinterland, den die Kolonialmacht einst willkürlich zerschnitt, an Gewicht. Assads Nahziel ist klar: er will die libanesischen Moslems von ihrem Trauma, von den zivilisatorisch überlegen scheinenden Christen dominiert zu werden, erlösen und ihnen eine Trennung von den aggressiven Palästina-Guerrilleros schmackhaft machen. Damit würden die schon seit geraumer Zeit in der libanesisch-muselmanisch-palästinensischen Linksfront spürbaren Risse ausgenützt. Auch in Damaskus hat man erkannt, daß die Palästina-Fredschärler das ärgste Hindernis nicht nur für einen dauerhaften Friedensschluß im Libanon, sondern auch für eine Erneuerung der panarabischen Einheitspläne sind.

Die Föderation, bleibt sie nicht nur ein papierener Traum, hätte nicht unbedeutende Zukunftschancen. Die Syrer gelten als die „Preußen des Orients'', ein diszipliniertes und arbeitsames Volk. Die Jordanier haben aus einem rohstofflosen Sandkasten einen prosperierenden und trotz aller äußeren und inneren Anfechtungen, wie die verlorenen Kriege gegen Israel und die Machtansprüche der Fedajin, einen stabilen Staat gemacht. Die Libanesen sind geschickte Händler. Eine bessere Kombination ist kaum denkbar. Zudem darf man nicht vergessen, daß die zwischen den drei Nachbarländern gezogenen Grenzen das künstliche Ergebnis der britischfranzösischen Kolonialpolitik nach dem Ersten Weltkrieg waren. Der neue Bundesstaat wäre also nur die Revision ungerechter, historischer Entscheidungen. In ihm würden etwa dreizehn Millionen Menschen leben und eine beachtliche wirtschaftliche Leistung auf die Beine bringen. Seine Überlebenschaneen hingen freilich davon ab, ob sich die unterschiedlichen politischen Systeme in Damaskus, Amman und Beirut einander angleichen können und ob es zu einem internen Finanzausgleich kommt.

Tragisch dabei wäre nur, daß die Palästina-Flüchtlinge auf der Strecke bleiben könnten. Ein Aufgehen Rest-Palästinas und eine Heimkehr der Flüchtlinge dorthin, in einen arabischen Bundesstaat, wäre allerdings nicht die schlechteste Lösung. Die Föderation Syrien-Libanon-Jordanien könnte nicht nur endlich den Krisenherd an . der Levanteküste löschen, sondern auch verhindern, daß das heute noch israelisch besetzte Rest-Palästina zu einem ewigen Unruheherd, zu einer Domäne der extremistischen Terroristen und zu einer Machtbasis der Sowjetunion im Herzen des Nahen Ostens würde. i

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