7015654-1988_25_09.jpg
Digital In Arbeit

Der „Unterschied“

Werbung
Werbung
Werbung

Sich religiös zu unterscheiden, war unter den extremen Bedingungen des 16. und 17. Jahrhunderts fast natürlicherweise mit Lebensgefahr oder zumindest schweren persönlichen Beschränkungen verbunden.

Aufklärung und Pietismus haben dann bewirkt, daß konfessionelle Unterschiede von ihren tödlichen Konsequenzen befreit wurden, ja sogar, daß eine Art allgemeines — je nachdem vernünftiges oder innig-erweckliches — Christentum möglich erschien. Trotzdem blieb der „Unterschied“ bis ins 20. Jahrhundert hinein der wichtigste Begriff, den man mit „evangelisch — katholisch“ verband.

Als dann das II. Vatikanische Konzil die „Gegenreformation“ für beendet erklärte, gerieten konfessionelle Unterschiede zunehmend in Mißkredit. Nicht daß etwa konfessionelle Unterschiede jetzt in einer gewissen Euphorie geleugnet wurden, aber die geradezu enthusiastische Neuentdeckung der sechziger Jahre war das Gemeinsame der christlichen Konfessionen, und zwar nicht nur das bestehende Gemeinsame, sondern auch und vielmehr das zu entdeckende, zu schaffende.

War doch jetzt eine Art katholische Reformationszeit ausgebrochen, die überzeugt war, die katholische Kirche aus der Theologie, der Fröm-migkeits- und Feudalstruktur des Mittelalters herausführen zu können.

Aus diesem Bewußtsein heraus und aus der zwischen den Kirchen entstandenen Vertrauenssituation konnte man nun in neuer Weise über die Unterschiede reden: alte Streitigkeiten als erledigt erkennen, Konvergenzen feststellen (Lima-Papiere), die konfessionelle Grenzziehung als einen dynamischen Prozeß begreifen, ja auch das andere bei den anderen positiv werten, nämlich als eine mögliche Konkretion kirchlichen Lehrens und Lebens,

Leider scheint neuerdings gerade diese Bereitschaft, Unterschiede als ein Element christlicher Vielfalt im Sinn „versöhnter Verschiedenheit“ anzunehmen, im Schwinden begriffen zu sein. Dann nämlich, wenn man speziell katholischerseits an die Adresse der evangelischen Kirchen appelliert, man möge sich doch um der Ökumene willen und insbesondere bei ökumenischen Begegnungen so „unterschiedslos“ wie möglich geben. Konkret gesagt: zum Beispiel keine Frau zum Bischof wählen (Bundesrepublik Deutschland) oder am kommenden Sonntag den Papst in Salzburg nicht durch eine verheiratete Pfarrerin begrüßen lassen.

Um die Erhaltung der guten ökumenischen Beziehungen, ja der Offenheit und Seriosität der Ökumene überhaupt, plädiere ich für eine „Theologie des Unterschiedes“.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung