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Der Vielfalt (k)eine Gasse
Medienpolitik - als Programm verstanden - sollte es eigentlich nicht geben müssen. Das berühmte First Amendment zur amerikani- schen Verfassung (17 91) beginnt mit den Worten „Der Kongreß soll kein Gesetz machen...", das Rede- und Pressefreiheit verkürzt. Positiven Klartext sprechen der Artikel XIII des österreichischen Staatsgrund- gesetzes (1867) und der Artikel 5
des deutschen Grundgesetzes (1949). Verbrieft wird das Grund- recht des Bürgers, verboten wird die Zensur.
In keiner dieser klassischen For- mulierungen steht auch nur eine Andeutung davon, daß irgendein Medium ein Recht auf gesetzliche Regelungen habe, die ihm mate- rielles Wohlergehen oder auch nur die Existenz sichern.
Wo immer man sich an die knap- pen Sätze der reinen Pressefrei- heitslehre gehalten hat, ist man gut damit gefahren. Aber die Sünden- fälle fanden früh statt, und ihre Premieren kann man nicht einmal den Diktaturen des 20. Jahrhun- derts in die Schuhe schieben. Es war das damals „neue Medium" Rundfunk, das in den zwanziger Jahren staatliche Regelungen un- umgänglich erscheinen ließ.
Mit der europäischen Lösung, wonach der Hörer Gebühren zah- len muß und damit die Existenz des Mediums gewährleistet, ob er nun dessen Leistung in Anspruch nimmt oder nicht, begann ein Umdenken, das nach den schlimmen Erfahrun- gen mit diktaturbeherrschten Medien auch in die politische Theo- rie Eingang gefunden hat: eine demokratische Gesellschaft brau- che die Leistungen der Medien (ganz besonders: Information, Kritik und Kontrolle) und der Staat müsse demgemäß für ihre Existenz Sorge tragen, also Medienpolitik machen.
Daraus sind die Konstruktionen des staatlichen beziehungsweise des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erwachsen.
Die Presse, auch nach dem Zwei- ten Weltkrieg privatrechtlich und überwiegend privatwirtschaftlich verfaßt, huldigte dem alten Grund- satz: Die Menschen - je einzeln, als Leser, als Inserent - brauchen uns, und sie werden unsere Leistungen, wenn sie gut sind, bezahlen. Den- noch setzte in vielen Ländern ein Zeitungs- und Zeitschriftensterben beachtlichen Ausmaßes ein. Me- dien-darwinistisch muß man sagen: Die da vom Markt verschwanden, waren nicht gut genug, es gab kei- nen Bedarf für sie. Demokratie- theoretisch kann man aber auch Publikumsschelte betreiben: die Leser wollten nur für leichtverdau- liche Unterhaltung bezahlen und ließen ausgerechnet die politisch bildenden Blätter sterben.
Als diese Entwicklung auch in Österreich nicht mehr zu überse- hen war, installierte man 1975 die direkte staatliche Presseförderung. Sie wurde durch Leistungen der Bundesländer ergänzt, nicht selten übertroffen. 1985 kam noch die „besondere Presseförderung" für nicht marktbeherrschende Zeitun- gen hinzu, die eine „besondere Bedeutung für die politische Mei- nungs- und Willensbildung in mindestens einem Bundesland" haben. Es hat nichts genutzt.
Die Parteizeitungen siechten und starben dahin, und auch die „be- sondere" besondere Presseförde- rung des Wahljahres 1990 nützt nur den ohnehin schon starken. Die vor einem Jahr von der formellen Bin- dung an die SPÖ gelöste „ AZ" steht am Abgrund, obwohl sie 1990 2,8 Millionen normale und knapp 45 Millionen Schilling besondere Pres- seförderung bekommt.
Sie findet trotz respektabler Anstrengungen keinen Platz auf dem Markt, während die vom Leser akzeptierten Zeitungen, die Boule- vardblätter und die regionalen Platzhirsche, sich verstärken und die (normale) Presseförderung wie Taschengelder mitnehmen.
Der Noch-Monopol-Rundfunk genießt Gebühren und Bestands- garantie, obwohl er auf dem glei- chen Markt wirtschaftet: Heute kommen 42 Prozent seiner Erlöse aus der Werbung.
Die österreichische Medienpoli- tik der letzten 20 Jahre läßt sich, cum grano salis, auf zwei Prinzi- pien reduzieren: staatliche Presse- förderung und Status quo beim staatsnahen ORF. Sie hat ihr posi- tives Ziel (Erhaltung der Presse- vielfalt) verfehlt und eine negative Entwicklung nicht verhindern können: die zunehmende Konzen- tration in der Pressewirtschaft — Stichwort Mediaprint.
Eine künftige Medienpolitik wird sich selbst neue Ziele vorgeben müssen:
• Abschaffung der direkten staat- lichen Presseförderung. Sie hilft nicht und ist demokratieunwürdig.
• Umwidmung der offensichtlich vorhandenen Mittel auf drei neue Ziele: Steigerung der Produktqua- lität durch Ausbildungsförderung; Investitions- und Innovationsför- derung, Entwicklung eines neuen Typs von Kreativitätsförderung im audiovisuellen Bereich, denn über kurz oder lang wird den TV-Sen- dern der Stoff ausgehen.
• Entwicklung einer kartellrecht- lichen Regelung, die medienwirt- schaftliche Konzentrationsvorha- ben transparent macht und publi- zistische Konzentration verhindert.
• Liberalisierung von Hörfunk und Fernsehen und, last but not least,
• (befristete) Bestandsgarantie für den ORF als Gegenleistung für die Rundfunk-Grundversorgung.
Der Autor ist Universitätsprofessor für Publi- zistik und Kommunikationswissenschaften in Salzburg
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