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DER WALDBODEN: NICHT AKUT BEDROHT

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FURCHE: In Österreich wurde erstmals der Zustand des Waldbodens erhoben: Welches sind die Ergebnisse dieser Arbeit?

HOFRAT WALTER KILIAN: Das „Waldschadenbeobachtungssystem” wird eine Ursachenanalyse der Veränderungen im Wald gestatten: Erhoben wird wie bisher der Kronenzu-stand der Bäume, weiters der Zustand der Nadeln, der Schädlingsbefall, das Auftreten von Schadstoffen in der Luft und der Zustand des Bodens. Es wurde ein starres Rasternetz von Beobachtungspunkten eingerichtet, sodaß man statistisch verwertbare Daten zustandebringt. Sie werden von nun an im Zehn-Jahres-Rhythmus erhoben. Der Waldboden ist ja eherein System, das sich nicht rasch verändert.

FURCHE: Und die Ergebnisse?

KILIAN: Österreichs Landschaft und seine Böden sind vielfältig. Es gibt daher keine Pauschalbewertungen. Unsere Ausgangslage ist jedenfalls relativ günstig: 35 Prozent der Waldböden liegen auf Kalk. Hier ist eine Sättigung mit basischen Stoffen gegeben und die Frage der Versauerung nachrangig. Man kann diese Böden als ziemlich stabil bezeichnen. Weitere 23 Prozent der Böden sind stark sauer (pH-Werte unter 3,8). Ihnen fehlen auch weitgehend die Basen (unter zwölf Prozent).

FURCHE: Wo befinden sich diese Böden?

KILIAN: In Hochlagen im kristallinen Gestein, etwa die zentralalpinen Fichtenwaldgebiete, oder im Waldviertel. Dort sind die Wälder seit langem an diese Situation angepaßt. Aber bei der Hälfte der stark sauren Böden (meist Braunerden in Tallagen im Alpenvorland) kann man auf eine rasche Versauerung schließen. Hier könnte es zu Anpassungsschwierigkeiten kommen. Es bleibt eine Gruppe von Böden, die derzeit nicht akut versauert und entbast sind, die man als labil und gefährdet ansehen muß. Da genügt eine kleine Änderung und sie geraten aus dem Gleichgewicht.

FURCHE.Wo findet man diese?

KILIAN: Ganz grob (und mit Einschränkungen) kann man vom Raum Semmering-Wechsel, vom Mühl- und Waldviertel, vom Innviertel, von einem Bereich in den Rottenmanner Tauern sprechen.

FURCHE: Gibt es noch Daten?

KILIAN: Was die einzelnen Nährstoffe anbelangt, ist das Bild vielgestaltig. Auch da gibt es Problembereiche: etwa das Mühl- und Waldviertel mit Magnesiummangel. Nun zum Stickstoff: eigentlich ein Engpaß-Element. Jetzt sieht es so aus, also ob es in bestimmten Räumen (im Mühlviertel, im westlichen Alpenvorland) zu einer Sättigung käme. Ein bedrohliches Überangebot haben wir - abgesehen von lokalen Beobachtungen -nicht festgestellt. Bei Schwermetallen haben wir keine akut toxischen Belastungen erfaßt, obwohl es sie gibt (siehe Arnoldstein mit gewaltigen Konzentrationen oder Brixlegg). Bei den Metallen, die als Spurenelemente notwendige Nährstoffe sind (Kupfer, Zink), liegen die meisten Werte im Normalbereich. Bei den toxischen Elementen (Blei, Kadmium) gibt es allgemein erhöhte Werte (zum Teil, über den Richtwerten). Das deutet auf starke Immissionen hin - vor allem auf den Prallhängen. Für die höheren Pflanzen sind beide Metalle nicht gefährlich. Aber das Bodenleben ist ab einem bestimmten Niveau betroffen. Problematisch ist die laufende Speicherung der Gifte.

FURCHE: Welche Maßnahmen erscheinen notwendig?

KILIAN: Das Wesentliche weiß man. Es fehlt die Umsetzung. Das Hauptanliegen: Weniger Immissionen. Wir wissen auch, welche Meliorationsmöglichkeiten es gibt. Man müßte sie halt verwirklichen.

FURCHE: Weiß man also ohnehin genug?

KILIAN: Ja und nein. Ja, was die wichtigsten Maßnahmen anbelangt. Nein, was den konkreten Schadensablauf in einem bestimmten Wald anbelangt. Die Abläufe sind nämlich enorm vielfältig. Es gibt einen allgemeinen Streß, der im Einzelfall unterschiedliche Folgen hat. Was wir brauchten: Eine flächendeckende Beschreibung des anzustrebenden - sich unter natürlichen

Verhältnissen einstellenden - Ökosystems. In Deutschland gibt es das. Es stellt eine Zielgröße für forstplane-rische Maßnahmen dar. In Österreich gibt es eine Regelung, die in dieselbe Richtung wirkt. Nach den Windwurfschäden 1991 stellte sich die Frage: Wie fördert man die Wiederaufforstung? Dazu hat man Standortgruppen gekennzeichnet und festgelegt, was dort die ideale beziehungsweise tolerierbare Zusammensetzung des Waldes wäre. Da wurden etwa Flächen definiert, auf denen ein bestimmter Anteil von Tannen und Laubbäumen zu den Fichten zu pflanzen sind. Förderungsmittel gibt es nur, wenn standortbezogen aufgeforstet wird.

FURCHE: Bringt Monokultur im Wald eine Bodenverschlechterung?

KILIAN: Der Anteil, den man diesem Umstand beimessen muß, ist recht groß sogar. Daher kann man ja auch für den Wald einiges durch waldbauliche Maßnahmen tun. Wichtig ist, es mit Augenmaß zu tun. Man muß das einzelne Objekt beurteilen. Hier besteht ein Spannungsfeld: Einerseits die Forderung nach Melioration, andererseits die Warnung, jetzt werde auch noch der letzte halbwegs naturnahe Bereich, der Wald, einer Chemisierung ausgesetzt. Das ganze ist eine Gratwanderung. Allerdings hat die Walddüngung eine andere Zielrichtung als die in der Landwirtschaft. Hier ging es um Ertragsmaximierung, bei der Walddüngung hingegen um die Wiederherstellung des natürlichen Gleichgewichts im Boden.

Hofrat Walter Kilian ist Leiter der Abteilung für Stadortkunde in der Forstlichen Bundesversuchsanstalt in Wien.

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