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Der Wandel fler Kreml-Politik
Joop den Uyl, Chef der „Partij van de Arbeid" (PvdA), der sozialistischen Partei Hollands, wird zu den „Tauben" innerhalb der Sozialistischen Internationale gezählt. Burkhard Bischof sprach mit ihm über weltpolitische und speziell sowjet-bezogene Themenbereiche:
Joop den Uyl, Chef der „Partij van de Arbeid" (PvdA), der sozialistischen Partei Hollands, wird zu den „Tauben" innerhalb der Sozialistischen Internationale gezählt. Burkhard Bischof sprach mit ihm über weltpolitische und speziell sowjet-bezogene Themenbereiche:
FURCHE: Sie haben davon gesprochen, daß die sowjetische Intervention in Afghanistan eine echte Haltungsänderung der Dritten Welt herbeigeführt habe. Bedeutet dies aber auch eine politische Entwicklung innerhalb der Dritten Welt, die auf Dauer anhalten wird?
DEN UYL: Im Westen herrschte bis jetzt die allgemeine Ansicht vor, daß innerhalb der Dritten Welt eine wachsende • Tendenz dazu bestehe, Marionetten des Kreml zu werden und mit (der sowjetischen Politik verknüpft zu sein. Dieses Bild wurde nun durch das Abstimmungsverhalten so vieler Entwicklungsländer in der UNO zerstört.
Obwohl gewisse Sympathien für die Sowjetunion in diesen Ländern vorhanden waren, machten sie doch klar, daß sie die Aggression Moskaus nicht akzeptieren würden: Das bedeutet keine Bestätigung der US-Politik, sondern eine klar umrissene blockfreie Position.
Dieses Verhalten stärkt die unabhängige Position zahlreicher Staaten. Gleichzeitig öffnet es die Perspektive für eine Entwicklung in der Dritten Welt, echte Unabhängigkeit auch gegenüber dem sowjetischen Block zu erlangen, aber weiterhin die USA kritisieren zu können.
FURCHE: In einer Diskussion im österreichischen Fernsehen sprachen Sie davon, daß sich die Struktur der sowjetischen Politik gewandelt habe. Was haben Sie damit gemeint?
DEN UYL: Wir haben viele Aktionen der Amerikaner gesehen, die Sowjetunion hat jedoch in der Nachkriegsperiode keine russische Truppen in ein Land außerhalb des sogenannten sowjetischen Blocks geschickt, um dort zu kämpfen. In Afghanistan' ist' das zum ersten Mal passiert.
Es war typisch für die Sowjetunion, daß sie mit militärischen Mitteln ihre Einflußsphären in Osteuropa dominiert hat. Sie hat auch versucht, in Afrika, Lateinamerika und in der ganzen Welt mit Hilfe von Propaganda und durch Zusammenarbeit mit Kommunisten sowie semikommunistischen Gruppen und Parteien an Boden zu gewinnen. Wenn also Afghanistan mehr als eine Ausnahme ist, würde das eine Änderung der Struktur der sowjetischen Politik bedeuten.
FURCHE: Wenn es diese Strukturänderung in der sowjetischen Politik tatsächlich gibt, was für eine Antwort müßte der Westen darauf bereit haben?
DEN UYL: Natürlich ist Afghanistan ein Land der Dritten Welt. Ich glaube nicht, daß es einen Sinn hätte, wenn 100.000 amerikanische Soldaten dort wären, um die Sowjets in Afghanistan zu bekämpfen. Deshalb glaube ich, daß in diesem Fall militärische Mittel eine untergeordnete Rolle spielen.
Ich muß hinzufügen: Wenn die Sowjetunion mit Truppen in Rumänien, Jugoslawien oder in einem anderen europäischen Land einmarschierte, kann niemand voraussagen, was für furchtbare Folgen das hätte. Aber meiner Meinung nach kann man in diesem Fall militärische Maßnahmen nicht zurückhalten.
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