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Der Weg in die Isolation

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Nach der Hinrichtung Mo-loTses haben sich die Fronten zugespitzt. Bislang gemäßigte Führer treten nun für einen bewaffneten Befreiungskampf der unterdrückten Schwarzen ein.

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Nach der Hinrichtung Mo-loTses haben sich die Fronten zugespitzt. Bislang gemäßigte Führer treten nun für einen bewaffneten Befreiungskampf der unterdrückten Schwarzen ein.

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Die Hinrichtung des wegen Mordes verurteilten schwarzen Aktivisten Benjamin Mololse, von dem seine Freunde erzählen, er sei im Gefängnis zum Dichter geworden, hat in der ganzen Welt die Empörung über die weiße Regierung in Südafrika wieder neu angefacht.

Appelle vom Papst bis zum UN-Generalsekretär, den Mann zu begnadigen, waren vergeblich geblieben. Wieder einmal zeigten die Weißen Südafrikas, daß ihnen Nachgeben als Nachweis der Schwäche erscheint, obwohl gerade Mololse kein Mann war, mit dem „ein Exempel statuiert“ werden konnte und gerade bei ihm Milde sich politisch ausgezahlt hätte.

87 vollstreckte Todesurteile allein in diesem Jahr und 115 im vorigen sind keine christliche Praxis. Nach der Lage der Dinge waren die allermeisten Opfer der Justiz Schwarze.

Der Fall Mololse hat denn auch im Ausland mehr Aufsehen erregt als in Südafrika selbst. Das kommt auch daher, daß Mololse eine prominente Verteidigerin hatte, die es verstand, für ihren unglücklichen Mandanten Unterstützung in aller Welt zu bekommen.

Er selbst war keine bekannte Figur des schwarzen Widerstands, gehörte auch dem ANC (Afrikanischer Nationalkongreß) nicht an. Erst im Gefängnis wurde er ein Aktivist.

Der Fall Mololse nährt weniger die latente Stimmung von Aufruhr unter einem Teil der südafrikanischen Schwarzen, als vielmehr die Erregung unter politisch Denkenden in Europa und den Vereinigten Staaten.

Es ist geradezu ein Wettbewerb der moralischen Empörung in Südafrika ausgebrochen. Kaum eine politische und kirchliche Organisation, die nicht in den allgemeinen Ruf nach Sanktionen einstimmt. Sogar ein österreichischer Weihbischof meinte, ein konkretes politisches Rezept zu haben, wie die südafrikanische Regierung zur Einsicht und Umkehr zu bringen sei und appellierte an Regierung und Wirtschaft, gegen Südafrika ohne Nachsicht wirtschaftliche Repressalien zu ergreifen.

Er kommt mit seiner Forderung allerdings auch reichlich spät. Die anhaltende Krisenstimmung in Südafrika hat die Wirtschaft schon genug geschädigt.

Kapital wandert fluchtartig ab, die Währung ist auf die Hälfte ihres Werts gefallen, die südafrikanische Staatsbank mußte ihre Zahlungen ins Ausland einstellen, die Börse in Johannesburg wurde vorübergehend gesperrt.

Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Absurdität. Während allenthalben in den westlichen Ländern der Ruf nach Wirtschaftssanktionen und Disinvest-ment ertönt, müssen sich die Notenbankchefs und Wirtschaftsexperten derselben Länder zusammentun, um Rettungsaktionen für die südafrikanische Wirtschaft und ihr Geldwesen zu überlegen.

Im übrigen bewirkt wirtschaftlicher Druck von außen auf die südafrikanische Regierung nur wenig. Alles Drohen mit Sanktionen hat Staatspräsident P. W. Bo-tha nicht bewogen, in einer seiner drei großen und als Wendepunkte angekündigten Reden des letzten Sommers substantielle Konzessionen in Richtung auf eine politische Beteiligung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit zu machen.

Schließlich sind die Befürworter von Sanktionen zu befragen, wem sie mit der beabsichtigten Zerstörung der südafrikanischen Wirtschaft nützen wollen. Aber derlei pragmatische Überlegungen zählen wenig, wenn es offenbar um Glaubensbekenntnisse geht.

Die entscheidende Frage bleibt nach wie vor: Wie wird die Macht in Südafrika verteilt? Südafrikas Weiße haben eine wahrscheinlich fatale Fehlspekulation angestellt.

Das wirtschaftliche Wohlergehen einer wachsenden Zahl von Schwarzen (und wer wollte im Ernst leugnen, daß das gelungen ist? Nicht umsonst ist Südafrika ein begehrtes Einwanderungsgebiet für Schwarze aus den benachbarten Elendsstaaten.) werde den inneren Frieden schaffen und es den Weißen auf Dauer ersparen, die politische Macht zu teilen. Wertvolle Zeit wurde vertan, die zunehmende Radikalisierung eben jener jungen Schwarzen, deren Eltern es zu bescheidenem Wohlstand gebracht haben, also so etwas wie eine bürgerliche Mittelschicht darstellen, hat diese Erwartung der Weißen als Illusion erwiesen.

Südafrikas Staatspräsident Pieter Botha hat symbolträchtige Worte zur Hand, wenn es darum geht, seinen weißen Landsleuten zu sagen, daß sich Entscheidendes

ändern wird müssen und daß die Zeit dafür kurz ist — wie kurz weiß niemand. Da ist die Rede vom „Rubikon“, der schon überschritten ist, oder von der Forderung „Anpassen oder untergehen“.

Aber sein Programm verbirgt er, wahrscheinlicher noch, er hat gar keins. Auch wenn der momentane Aufruhr wieder niedergeschlagen werden kann, was angesichts der totalen Macht der Weißen wahrscheinlich ist, ist keine Zeit gewonnen, jedenfalls aber keine mehr zu verlieren. Botha muß dem Dialog mit den Führern der Schwarzen suchen, solange es noch welche gibt, die mit ihm reden wollen und können. Er wird dabei auch nicht wählerisch sein und Bedingungen für die Teilnahme stellen können.

Botha muß den Dialog mit den Führern der Schwarzen suchen solange noch dazu Zeit ist.

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