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Der Weg zur Spitzenleistung
ICH bin begeistert: einmal Gold, zweimal Silber, fünfmal Bronze — toll, was unsere Jungen zusammenbrin-gen! Was? Nein, natürlich nicht in Montreal. Dort gab es — bisher — nur eine „erschossene“ Bronzene. Nein, im heimaüliohen Lienz, bei der Mathematik-Olympiade“, wo die österreichischen Mini-(Adam-)Riesen gleich nach den Russen und Engländern rangierten, ex aequo mit den Amerikanern und Franzosen. Und wo es nicht um hundertstel Sekunden oder Zentimeter ging, sondern um Aufgaben, die einem mathematischen Negativgenie wie mir nur ein ehrfurchtsvolles Gruseln erzeugen können. Aber
es ging um mehr, als um Formeln und Gleichungen. Minister Sino-watz umriß es so: Hier seien Schüler zusammengekommen, um freiwillig Mathematik zu betreiben; Leistungsfreude ersetze den Leistungsdruck. Es ging darum, besonders begabte junge Menschen herauszusuchen, herauszuheben, besonders zu motivieren, zu erhöhten Leistungen anzuspornen, das Maß an Leistungsmöglichkeiten zu aktivieren, das ihnen gegeben ist — und ihnen dann auch mit der Chance auf den Erfolg die Aussicht auf die öffentliche Anerkennung zu bieten. Der Erfolg gab diesen Bemühungen recht — nicht nur mit einer Handvoll Medaillen. „Die
Absolventen der letzten (Mathe-matik-JOlympiaden zählen auf den Hochschulen zu jenen, die ihr mathematisches Können ausgezeichnet auch auf andere Wissensgebiete übertragen können“, zog „Olympiade-Präsident“ und Mathematik-Ordinarius Edmund Hlawka die Bilanz. Die Schule könne eine Menge davon lernen.
Gut für die Rechengenies unter den Jungen, sie können auf diesem Weg früher Lorbeer erringen — und, was wichtiger ist, rechtzeitige Förderung erfahren. Auch für die Sportkanonen von morgen gibt es Ähnliches. Unsere „Stam-ser“ konnten erst im letzten Winter in Innsbruck ihre Leistungen vorführen. Auch von den Absolventen des Musik-Zweiges am Wiener Wasa-Gymaasium sind in den vergangenen Jahren schon einige in die internationalen Konzertsäle eingerückt. Wer also eine Spezialbegabung zeigt, wenigstens auf gewissen, gerade vom Zug der Zeit begünstigen Gebieten, der kann auch auf spezielle Förderung rechnen. Auch auf die Gefahr hin, mit einer notwendigerweise einseitigen oder mindestens zie!-orienitierten Schulbildung in eine Einbahnstraße gedrängt zu werden, die mitunter doch in einer
Sackgasse enden kann. (Ich will hier gar nicht das böse Wort von der „Züohtung von Fachidioten“ einführen.)
Aber was ist mit jenen „schulischen Zehnkämpfern“, bei denen es zwar nicht zu einer mathematischen Goldmedaille langt, aber dafür zu einem Zeugnis, das quer durch den Katalog nur Einser und Zweier aufweist? Die in Deutsch und Englisch ebenso mehr leisten könnten wie in Physik und Chemie, mehr als der Durchschnitt ihrer Klassenkameraden, auf den die Lehrpläne ausgerichtet sind?
Auf die Gefahr hin, als Reaktionär verschrieen zu werden: Wir haben in Österreich zuwenig Elite-Schulen, zu wenige Lehranstalten für den „Zehnkämpfer“, für die allgemein höher begabten und zu höheren Leistungen befähigten Kinder — aller Schichten, die auch stärker gefördert werden müßten. Die Schulreformen der letzten 14 Jahre haben breiten Bevölkerungskreisen die Tore der höheren Schule geöffnet. Das ist gut so. Es wurde vergessen — oder bewußt unterschlagen —, daß damit auch eine Hebung der Spitzengruppe hätte Hand in Hand gehen müssen. Der Run auf die Privatschulen, die
ein Dritter ihrer Aufnahmewer-ber abweisen müssen, zeigt, daß auch viele Eltern diese Notwendigkeit erkannt haben (und bereit sind, auch materielle Opfer für diese Erkenntnis in Kauf zu nehmen — zugunsten einer besseren Bildung ihrer Kinder). Im Schlagschatten des Schlagworts von der „Gleichheit“ wurde der Begriff „Elite“ zum Buhmann abqualifiziert — aber mit Gleichheit kann man keine Goldmedaille gewinnen. Das sollte schon zum Denken zwingen. Auch und gerade eine Demokratie kann und darf nicht allen das Gleiche geben wollen, sondern — nach Möglichkeit — jedem das Seine, das für ihn Notwendige, zuerst in der Schulbildung. Ohne eine Elite von Menschen, deren höhere Fähigkeiten früh erkannt und bewußt gefördert wurden und die bereit sind, mehr zu lernen, mehr zu leisten, auf einer sicheren ethischen Basis, später größere Aufgaben und größere Verantwortung zu übernehmen — nur in diesem Sinn kann es heute Eliten geben —, füllen sehr bald Pseudo-Eliten von Apparat-sohiki die Lücken. Daß dies nicht zum Nutzen der Demokratie ist, dokumentiert uns täglich das latente Unbehagen.
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