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Der Weltgeist ist der Oper nicht hold
Vf)R genau 50 Jahren begann in v,x*- Berlin eine der interessantesten Unternehmungen der neueren Musikgeschichte, das „Experiment Krolloper“. Eg ist mit den Namen Klemperer, Gründgens, den Bühnenbildnern Theo Otto, Caspar Neher und Eduard Düllberg (vom Bauhaus) sowie Hans Curjel als Dramaturg verknüpft. Vier Jahre später, 1931, wurde dem kühnen Unternehmen, das von allem Anfang an im Scheinwerferlicht — oder besser: im Kreuzfeuer — der Kritik stand, durch Attacken der Parteipresse und Angriffe im Reichstag der Garaus gemacht, der Hahn abgedreht.
Eine Gruppe von Künstlern hatte sich zusammengeschlossen, um die Meisterwerke der Klassik und Romantik möglichst unkonventionell, fern aller Routine zu erarbeiten und daneben dem zeitgenössischen Musiktheater breitesten Spielraum zu gewähren. Gleichzeitig wurde auch zahlreichen jungen Sängern eine Chance gegeben. Das Ganze aber basiert auf der Tatsache, daß eine genügend große Anzahl neuer und spielbarer Opern vorhanden war, die auch von einem aufgeschlossenen Publikum akzeptiert werden konnte.
In den vier Jehren von 1927 bis 1931 standen auf dem Programm der Kroll-Oper: von Strawinsky „ödi-pus Rex“, „Die Geschichte vom Soldaten“ und „Mavra“, von Hindemith „Oardillac“, „Neues vom Tag“ und „Hin und zurück“, ferner drei Einakter Kfeneks, Milhaiuds „Armer Matrose“, Weills „Jasager“, Janä-ceks „Aus einem Totenhaus“ und Iberts ,,Angelique“. Alle diese Werke waren während der letzten zehn Jahre entstanden, nur Ravels „Spanische Stunde“ sowie „Erwartung“ und „Die glückliche Hand“ von Schönberg waren „älter“, aber noch nie an einem Abend aufgeführt worden. Es waren zugleich auch die schwierigsten Stücke. — Alle genannten Opern erwiesen sich später als Meisterwerke, sie tauchen auch heute noch gelegentlich im Repertoire größerer und mittlerer Bühnen auf.
Doch wie sieht es heute mit der Produktion aus? Abgesehen davon, daß wohl kein Intendant oder Operndirektor den Mut hätte, ein solches Experiment zu starten — er würde sowohl von den Komponisten wie vom Publikum im Stich gelassen werden. Die genannten Werke waren nicht nur „zeitgenössisch“, sondern sie entsprachen auch der musikihistorischenEntwicklung
ihres Jahrzehnts, waren also nicht aufgewärmtes 18. oder 19. Jahrhundert. Das Publikum, teilweise aus neuen Schichten kommend, ging mit.
Und hier und heute?
Nicht, daß keine Opern mehr geschrieben würden. Aber die, die aufgeführt werden — was selten genug geschieht — zeigen eine eher gefällig-konservative Handschrift (Egk, Orff, Einem, Menotti, Britten u. a.). Und die wenigen unter den „fortschrittlichen“ neuen Komponisten, die noch Opern schreiben, haben fast alle ein gestörtes Verhältnis zur Sprache, vor allem aber zur menschlichen Stimme (Henze, Nono, Dallapiccola). Wenn zum Beispiel Henze von einer Rückkehr zur Contabilität, ja zur Italianitä schreibt, so liest sich das sehr vielversprechend; aber hören kann man davon wenig. Der einzige uns bekannte Komponist, der ganz auf der Höhe der Zeit ist, der frühverstorbene Bernd Alois Zimmermann, stellt in seinem Hauptwerk, „Die Soldaten“, so hohe Ansprüche an Sänger, Musiker und Techniker, daß die Aufführung wirklich über die Kräfte eines mittleren, ja eines großen Opernhauses geht.
Dies ist einer der Gründe für die bedauerliche „Schrumpfung“ des Repertoires, die seit einigen Jahrzehnten zu beobaohten ist (noch Gustav Mahler hatte während seiner zehnjährigen Direktionszeit von 1897 bis 1907 rticht weniger als 22 zeitgenössische Werke auf dem Spielplan des k. k. Hofoperntheaters. — So versucht man es mit „Ausgrabungen“ von älteren Werken, die, so kunstvoll und verschwenderisch sie auf gern ascherlt sind, bald wieder in der Versenkung verschwinden.
Aufs Ganze gesehen, scheint der Hegeische „Weltgeist“ der Oper nicht günstig. Während es eine kaum überschaubare Fülle von Werken der bildenden Kunst jedes Genres, Formats und Anspruchs gibt, während wir vor einem nicht mehr erklimmbaren Bücherberg stehen, ja während eine Unmenge von Instrumentalkompositionen produziert werden, ist die Opernproduktion schwach.
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