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Der werdende Picasso

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Barcelona, das die letzte Brücke Picassos zu Spanien nach Verlassen des Landes im Jahr 1917 darstellt, ist seit einigen Jahren mit seiner Zustimmung zu einem Brückenkopf für die Heimkehr seiner Werke geworden. Eine Heimkehr nicht in den heutigen spanischen Staat, mit dem der überzeugte Republikaner Picasso gebrochen hat, sondern in die Stadt, die seinem Werdegang in Spanien tiefe Impulse verlieh, in der seine Mutter und seine Schwester Dolores bis zu ihrem Tode lebten und aus der sein engster Freund und Sekretär, Jaime Sabartes, stammte.

Sabartes war es, der mit der Schenkung seiner während 65 Jahren gesammelten Werke Picassos, darunter fast alle Lithographien, den Anstoß zur Schaffung des Picasso-Museums gageben hat. 1960 entschloß sich Barcelona daher zum Ankauf des aus dem 13. Jahrhundert stammenden Palastes Aguilar und später des angrenzenden des Barons Castellet in der Calle Montcada, mitten im alten Barcelona, in dem Picasso neun Jahre lang lebte und in dem er als Vierzehnjähriger sein erstes Atelier hatte. So legen die darin dem Publikum erstmalig 1963 zugänglich gemachten Werke Picassos vor allem Zeugnis von seiner Jugendzeit ab, von seinem Werden, seiner Behauptung in den verschiedensten Stilarten, ohne daß dabei ein kindliches oder jugendliches Suchen festzustellen ist. Mit neun Jahren zeichnet sich in seinen Zeichnungen von Stierkämpfen und Tauben bereits der spätere Picasso ab, mit vierzehn war er bereits Meister seines Metiers. Dichtgedrängte Skizzen sind die Vorläufer zu seiner Jugendstillinie, Gemälde geben Zeugnis von seiner sehr frühen, akademischen Epoche, von seiner blauen und rosa Zeit.

1968, nach dem Tode Sabartes, schenkt Picasso Barcelona als Würdigung seines Freundes seine 58 Gemälde umfassende Sammlung der „Meninas“, seine eigenwillige Neuauslegung des gleichnamigen Werkes von Velazques, „die dem Berufskopisten abscheulich erscheinen ...“ (Picasso, 1950 zu Sabartes). Vervollständigt wird diese Schenkung durch die neun Gemälde der „Tauben“, Landschaftsskizzen, das „Piano“ und ein Porträt seiner Frau Jacqueline.

Die neueste, aus den 900 Werken der Sammlungen seiner in Barcelona wohnenden Neffen Vilatö Ruiz bestehende Schenkung, die nunmehr in den untersten Stockwerken der beiden Paläste untergebracht ist, und die aus Anlaß seines 90. Geburtstags dem Publikum voll zugänglich gemacht wurde, birgt eine Anekdote, die wieder einmal verdeutlicht, daß sich zwar die Einstellung des Regimes zu dem vormals verfemten Picasso seit den fünfziger Jahren grundlegend geändert hat, daß aber die des revolutionärsten Malers unseres Jahrhunderts zum Franco-Staat gleichgeblieben ist: Als Picasso erfuhr, daß ein Regierungsverire-ter aus Madrid zur mit dem Burgos-Prozeß zusammenfallenden Teileröffnung dieser Ausstellung erscheinen wolle, drohte er mit der Rückgängigmachung der Schenkung. Selbstverständlich wollte man sich dieser Gefahr nicht aussetzen, denn schließlich hofft Madrid auf einen Großteil der etwa 700 in Picassos Privatbesitz befindlichen Werke. Selbst wenn sie den Katalanen vermacht werden sollten ...

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