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Der Zentralstaat als Leviathan

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„Osterreich ist ein Bundesstaat. Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, ' Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien.” So lautet der Artikel 2 des Verfassungsgesetzes von 1929.

Ist Österreich wirklich ein Bundesstaat? Oder ist dieser Artikel 2 in Verbindung mit den vielen Sonntagsreden zur höheren Ehre des Föderalismus nur das willkommene Feigenblatt, hinter dem ein zentralistischer Leviathan ' immer neue Kompetenzen an sich zieht?

Im Vergleich zu manchen anderen demokratischen Staaten (z.B. USA, Bundesrepublik Deutschland, Schweiz) nehmen sich in Österreich die den Ländern zugestandenen Rechte und Wirkungsbereiche bescheiden aus.

Daß der föderalistische Ast im Staate Österreich unterentwik-kelt ist, liegt vorerst einmal an der in der Ersten Republik vor sich gegangenen Verfassungsentwicklung. Der Verdacht, daß selbst den naturgemäß der föderalistischen Idee eher aufgeschlossenen Abgeordneten der Christlichsozialen Partei der ungeheure Wert von wirksamen Rechten der Länder in der Verfassung nicht hinreichend klar war, ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen.

Vom führenden sozialistischen Abgeordneten Robert Danneberg stammt die hohnlachende Bemerkung, daß es seiner Partei gelungen sei, die Einrichtung des, Bundesrates jeder politischen Bedeutung zu entkleiden und die Kompetenz der Landtage auf ein Minimum zu beschränken.

Die gelebte1 Wirklichkeit der Verfassung ist bisweilen für die Länder noch nachteiliger, als die Buchstaben des Gesetzes ohnehin schon verheißen. Es ist wohl richtig, daß schon vor 1970 nicht nur Anwälte des Föderalismus die von der Volkspartei gestellten Bundeskanzler berieten. Die Mi-nisterialbürokratie hatte auch damals — ob rot oder schwarz—ihren zentralistischen Hang, und auch die Auflösung der Bezirksgerichte als wohl nicht sehr föderalistische Maßnahme hat damals ihren Anfang genommen.

Aber was seit 1970 auf diesem Feld passiert ist, hat die Kopflastigkeit des Zentralstaates noch maßlos überhöht. Einige Beispiele: Gerade in Zeiten, da einer sozialistischen Mehrheit im Nationalrat eine ÖVP-Mehrheit im Bundesrat gegenüberstand, erwies sich die Wirkungslosigkeit aller Aktionen im Bundesrat.

Bei der Steueraufbringung haben sich die Gewichte dramatisch zugunsten des Bundes verschoben. Allein in der Finanzausgleichsperiode von 1973 bis 1978 nahm der Bund durch Novellen zum Einkommensteuergesetz, Umsatzsteuergesetz, Bundesmi-neralölsteuergesetz, durch Preiserhöhungen auf Tabakerzeugnisse, Anhebungen der Stempelgebühren und der Vermögenssteuer einseitige Veränderungen der aufzuteilenden Vermögensmasse vor. Zum „Ausgleich” machte der Bund das Angebot, Ländern und Gemeinden Essigsteuer, Salzsteuer und Zuckersteuer zu überlassen.

Unter allen möglichen und unmöglichen Titeln und Drohungen wurden und werden die Länder zur Mitfinanzierung der ureigensten Bundesaufgaben zur Kasse gebeten: Vom Straßenbau über die Sicherung der Arbeitsplätze bis zur Grenzlandhüfe.

Schließlich läßt die Bundesregierung durch die Verwirklichung von Monsterprojekten fast ausschließlich im Raum Wien (AKH, Donauinsel, General Motors, Konferenzzentrum) kaum eine Gelegenheit vorüberziehen, weitere Arbeitsplätze in Wien zu konzentrieren und zusätzlich Tausende Steirer zum Pendeln zu zwingen. Auf längere Sicht ist diese Politik wahrscheinlich der massivste Angriff gegen die Eigenständigkeit eines Landes wie der Steiermark.

Hier ist es zweifellos Josef Krainer, der es als Landeshauptmann besser versteht, der historisch gewachsenen Eigenständigkeit der Steirer nicht nur formal, sondern auch emotional gerecht zu werden. Der seinerzeitige Vorwurf gegenüber der steirischen ÖVP, sie forciere einen Kantönligeist, eine billige Anti-Wien-Stimmung, hat an Aktualität verloren: Die von der steirischen ÖVP nach Wien geschickten Nationalratsabgeordneten sind deutlich besser geworden. In vielen Bereichert der Politik scheint aber der Föderalismus zur echten „Alternative” zu werden:

Arbeitsplätze zu den Menschen und nicht umgekehrt, überschaubare kleine Einheiten in der Energiepolitik, dezentrale Bildungseinrichtungen, umfassender Schutz der Natur, Kampf den Monsterkrankenhäusern und Eigeninitiative, Eigenleistung sowie Nachbarschaftshilfe.

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