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Des II. Vaticanum bleibende Bedeutung

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II. Vaticanum und Würzburger Synode - nur Episoden? Mit dem II Vaticanum begann ein lang ersehnter neuer Abschnitt der Kirchengeschichte. Dem Konzil gelang es durch seinen Realitätssinn, vielen Menschen in und außerhalb der Kirche Freude am Glauben und Mut zum Leben zu vermitteln. In jüngster Zeit scheint sich aber mehr und mehr die Meinung durchzusetzen, daß die Impulse des Konzils und der verschiedenen Regionalsynoden in den Gemeinden zu wenig wirksam geworden s’eien.

An die Stelle des ursprünglichen Optimismus sei bei vielen Laien und Priestern, aber auch bei Bischöfen Resignation getreten, die durch die Ablehnung nicht weniger Synodenvoten durch Rom noch verstärkt worden sei. Es könne doch nicht der Sinn großer Kirchenversammlungen sein, nur momentane Ventilfunktion zu haben und danach gedruckt und vergessen zu werden.

Mit dieser Problematik beschäftigte sich eine Tagung der Katholischen Akademie in Bayern. Bedeu tende Theologen wurden aufgeboten, ein zahlreiches Publikum war erschienen. Heinrich Fried, Professor für Fundamentaltheologie an der Universität München, beschäftigte sich eingehend mit den Synoden und Konzilien im Leben der Kirche

Das II. Vaticanum und in gebührendem Abstand - für Deutschland - die Würzburger Synode sind für Heinrich Fries die großen Ereignisse in der neuesten Geschichte unserer Kirche. Sie wurden mehr als die letzten zwei Konzilien von einer überwältigenden Zustimmung der Kirche und einem weltweiten Respekt getragen. Von einem antirömischen Affekt war damals weit und breit so gut wie nichts zu spüren.

Wenn es heute anders sei - und dies trotz der weltweiten Resonanz auf Papst Johannes Paul II. - wenn es heute Enttäuschung, Kritik, ja sogar Ablehnung gebe oder, was noch schlimmer sei, wenn Gleichgültigkeit und Nichtbeachtung sich breit machen, müsse man sich fragen, ob dies nur von einer säkularisierten Welt komme, oder ob nicht auch der

Grund darin liege, daß Konzil und Synoden nur zu Episoden zu werden drohen, indem ihre Impulse und Beschlüsse verschwiegen und nicht beachtet würden, daß die Wirklichkeit, und Praxis der Kirche von heute an ihren eigenen Worten, an denen des Konzils und der Synoden, gemessen werden müßten und vielleicht davor nicht recht bestehen könnten.

Das Ereignis der Tagung waren Karl Rahner und seine Ausführungen über die bleibende Bedeutung des Konzils. Ein klarer, ein wuchtiger Rahner, ein in echtem Zorn ergrimmter. Das Konzil ist für ihn der erste Akt in der Geschichte, in dem die Weltkirche als solche sich amtlich selbst zu vollziehen begann. Eine Weltkirche, die, wenn auch natürlich in sehr verschiedenem Intensitätsgrad, in aller Welt präsent ist. Und zwar nicht mehr nur als europäischnordamerikanische Exportware.

Sie hat überall einen einheimischen Klerus, der sich seiner Eigenständigkeit und Selbstverantwortung bewußt geworden ist. Diese Weltkirche hat in der Dimension der Lehre und des Rechts als solche auf dem Konzil zum ersten Mal in geschichtlicher Deutlichkeit gehandelt.

Die Theologie des Konzils ist für Rahner eine Theologie des Übergangs. Für ihn bleibt allerdings die Frage, ob, wie und wie rasch die Entwicklung der kirchlichen Theologie, die auf dem Konzil sichtbar wurde, sich weiter entwickeln wird. „Was an Theologie nach dem Konzil von der Römischen Glaubensköngregation erarbeitet und verkündigt wurde, läßt vielleicht immer noch einiges spüren von den Impulsen, die die konziliare Theologie entwickelte, ist aber doch wohlzu neuscholastisch in ihrer’ ängstlichen Abwehr von modernen Versuchen in der heutigen Theologie, zu wenig schöpferisch ih solchen Fragen, die nun einmal die heutige Theologie bewegen.

Andererseits sieht Rahner in der Theologie der letzten zehn Jahre eher Ermüdungserscheinungen, ein Ausweichen auf bloße Pastoral- und Religionspädagogik, eine Anthröpozen- trik falscher Art, die den Menschen in sich verschließt.

Rahner ist der Hoffnung, daß die Theologie weiter leben werde, daß sie entsprechend dem Konzil eine Welttheologie werde. Das würde für ihn aber nicht bedeuten, daß sie in den nichteuropäischen, in den nichtnordamerikanischen Ländern nicht mehr als bloßer Export des Westens existieren werden. Lateinamerika hat schon ausdrücklich seinen Anspruch auf eine eigene Theologie angemeldet, und auch Afrika und der Ferne Osten werden bald Theologien eigener Art in einer schöpferischen Auseinandersetzung mit ihren eigenen Kulturen entwickeln.

Die Kirche ist für Rahner auf diesem Konzil unerhört neu geworden. „Ob wir in der dumpfen Bürgerlichkeit unseres kirchlichen Betriebes hier und jetzt dieses Neue ergreifen und leben, das ist eine andere Frage.“

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