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Diagnose: Tückischer Pilz-Befall

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Klubobfrau Freda Meissner-Blau ist zurückgetreten. Klub-Vize Walter Geyer hat aufgegeben. Herbert Fux langt bereits mit der Hand nach der Türklinke. Und schon lange vorher wurde Josef Buchner ausgestoßen. Die Rest-Grünen nennen das jetzt Auf-bruchsstimmung.

Formell ist Andreas Wabl, bisher nur durch eine Hakenkreuz-Fahne im Taschentalon besonders aufgefallen, neuer Klubobmann. Im Hintergrund zieht Peter Pilz — wie bisher - seine Fäden, die Johannes Voggenhuber noch weiter verwirren. Und der Pilz-Befall geht tief unter die dünne Haut grüner Gemeinsamkeit.

Rücksicht auf die Wähler, die 1986 den Grünen einen beachtlichen Vertrauensvorschuß gewährt haben? Die sie zum Kämpfen und nicht zum Streiten und Davonlaufen gewählt haben? Den hehren Anspruch, für eine nach Form und Inhalt neue Politik zu stehen, wird den Grünen so leicht niemand mehr abnehmen.

Der Grüne Klub ist an der ideologischen Verschiedenartigkeit seiner Gruppierungen und an persönlichen Animositäten in seiner gewählten Zusammensetzung zerbrochen. Linke Sektierer -links dabei verstanden als fundamentalistische Position zur grundlegenden Änderung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse am Rande unseres politischen Systems — haben durch Haxelstellerei und Richtungsstreitigkeiten alle hinausgeekelt, die sich aus staatsbürgerlicher 'Und ökologischer Betroffenheit für eine reformistische Politik engagieren wollten, Die „Basisdemokraten“ haben mit dem zäheren Sitzfleisch gewonnen.

Während sich Meissner-Blau fadenscheinig auf parlamentarische Rituale ausgeredet hat, war Geyer da wenigstens ehrlich: Mit den linken Sektierern kommt man auf keinen grünen Zweig mehr.

Eine Überraschung? „Einigung wurde versucht, wo es keine Einigung geben konnte“, stand in dieser Zeitung dazu vor dem Wahltag 1986. Doch es ist keine Genugtuung, recht behalten zu haben.

Denn mit der Enttäuschung der Grün-Wähler, die sich um ihre Hoffnungen betrogen sehen, muß nicht nur ein zerstrittener Haufen, sondern muß unsere Demokratie fertig werden. Die Erwartung, daß ehemalige Grün-Wähler sich nun ernüchtert etablierten Parteien zuwenden, daß manche wieder reumütig zurückkehren, ist trügerisch. Selbst wenn es der FPÖ gelingt, und es gelingt ihr teilweise, Protesthaltungen für sich zu lukrieren, werden wahrscheinlich vielfach Grün-Wähler von gestern zu verbitterten Nicht-wählern. Vor dieser Verantwortung kann sich keine und keiner durch Mandatsrücklegung aus dem Staub machen.

Die Grünen haben jetzt mehr zur Politikverdrossenheit beigetragen als bisher gegen sie getan. Eine Konkurserklärung.

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