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Dialog schließt Kritik ein

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Wenn ein Mann wie Kurt Dieman bereit ist, eine Kritik am Verhalten gewisser Freimaurer in Österreich mit seinem Ruf als freier Publizist zu verantworten, wird eine um das freie Wort in diesem Land bemühte Zeitung ihm dieses nicht verweigern. Ubermäßig groß ist die Bekenntnisbereitschaft in einer delikaten Frage ja gerade nicht. Persönlich bin ich davon überzeugt, daß es linke und rechte Freimaurer gibt, solche auch, die an einer Neuentfachung alter Kulturkämpfe und -krämpfe sehr wohl interessiert sind, und solche, die das gern verhindert sähen. Ebenso gibt es radikale Kulturkämpfer, die keine Freimaurer sind, und nichtfreimaurerische Kulturkampf bekämpfer.

Keinen Widerspruch stellt ein Beitrag wie jener Diemans auf dieser Seite zur Kritik an der Erklärung der Kongregation für die Glaubenslehre vom 26. November 1983 dar, wonach Katholiken, die einer Freimaurerloge angehören,„im Zustand der schweren Sünde leben und die hl. Kommunion nicht empfangen können" (FURCHE Nr. 50/1983).

Diese Kritik ist von manchen Lesern gerügt, von manchen auch mißverstanden worden. Unter den Reaktionen fiel eine aus Regensburg besonders auf.

Emmeram H. Ritter, Bischöflicher Offizialsi at der Diözese Regensburg, schrieb in Nr. 2/42 der Zeitschrift „Bote von Fatima", dann auch im Regensburger Bistumsblatt und schließlich in einem Sonderdruck u. a.:

„Feichtlbauer scheint über der Zukunft der Gegenwart vergessen zu haben, in der er, vorausgesetzt, er ist gläubiger Katholik, gefordert wird, sich an die Lehre der offiziellen Kirche zu halten ... Mit seiner Kritik an dem Dokument zum Thema Sexualerziehung begibt sich Feichtlbauer in die Gewässer freimaurerischer Vereinigungen ... Feichtlbauer hat der Kirche Gottes, besonders der in Österreich, und auch der Wochenzeitung FURCHE keinen guten Dienst erwiesen. Der Dank der Gegner der Kirche ist ihm gewiß."

Auf einen allfälligen Dank dieser Art sei hiemit in aller Form verzichtet — auf eine Begründung meines rein persönlichen Standpunktes nicht (obwohl die Vermutung erlaubt ist, daß der hohe Herr in Regensburg eigentlich eine andere Adresse im Sinn hatte, als er die FURCHE tadelte).

Tatsache ist, daß zwischen 1968 und 1983 ein von Kardinal Franz König protegierter Dialog stattgefunden hat, den auf kirchlicher Seite die Universitätsprofessoren A. H. Vorgrimler, J. Wodka und A. E. Schwarzbauer sowie Prälat J. de Toth (Rom) führten. Ergebnis dieses gründlichen Gedankenaustausches war, daß die automatische Exkommunikation aller katholischen Freimaurer im neuen Kirchenrechtskodex unterblieb.

Niemand konnte deswegen aber auf die Idee kommen, daß damit sämtliche Aktivitäten aller 120 Großlogen (Landesverbände) gebilligt worden seien. Wer sich antikirchlich betätigt, verfällt selbstverständlich den dafür vorgesehenen Kirchenstrafen. Aber wer eine schwere Sünde begeht, sollte doch wohl individuell und nicht pauschal beurteilt werden. Immerhin gibt es nach freimaurerischer Angabe „Hunderttausende" Katholiken unter den sieben Millionen Logenbrüdern der Welt. (Ich war keiner, bin keiner und möchte keiner sein — aber das nur am Rand.)

Der Freimaurerei, wie es auch in der Regensburger Kritik geschieht, in Bausch und Bogen alle Laster der Neuzeit in die Schuhe zu schieben, ist eine Unterstellung, wie sie der heutigen Kirche nicht würdig ist. Auch kann man die Übel der Zeit nicht mit Bannflüchen bekämpfen.

In einer Zeit, in der gerade auch im kirchlichen Raum die Haltung des Seins an Stelle des Habens gefordert (und mit dem katholischen Existentialphilosophen Gabriel Marcel viel besser als mit dem Marxisten Erich Fromm begründet) wird, sollte dies auch vom Glauben gelten.

Wer Glauben hat, betrachtet diesen als Besitztum, das es abzugrenzen, einzuzäunen, zu verteidigen gilt; Übertreter müssen verurteilt und bestraft werden. Das ist letztlich die Religion Kleingläubiger, die sich ihrer nicht sicher sind.

Wer gläubig ist, lebt aus einer festen, unerschütterlichen, keiner drohender Wachttürme bedürfenden Geborgenheit in Gott. Er vertraut auf Sankt Augustins „Liebe und tu, was du willst." Das ist der Glaube freier Christenmenschen.

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