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Dicke Suppe

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Die Literaturpreise blühen in Paris — aber warum eigentlich nur dort? In Österreich oder in der Bundesrepublik Deutschland gibt es mehr solche Preise, als in Frankreich, wo alles auf die Hauptstadt konzentriert ist, aber Tatsache ist, daß sie bei uns viel weniger nützen als in Paris, auch dann, wenn sie hoch dotiert und mit feierlichen Zeremonien überreicht werden.

Der berühmte Prix Gon-court ist mit bloß fünfzig Francs bedacht und dennoch von enormer Wichtigkeit: der Autor ist dann zumindest im frankophonen Bereich durchgesetzt, und sein jüngstes Buch kann mit einer gewaltigen Auflage (200.000 Exemplare und mehr) rechnen. Auch noch einige andere Preise wie der Prix Femina, der Prix Renaudot, der Prix Medicis sind von Bedeutung.

Im deutschsprachigen Bereich des Westens gelingt es noch am ehesten dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels und dem Georg Büchner-Preis, eine sogleich merkbare Publikumsresonanz auszulösen. Die österreichischen Preise, ob nun der österreichische Staatspreis für europäische Literatur, der Große österreichische Staatspreis, der Anton Wildgans-Preis der Industrie, der Franz Kafka-Preis bringen Ehren im Milieu der Insider, doch mit einer nennenswerten Steigerung der Auflage kann niemand rechnen.

Was ist der Grund dafür? Mehrere Gründe gibt es:

• Frankreich und im besonderen Paris haben weitaus interessiertere Beziehungen zur Literatur, zum Buch überhaupt, als andere Länder und Städte.

• Die Verleger in Paris sind ungemein geschickt im propagandistischen Ausnützen der Preise. Rote Schleifen kommen auf die Bücher, der Werbeapparat, die Aktivitäten der Buchvertreter laufen auf Hochtouren.

• Die Massenmedien stürzen sich auf die Preisträger, erörtern schon vorher die möglichen Kandidaten, wie dies in anderen Ländern bestenfalls beim Nobelpreis geschieht.

• Alle Buchhändler ziehen mit, stellen eine große Anzahl der Bücher von Preisträgern in ihre Auslagen.

Das alles geschieht seit vielen Jahrzehnten, wurde also eine Tradition, die bestens funktioniert. Da ist eben das gallische Temperament dem deutschen, österreichischen, schweizerischen weit voran.

Die Rustikalität, Alpinität, intellektuelle Gleichgültigkeit, vielleicht auch der grübelnde deutsche Tiefsinn oder einengende politische Fixierungen, alles dies ergibt eine dicke Suppe, in der Literaturpreise umgebracht werden — was übrigens nicht so bleiben muß, wenn einmal mehr Leute als jetzt aus ihrem Schlaf der Gleichgültigkeit aufgewacht sind.

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