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Die Abkehr vom Typ Integrationspartei

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Heide Schmidt hat bei den Bundespräsidentenwahlen am 26. April 1992 in Graz - bei weniger Wahlberechtigten, aber höherer Wahlbeteiligung als am vergangenen Sonntag - 28.910 Stimmen erhalten. Der FPÖ, angeführt von Peter Weinmeister, genügten jetzt bei den Gemeinderatswahlen 26.971 Stimmen für ein triumphales Ergebnis.

Das soll weder den FP-Sieg schmälern noch die schwere Niederlage beschönigen, die SPÖ und ÖVP bei den Kommunalwahlen in der Murstadt erfahren haben. Der Vergleich zeigt nur: Wenn die Persönlichkeit stimmt, müssen nicht unbedingt Haider-Kompositionen am politischen Klavier angestimmt werden, um erfolgreich zu sein. Es ginge auch anders. Das hat nicht zuletzt auch Alexander Götz bewiesen, der es 1978 auf fast 40.000 Stimmen brachte, was einem Anteil von 24,9 Prozent entsprochen hat.

Mit 20,1 Prozent Stimmenanteil und einem Zugewinn von 8,3 Prozentpunkten hat die Grazer FPÖ einen gewaltigen Sprung nach vorne gemacht. Im Vergleich mit den Gemeinderatswahlen 1988, die der FP allerdings eine schwere Niederlage beschert hatten. Im Vergleich zu den anderen Wahlgängen, die seither stattgefunden haben, sieht der Zuwachs etwas bescheidener aus: Da lag die FPÖ seit 1990 in Graz bereits bei einem Stimmenanteil zwischen 18,8 und 19,8 Prozent.

Die politischen Gewichte haben sich also nicht über Nacht verschoben, sondern liegen auch in einem längerfristigen Trend, abgesehen davon, daß die FPÖ in Graz immer schon über ein beachtliches Potential verfügt hat.

Diesem längerfristigen Trend entspricht ebenso die sukzessive Erosion bei den Großparteien von ehedem. Und der Prozeß dürfte noch immer nicht abgeschlossen sein. Konsequente Sachpolitik allein wird da nicht aus der Krise führen. Am Beispiel Tempo 30 in Graz: Eine vernüftige und richtige Entscheidung kann sogar höchst unpopulär sein. Deswegen wählt aber kein Grüner nicht grün, dafür wechseln andere aber zu einer Autofahrer-Partei.

Der Trend führt, verstärkt durch die Unzufriedenheit mit den „Großen” und Protest gegen sie, weg von der klassischen Integrationspartei, die in sich einen Ausgleich widerstrebender Interessen sucht, und hin zu desintegrativer Interessenvertretung und zu Ein-The-ma-Gruppierungen. Da muß man nicht unbedingt den Fall Traxler oder die Kampagne zum Volksbegehren bemühen, um das Grazer Wahlergebnis zu erklären. So es einen Zusammenhang mit dem Anti-Ausländerbegehren gibt, ist er nächste Woche erbracht: die Grazer Latte liegt bei 26.971 FP-Stimmen.

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