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Die Ära Nixon-Kissinger

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Der deutsche Politologe Christian Hacke legt eine Zusammenschau jener bewegten Jahre der Ära Nixon-Kissinger vor, die von einer außergewöhnlichen Entspannung in den Ost-West-Beziehungen gekennzeichnet war. „Philosophischer" Ausgangspunkt war die „Nixon-Kissinger Doktrin", die das.starre, konfrontative Eindämmungsdenken der Vorgänger hinter sich ließ und versuchte, durch eine differenzierte Annäherung an die Sowjetunion den globalen Frieden auf feste Fundamente zu stellen.

Nach amerikanischen Vorstellungen sollten die Verbündeten mehr Lasten und Pflichten zur Sicherung des friedfertigen internationalen Zusammenlebens auf sich nehmen, denn Washington wollte seine Verpflichtungen in den letzten Winkeln der Welt reduzieren.

Die Sowjets wiederum sollten in Handelsvereinbarungen und mit Zugeständnissen in den Abrüstungsverhandlungen geködert werden, dafür erwarteten Nixon und Kissinger von Moskau, daß es nicht jeden Krisenherd der Welt anschüren würde („Eindämmung durch Anreize"). Autor Hacke untersucht wie sich diese Politik mit amerikanischen Interessen in China, Europa, dem Nahen Osten und in Vietnam junktimieren ließen („linkage").

Neben der Entspannungspolitik gegenüber der UdSSR, die SALT I und der - aus heutiger Sicht nicht gerade „ehrenhafte" — Rückzug aus Vietnam ermöglichten, war Richard Nixons spektakuläre Reise nach Peking zum Zweck der Öffnung der amerikanischen Außenpolitik zur Volksrepublik China ein weiterer

Kernpunkt der Realpolitik Kissingers

Die USA nützten die wachsenden chinesisch-sowjetischen Gegensätze um einerseits die neue Chinapolitik in die Wege zu leiten, andererseits Druck auf die Sowjetunion auszuüben. Die These vom kommunistischen Monolithen war schnell vergessen und ein neuer Trilateralismus war geboren.

Was Hacke in diesem Zusammenhang zu wenig betont, ist Nixons außergewöhnliche innenpolitische Risikobereitschaft. Denn es waren gerade seine republikanischen Parteifreunde, die die gefürchtete „China-Lobby" anführten, die seit 1949 jeden Annäherungsversuch zur Volksrepublik China mit hysterischem Geschrei unterbunden hatte.

Nur ein allseits bekannter Anti-kommunist vom Kaliber Nixons konnte in dieser Situation eine Öffnung zu China wagen. Sein politischer Pragmatismus überwand seine ideologische Rigidität — hier hat Hacke recht.

Hacke bedauert, daß der Watergate-Skandal Nixons Außenpolitik „zum Torso reduzierte". Auch wenn die Nixon-Kissinger Ära die amerikanische Außenpolitik positiv in Bewegung brachte, ein altgedienter politischer Fuchs wie Richard Nixon hätte wissen müssen, daß die amerikanische Öffentlichkeit nicht unbedingt auf die Ergebnisse der Außenpolitik achtet, sondern auch auf den Stil. Und hier hat sich Nixon mit seinen geheimen Kambodscha-Bombardements, den Einbrüchen beim politischen Gegner und seiner beinahe pathologischen Lügerei (wie die neueste Biographie Fawn Brodies ausführlich darlegt) an der amerikanischen politischen Tradition, die immer eine starke moralische Seite hatte, schwerstens versündigt.

Nixons Bild in den Geschichtsbüchern wird denn auch von den Ereignissen geprägt sein, die zu seinem Fall führten, weniger — wie Hacke meint — von seinen außenpolitischen Leistungen.

Eine abschließende Anmerkung zur Quellenlage: Hacke stützt seine Untersuchung vielleicht zu einseitig auf die Memoiren des Präsidenten und seines Außenministers. Die oben erwähnte Biographin Brodie etwa meint, Nixons Memoiren seien „eine meisterhafte Studie in Auslassungen und Halbwahrheiten." Ein endgültiges Urteil wird man bis zur Veröffentlichung der Tonbänder des Weißen Hauses und bis zur Aufhebung der Archivsperre wohl nicht abgeben können.

Christian Hackes Studie dieser höchst komplizierten Periode muß aber alles in allem ein hohes Lob gezollt werden. Sein Buch ist der ambitionierte Versuch, Klarheit in Nixons und Kissingers gedrängte diplomatische Aktivitäten zu bringen.

DIE ÄRA NIXON-KISSINGER, 1969-1974: Konservative Reform der Weltpolitik. Von Christian Hacke. In: Forschungen und Quellen zur Zeitgeschichte im Auftrag der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bd. 5. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1983. 319 Seiten, Leinen, öS 499.-.

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