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Digital In Arbeit

Die akzeptierten Kollegen am Arbeitsplatz

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Insgesamt sind in Österreich mehr als 1,6 Millionen Menschen behindert, 1,578.100 davon körperlich, etwa 45.000 geistig. Vorarlberg geht bei der beruflichen Integration seit 14 Jahren einen eigenständigen Weg. Mit Erfolg, wie jetzt eine Untersuchung der Wiener Wirtschaftsuniversität nachgewiesen hat.

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Insgesamt sind in Österreich mehr als 1,6 Millionen Menschen behindert, 1,578.100 davon körperlich, etwa 45.000 geistig. Vorarlberg geht bei der beruflichen Integration seit 14 Jahren einen eigenständigen Weg. Mit Erfolg, wie jetzt eine Untersuchung der Wiener Wirtschaftsuniversität nachgewiesen hat.

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Im Gegensatz zu den anderen Bundesländern, die Behinderte in geschützten Werkstätten auszubilden und zu beschäftigen versuchen, geht Vorarlberg seit über einem Jahrzehnt einen anderen Weg: die berufliche Integration behinderter Menschen über geschützte Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft. Behinderte wie Unternehmen werden dabei vom Bregenzer Institut für Sozialdienste (IFS) betreut und beraten. Die Grundüberlegung dabei ist, daß Behinderte wie Nichtbehinderte möglichst in Wohnsitznähe auch einen Arbeitsplatz finden.

Das Vorarlberger Integrationsmodell haben jetzt Christoph Badelt und August Österle von der Wiener Wirtschaftuniversität unter die Lupe genommen. Das Resümee der Studie, die das Jahr 1989 zur Grundlage genommen hat: „Diese Form der Integration Behinderter stellt eine bedeutende, bisher noch zu wenig beachtete Form der beruflichen Integration behinderter Menschen dar."

Mit Jahresende 1989 wurden vom IFS 264 behinderte Menschen - 22 Prozent davon waren lern-, 42 Prozent geistig behindert - auf geschützten Arbeitsplätzen in 172 Vorarlberger Unternehmen aktiv betreut. Zum Vergleich: Die 264 geschützten Arbeitsplätze entsprechen etwa sechs bis sieben geschützten Werkstätten in anderen Bundesländern. Und

Manfred Dörler, IFS-Geschäftsfüh-rer, weist noch auf ein weiteres Plus hin: Denn „man muß dazu noch rechnen, daß bei geschützten Werkstätten nicht nur Arbeitsplätze bereitgestellt, sondern meistens auch entsprechende Wohnmöglichkeiten angeboten werden müssen".

Erfolgreich und kostengünstig

Bei einem Vergleich der Kostensituation geschützter Arbeitsplätze mit geschützten Werkstätten sieht die Studie das „Ländle" im Vorteil: „So würde es etwa bei den gegenwärtig in Vorarlberg gültigen Verrechnungssät-zen für beschützende Werkstätten bei Leistungsverminderung bis zu 80 (!) Prozent kostengünstiger sein, Behin-

derte auf geschützten Arbeitsplätzen zu beschäftigen"-dieKosten der IFS-Betreuung dabei miteingerechnet.

Zwischen 50 und 100 Behinderte stehen in Vorarlberg jährlich vor dem Problem, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu finden. Das IFS, nur 13 hauptamtliche Mitarbeiter(innen) sind damit beschäftigt, berät und betreut nicht nur sie, sondern auch jene Unternehmen, die geschützte Arbeitsplätze zur Verfügung stellen.

In diesen Unternehmen erhalten die behinderten Frauen und Männer den vollen betriebsüblichen oder Kollektivvertragsgehalt. Die Leistungsminderung durch Behinderung, die von einem Experten festgestellt wird, wird dem jeweiligen Arbeitgeber inklusi-

ve der entsprechenden Lohnnebenkosten vom Land Vorarlberg vergütet.

Die Vorteile des „LändIe"-ModeIls überzeugen: Weil es nicht isolierte Beschäftigungstherapie verfolgt, sondern berufliche und soziale Integration insgesamt. Davon sind Behinderte, Unternehmen und Betreuer gleichermaßen überzeugt. 91 Prozent der Unternehmen erklären sich bereit, bei Ausscheiden eines behinderten Dienstnehmers wieder einen Behinderten aufzunehmen.

Einkommen und Akzeptanz

Behinderte - und für 70 Prozent ist das ein ganz wesentliches Motiv -verdienen im Rahmen dieses Modells nicht nur ihren Lebensunterhalt selbst, sondern können damit auch selbst für das Pensionsalter Vorsorgen. Und „insbesondere trägt der geschützte Arbeitsplatz dazu bei, persönliche Kontakte zu Nichtbehinderten zu schaffen", berichtet Dörler, mehr noch: Behinderte erfahren Akzeptanz. Zwei Drittel der Behinderten geben an, persönliche Probleme mit nichtbehinderten Arbeitskollegen zu besprechen. Und „mehr als die Hälfte hat auch außerhalb des Betriebes Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz".

Umstritten am Modell ist einzig der erweiterte Kündigungsschutz. Dazu stellt die Studie allerdings fest, „daß Behinderte, die nicht unter die erweiterten Kündigungsschutzbestimmungen fallen (das heißt, nicht begünstigt im Sinne des Behindcrtcn-Einstel-lungsgesetzes) auch bei hohen Leistungsminderungen die gleiche Arbeitsplatzkonstanz aufweisen wie begünstigte Behinderte. Offensichtlich bewirkt das Modell .geschützter Arbeitsplatz' durch seine begleitende Beratung von Behinderten und Unternehmen einen faktischen Kündigungsschutz."

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