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Die Alternativen

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Dos System fester Paritäten, wie es seit der Neufestsetzung der V/ecli-selkurse im Dezember 1971 in Washington („Smithsonian Agreement“) nach kurzer Zeit des „Floating“' wieder besteht, verpflichtet die Notenbanken, die fremden Währungen in jeder Menge zu kaufen, um die Kurse dieser Währungen innerhalb der zugelassenen Bandbreite zu halten, die seit Washington 2,25 Prozent über und unter der Parität beträgt.

Wenn es nur darum ginge, daß mit dem Ankauf beispielsweise von Dollar die Währungsreserven mit einer derzeit schwachen Währung aufgefüllt werden, dann wäre das halb so schlimm. Das Unangenehme ist aber der Umstand, daß die Dollarbeträge nur im Wege der Schöpfung zusätzlicher Landeswährung angekauft werden können, die das Geldvolumen im Lande notwendigerweise vermehrt, wenn es nicht durch gleichzeitige Restriktionsmaßnahmen wieder eingeschränkt wird. Wird aber das Geldvolumen rascher vermehrt als es die Geldversorgung einer wachsenden Wirtschaft erfordert, dann ist bei Vollbeschäftigung der Produktionskräfte eine inflato-tische Entwicklung geradezu unvermeidlich!

Es ist daher nur zu verständlich, wenn sich die Notenbanken oder die Regierungen — je nach der Zuständigkeit — gegen den also unerwünschten Zustrom fremder Währungen zur Wehr zu setzen versuchen. Was aber heute so unbefriedigend erscheint, ist folgendes: strömen beispielsweise unerwünschte Dollar in die Niederlande dadurch, daß Ausländer holländische Wertpapiere kaufen, und verbieten daher die holländischen Behörden den Ankauf solcher Obligationen durch Ausländer, so erhöht sich die Nachfrage nach Wertpapieren anderer Länder mit starken Währungen. Die Einführung der sogenannten „Negativzinsen“ durch den Schweizerischen Bundesrat für Zuwächse auf Frankenkonten in der Schweiz, erhöht die Nachfrage nach Deutschmark, Hollandgulden und Schilling.

Die deutsche Bundesregierung hat es sogar fertiggebracht, unerwünschte, im Inland geschaffene Liquiditäten ins Ausland abfließen zu lassen: die Freigabe des seinerzeit eingeführten Konjunkturzuschlages in der Größenordnung von 5 bis 6 Milliarden D-Mark wurde bewußt mit der Erwartung terminisiert, daß diese Gelder von den Bundesdeutschen während des Urlaubs im Ausland ausgegeben werden! Freilich, nachdem die Bundesrepublik wiederholt das Ziel von Geldströmen gewesen ist, die aridere Länder durch schärfere Restriktionen ausgesperrt hatten.

Die derzeitige Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß die verschiedenen Länder unerwünschte Gelder damit abzuhalten oder wieder loszuwerden versuchen, daß sie diese freundlicherweise den lieben Nachbarn überlassen. Diese Maßnahmen schaffen vielleicht dem einzelnen Land für kurze Zeit relative Ruhe — bis sich die anderen ihrerseits dieser Gelder wieder zu entledigen trachten. Das Ping-Pong mit „heißen“ Geldern oder das Weiterreichen des „Schwarzen Peters“ durch Bewegungsbeschränkungen, Devisenkontrollen und Handelsrestriktionen ist keine Lösung!

Eine dauernde und wirksame Abhilfe kann nur durch eine Beseitigung des Grundübels erreicht werden: durch die Verminderung der internationalen Liquidität oder wenigstens durch eine Beschränkung in der Schaffung neuer internationaler Zahlungsmittel, bis die real wachsende Weltwirtschaft wieder in den zu faltenreichen Mantel der derzeitigen Geldüberfülle hineingewachsen sein wird.

Die große Menge leicht beweglicher Gelder droht auch in einem weitgehend UberaVsierten Geld- und Kapitalverkehr, interne Restriktionsmaßnahmen von noch stabilitätsbewußten Notenbanken durch Geldimporte zu unterlaufen. Die

übergroße Liquidität ist somit eine Ursache dafür, daß sich der Inflationsbazillus von Land zu Land seuchenartig verbreiten konnte.

Die internationale Liquidität hat sich von 78 Milliarden Dollar im Jahre 1969 auf ungefähr 137 Milliarden Dollar bis zum Ende des ersten Quartals 1972 vermehrt; das ist, verglichen mit einer Expansion des Welthandels von nur 35 Prozent, eine Erhöhung um rund 75 Prozent! Da der Goldbestand der Notenbanken so gut wie unverändert geblieben ist, ist der Zuwachs ausschließlich auf eine Vermehrung der Devisenreserven und — zu einem geringeren Teil — auf die sogenannten Sonderziehungsrechte zurückzuführen, die im Jahre 1970 in der Sorge geschaffen worden waren, ein Rückgang des Zahlungsbilanzdefizits der USA (durch das die Welt überreich mit Dollar versorgt wird) könnte zu einer Knappheit an internationalem Geld führen. Die erste Konsequenz, die aus dieser Situation gezogen werden muß, ist der Verzicht auf die weitere Schaffung zusätzlicher Sonderziehungsrechte für die nächste Basisperiode, die mit Jänner 1973 beginnt.

Ferner muß durch eine Kooperation der Notenbanken versucht werden, die bei ihnen unfreiwillig angesammelten Dollarbeträge, den sogenannten „overhang“, in den Geldkreislauf der USA zurückzuführen und gleichzeitig für längere Zeit zu binden. Dazu ist eine neue Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Amerikaner erforderlich, die bisher jede der Interventionspflicht der außeramerikanischen Notenbanken analoge Verpflichtung abgelehnt haben.

Schließlich muß das neue Weltwährungssystem, für dessen Ausarbeitung bei der Herbsttagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) der Startschuß gegeben werden wird, dem IWF als Ergänzung zur Errungenschaft der Möglichkeit einer bewußten Geldschöpfung (durch Schaffung von Sonderziehungsrechten) auch noch Instrumente für eine bewußte Stillegung internationaler Liquidität zur Verfügung stellen und die Mitglieder der internationalen Währungs gemein-schaft zum Verzicht auf willkürliche Schöpfung zusätzlicher internationaler Zahlungsmittel verpflichten oder zumindest dazu, ihre eigenen Zahlungsmittel zurückzukaufen, beispielsweise durch eine neue Form der Konvertibilität der in Zukunft von den Notenbanken aufzunehmenden Dollarbeträge. — Vielleicht hat die jüngste Pfundkrise den Amerikanern doch gezeigt, daß die Freigabe von Wechselkursen nicht immer in ihrem Interesse liegen muß.

Jedenfalls ist das Hauptanliegen der bevorstehenden Reform des internationalen Währungssystems genau dasselbe vne die Aufgabe der Währungsordnung in den einzelnen Ländern: die bewußte Steuerung und Kontrolle der Liquidität.

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