6852360-1976_52_13.jpg
Digital In Arbeit

Die Altmeister der Moderne treten ins Rampenlicht

Werbung
Werbung
Werbung

Das Kunstereignis dieses Herbstes in Budapest ist die Paul-Klee-Ausstellung in der Kunstgalerie, dem repräsentativen Ausstellungsgebäude gegenüber dem Museum der Schönen Künste. Die 61 Bilder aus der Landesgalerie von Nordrhein-Westfalen sind schon vorher in 19 anderen Städten gezeigt worden, aber in Ungarn „wäre das vor drei Jahren noch nicht möglich gewesen“, hört man viele Leute sagen. Im Gegensatz zu früheren Aktivitäten des ungarisch-bundesdeutschen Kulturaustausches wird auf die Ausstellung auch durch Plakate und Zeitungsberichte angemessen hingewiesen. Der Andrang ist entsprechend groß. Am ersten Sonntag kamen schon 4500 Besucher. Früher hätte man sich eher ein wenig versteckt, schon um den Zorn der DDR-Botschaft nicht zu erregen.

Im Gegensatz zu anderen osteuropäischen Staaten kennt man in Ungarn genau den Inhalt des „Korb 3“ aus Helsinki und will sich daran halten. Dabei geht der Austausch mit der DDR systematisch weiter. Soeben zeigt das Literaturmuseum eine Schiller-Ausstellung. Weimar schickte mit vielen Bildern und Dokumenten auch das Bett Schülers und andere Reliquien. Die Ungarn haben eine Dokumentation über Schüler-Übersetzungen und -Aufführungen in Ungarn hinzugefügt. Schon 1794 wurde Schiller in Klausenburg (heute rumänisch Cluj), 1795 in Pest gespielt, und seitdem verschwanden „Teil Vümös“, „Stuart Märiä“ und „Armäny es Szer-elem“ (Kabale und Liebe) kaum noch von den Spielplänen. terköpfe haben so gar nichts mehr mit „Sozialistischem Realismus“ zu tun. Sie zeigen komische Verzerrungen, wie sie das Leben so hervorbringt, mit menschücher, brüderlicher Wärme. Auch Töth scheint aus den Typen, die er mit nie erlahmender Aufmerksamkeit schüdert, hervorgewachsen zu sein. Seine ironische Registrierung schiefer Gesichtszüge, dicker Hälse und Backen, kleiner Äuglein ist ohne Überheblichkeit. In seinem menschlichen Panoptikum läßt sich's leben. Bei diesen Köpfen und bei größeren figu-ralen Kompositionen, bei Landschafts- und Gebäudedarstellungen, die sich immer mehr der Abstraktion nähern, herrscht die Farbe Weiß vor, ein Zinkweiß, das immer dicker auf die „natürlichen“ Farben aufgetragen wird. Weiße Übermalungen wirken manchmal wie rauh geweißte Wände von Bauernhäusern. In dieser optimistischen Farbe der Unschuld und Reinheit finden sich alle Farben des Spektrums, es überstrahlt die andern, daher trägt er es wohl auf sie auf.

Töth findet erst seit einigen Jahren Anerkennung. Sein Akademie-Studium kam nur dadurch zustande, daß er sich als Anstreicherlehrling ein Bein buchstäblich abgefroren hatte und nicht mehr arbeitsfähig war. Nach dem Studium ging er zurück aufs Land, baute Paprika und Majoran an und malte nur in kargen Feierabendstunden. Kriegs- und Nachkriegszeit waren seinem eigenwilligen Stil so wenig günstig, wie er in den „Sozialistischen Realismus“ paßte. Bis 1969 gab es nur einige kleine Ausstellungen. Da muß er es als Wunder empfunden haben, als 1974 die mittelungarische Obst-Stadt Kecskemet eine große Töth-Schau veranstaltete und dann für einen sehr ansehnlichen Betrag sämtliche Büder kaufte, um dem heute 72jährigen ein eigenes Museum einzurichten.

Auch die Nationalgalerie zeigt zwei bemerkenswerte Senioren der ungarischen Kunst, die allerdings beide ihre größte Zeit hinter sich haben. Deutlich erkennt man den Rückgang bei dem Büdhauer Päl Pätzay, der - heute achtzigjährig - in der ersten Hälfte des Jahrhunderts nicht nur zu den Fortschrittlichen gehörte, sondern auch starke Eigenart zeigte, sogar als er sich um 1940 schon spürbar an seine damaligen Auftraggeber anpaßte. Seit er aber offizielle Lenin- und Kädär-Pbr-träts anfertigt, scheint ihm auch sonst nichts mehr recht gelingen zu wollen.

Viel aufregender ist der ebenfals 80 Jahre alte György Ruzicskay, dessen expressionistische Epoche wohl am ehesten seinem Wesen entsprach. Sein Element ist die Bewegung, ob er große figurale Kompositionen zeigt, flimmernde wimmelnde Stadtansichten, etwa von Paris, oder historische IUu-strationen, auf denen Hunderte Menschen zu sehen sein können. Sein Hauptthema ist die Begegnung des Lebens - Mensch und Tier - mit dem technischen Fortschritt. Mensch und Maschine, Mensch und Verkehr, der Mensch im Räderwerk der Technik, das Tier, das dem Straßenverkehr zum Opfer fällt, der Motorradfahrer, der mit weit aufgerissenen Augen durch die Nacht rast. Bewegung ist immer: ob ein einzelner Mensch sich im Schmerz aufbäumt oder eine Masse von Leibern in wüdem Kampf verschlungen ist. Es ist ein starkes Pathos in seinen Büderri, ein Bekenntnis zum Leben, Freude am Schönen trotz aller Tragik. Man hat ihn in Paris, wo er lange lebte, hoch geehrt, auch in Amerika und Kanada ausgestellt. Bei uns ist er noch zu entdecken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung