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Die Angelobung

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Am 16. Juni wurde der bisherige Finanzminister Franz Vranitzky vom Bundespräsidenten mit der Bildung einer neuen Bundesregierung betraut. Am 13. Juni aber hatte er diese, von vielen Journalisten bereits eilfertig als fjierr Bundeskanzler“ angesprochen, den Medien schon vorgestellt.

Theoretisch hätte das Gespräch zwischen Kirchschläger und Vranitzky also etwa so verlaufen müssen:

„Eben habe ich von Herrn Sinowatz offiziell erfahren, daß er Sie als Nachfolger haben will. Ich bitte Sie, sich nach neuen Ministern umzusehen.“ — ,^ber bitt' Sie, Herr Bundespräsident, Sie werden doch genau so wie ich davon schon in der Zeitung gelesen haben! Ich hab' mir gedacht, ich bring' die Neuen gleich mit.“ — ,JJas ist aber aufmerksam. Holen Sie s' doch gleich herein...“

Selbstverständlich lief alles in Wirklichkeit viel hübscher ab. Der Bundespräsident, so erfuhr man, sei mit dieser (auch von der „AZ“ als „einmalig“ bezeichneten) Abwicklung einverstanden gewesen — und die monatelangen Wahlkampfbeteuerungen von der angeblich keineswegs nur staatsnotariellen Stellung des Bundespräsidenten hatte ja hoffentlich niemand geglaubt.

Fred Sinowatz (man erinnert sich: der Herr, der im Präsidentenwahlkampf Kurt Waldheim sorglosen Umgang mit der Wahrheit“ vorgeworfen hatte) war ja sehr konsequent: Er stellte seinen Rücktritt noch mit aller Entschiedenheit in Abrede, als dieser längst beschlossene Sache war. Die Dummen sind selbst dran schuld, die solche Politikergelöbnisse ernst nehmen!

Daß solcherlei Mißachtung von Verfassung und Volk bei vielen kritischen Bürgern Unmut gebiert, spricht sich allmählich herum. Das ist etwas ganz Normales, solange die Betroffenen bereit sind, die Konsequenzen auf sich zu nehmen. Politikverdrossenheit hat der sozialistische Sozialwissenschafter Ernst Gehmacher erst in der jüngsten Folge der . Gewerkschaftszeitung Solidarität“ als .Anzeichen einer reifer werdenden Demokratie“ begrüßt.

Das heißt wohl konkret: Wer nicht hören will, kriegt's am Wahltag halt zu fühlen! Es heißt aber nicht, daß man Politikern, die anders sind, beim Abschied nicht sagt, daß sie fehlen werden.

Der Vorstand des österreichischen Laienrates, der Dachorganisation aller katholischen Laiengruppen, hat dies Rudolf Kirchschläger gegenüber bei einem offiziellen Dankbesuch getan. Es war keine leere Geste. Dem Nachfolger in der Hofburg wird da eine hohe Vorgabe vererbt.

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