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Die Angst und ihr Preis

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Nur zehn Tage nach ihrer Niederlage bei der Nationalratswahl vom 5. Oktober mußte die ÖVP beziehungsweise ihr Arbeiter- und Angestelltenbund bei den Betriebsratswahlen im VÖEST-Alpine-Konzern eine schwere Schlappe hinnehmen: Während der Anteil der sozialistischen Stimmen auf fast 80 Prozent erheblich anstieg, büßte der ÖÄÄB in den verstaatlichten Betrieben fast ein Zehntel seines Anteils an Stimmen ein. Die kommunistische „Gewerkschaftliche Einheit“ wurde um die Hälfte dezimiert, die FPÖ spielte auch bei dieser Wahl eine sehr untergeordnete Rolle.

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Nur zehn Tage nach ihrer Niederlage bei der Nationalratswahl vom 5. Oktober mußte die ÖVP beziehungsweise ihr Arbeiter- und Angestelltenbund bei den Betriebsratswahlen im VÖEST-Alpine-Konzern eine schwere Schlappe hinnehmen: Während der Anteil der sozialistischen Stimmen auf fast 80 Prozent erheblich anstieg, büßte der ÖÄÄB in den verstaatlichten Betrieben fast ein Zehntel seines Anteils an Stimmen ein. Die kommunistische „Gewerkschaftliche Einheit“ wurde um die Hälfte dezimiert, die FPÖ spielte auch bei dieser Wahl eine sehr untergeordnete Rolle.

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Rund 80 Prozent von insgesamt 30.000 Wahlberechtigten hat sich bei diesen Betriebsratswahlen für die Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter ausgesprochen, weit mehr als sich selbst die SPÖ in ihren kühnsten Träumen ausgerechnet hat. Die einfachste Erklärung für diesen gewaltigen Erfolg wäre in der Behauptung zu finden, daß Tauben nun einmal dorthin fliegen, wo Tauben nisten. Dem berühmten „Band-wa-gon“-Effekt, der die Wähler ins Lager der Sieger treibt, wären die Ursachen dieses Wahlerfolgs zuzusprechen. Diese Erklärung ist zumindest ebenso simpel wie die Behauptung, daß nun die Volkspartei dafür zahlen müsse, daß sie eben nie eine arbeitnehmerorientierte Politik betrieben habe. Und — soweit dies überhaupt möglich ist — noch simpler wäre der neuerdings in bürgerlichen Kreisen wieder stark verbreitete Glaube, daß dies eben der Zug der Zeit sei; daß der Sozialismus in Österreich durch nichts mehr aufzuhalten sei; auch nicht durch eine Regierungspolitik, die alle Interessen der sozialen

Gruppen dieses Landes einer klug dosierten Politik des permanenten Machtausbaues unterordne.

Im letzten Sommer und für die nächste Zukunft heißt die große Angst der österreichischen Arbeitnehmer, wo immer sie beschäftigt sind — in privaten oder verstaatlichten Unternehmungen — Arbeitslosigkeit. Diese Angst ist für einen Teil der Arbeitnehmer sicherlich nicht unbegründet; nur: sie ist nicht so real, wie sie tatsächlich empfunden wird.

Alles, was der ÖAAB im Kampf um die Stimmen bei den Nationalrats- und bei den Betriebsratswahlen bot, war heftige, oft auch sehr detaillierte Kritik an der sozialistischen Wirtschaftspolitik im allgemeinen und der arbeitsplatzgefährdenden Finanz- und Investitionspolitik in den verstaatlichten Betrieben im speziellen. Niemand konnte an dieser Kritik vorbeigehen. Es ist sogar anzunehmen, daß sehr vielen Arbeitnehmern sehr viel davon eingeleuchtet hat. Aber was man der SPÖ und ihrer Führung zutraut, ist, daß sie alles idaransetzen würde, die sozialen Folgen einer stärkeren Wirtschaftsrezession so gering als irgend möglich zu halten. Sei es auch um den Preis von kaum noch übersehbaren Staatsschulden oder um den Preis von Budgetdefizit, die auch in einer vollen Legislaturperiode schwer abzubauen wären.

Hinter diesem Denken steckt vieles, das auch der Sozialistischen Partei und ihrer derzeit sehr selbstbewußten Führung nachdenkenswert erscheinen sollte: Zukunftsangst, Unsicherheit, Untertanenglaube und eines vor allem: ein individueller und nationaler Minderwertigkeitskomplex, verschärft durch ein sehr egoistisches Streben, immer nur an heute, keinen Moment aber an morgen zu denken. Denn letzlich dürfte einem Gutteil der österreichischen Arbeitnehmer klar sein, daß wirtschaftspolitisches Improvisieren gravierende Struktur- und Wachstumsprobleme nur verschleiern, ihre Lösung bestenfalls vertagen, nie aber verhindern kann. In dieser Situation den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, heißt, Desinteresse für die Probleme der nächsten Jahre und erst recht für die Sorgen der nächsten Generation zeigen.

Auch bei den Betriebsratswahlen profitierte die SPÖ von dieser „Heut-is-rria-alles-ans“-Stimmung in Österreich. Da man so großen politischen Bewegungen Verantwortungsbewußtsein für die nächste Zukunft unterstellen muß, ist zu fragen, ob die Sozialistische Partei denn wirklich Grund hat, siegenstrunken auf ihre ganz gewiß großartigen Erfolge zu verweisen. Sie hat damit eine schwere Hypothek auf ihre Politik in den nächsten Jahren geladen.

Druck, sowie geforderte und geförderte offene Stimmabgabe, so heißt es nun, sollen zum 80-Prozent-Stimmenanteil der sozialistischen Gewerkschafter bei den letzten Betriebsratswahlen in der Verstaatlichten Industrie beigetragen haben. Daran mag schon einiges stimmen, einiges dürfte auch etwas stark überdreht berichtet worden nein. Denken machen sollte vor allem eines: man kann mit Angst in diesem Land nach vier Jahren der „Demokratisierung“ noch immer allerlei politische Gewinne erzielen. Das stellt weder den verstaatlichten Betrieben, ihren Arbeitnehmern, dem Demokratieverständnis, dem Selbstbewußtsein und schon gar nicht der machthabenden Partei ein gutes Zeugnis aus. Und das ist die wirklich traurige Erfahrung, die aus den Wahlen in der letzten Woche zu ziehen ist.

FRANZ KIENAST sie oft genug dargetan. Kein Zurück zum alten Paragraphen 144 (wie viele Gegner der Aktion weismachen wollen), sondern den grundsätzlichen Schutz des ungeborenen Lebens unter Berücksichtigung von besonderen Notlagen, sowie ein umfangreiches Paket von positiven flankierenden Maßnahmen. Uber 760.000 Unterschriften konnten bereits im Vorverfahren gesammelt werden. Die Summe aus diesen Unterschriften und denen, die während des erwähnten Eintragungsverfahrens abgegeben werden, sollte — so die Aktioni-sten — über den'900.000 Unterschriften des ORF-Volksbegehrens liegen und somit das „größte Volksbegehren Österreichs werden“.

Während in den Bundesländern oft bis zu 30 Prozent der Bevölkerung im Vorverfahren unterschrieben haben, waren es in Wien nur insgesamt 50.000. Diese äußerst niedrige Zahl, die auch kirchlichen Stellen zu denken gibt, da Wien rund 150.000 bis 200.000 regelmäßige „Kirchgeher“ hat, lassen sich nur zum Teil durch bürokratische Schwierigkeiten erklären. So zum Beispiel waren die Eintragungsfristen so gewählt, daß Berufstätige fast gar keine Möglichkeit hatten, ihre Unterschrift zu leisten.

Die Aktion Leben plant, ihren Wer-befeldzug mit einer Pressekonferenz einzuleiten, bei der nicht nur über derartige Schikanen, sondern auch über ausländische Erfahrungen mit der legalisierten Abtreibung berichtet werden soll.

So zum Beispiel hat sich die Schweiz — immerhin ein Land mit einer großen liberalen Tradition und Repräsentation — vorerst auf eine erweiterte Indikationenlösung geeinigt.

In der Bundesrepublik hat der Bundesverfassungsgerichtshof bekanntlich die von der SPD/FDP-Koalition beschlossene Freigabe der Abtreibung als verfassungswidrig aufgehoben. Nunmehr hat die Koalition einen neuen Entwurf vorgelegt, der — so die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ — eine „verkappte Fristenregelung darstellt. Doch handelt es sich vorerst nur um einen Entwurf, die weitere Entwicklung kann noch nicht abgeschätzt werden.

In Großbritannien ist die legale Abtreibung anläßlich einiger spektakulärer Fälle wieder ins Schußfeuer der Kritik geraten. So hat in einem Prozeß ein Vater die Zahlung von Alimenten mit der Begründung abgelehnt, daß er ja damals seiner Frau das Geld für die Abtreibung angeboten hätte. Niemand kann derzeit infolge des britischen Fallrechtsystems sagen, wie dieser Prozeß ausgehen wird; eines ist sicher, daß das (präjudizielle) Urteil Signalwirkung haben wird.

Was die Ostblock-Staaten betrifft, so muß generell festgestellt werden, daß sie mit der legalen Abtreibung keine guten Erfahrungen gemacht haben.

Fragt man Österreichs gynäkologische Elite, dann stößt man auf das „große Schweigen“, das sich zu einem gewissen Prozentsatz nur mit einer gewissen Betretenheit erklären läßt.

Die Aktion Leben will auch auf diese Frage eine eindeutige Antwort verlangen, denn die Zahlen und Statistiken über die legalen Abtreibungen werden — entgegen dem sonsti-ein Mitteilungsbedürfnis der Bundesregierung — nicht publiziert.

Der deutsche „Spiegel“ meinte im Zusammenhang mit der Weigerung zahlreicher Spitäler in probater Links-Terminologie: „Die SPÖ verzichtete bisher darauf, die Vorstände der 77 Sabotagekliniken unter Druck zu setzen.“ Welchen Druck der „Spiegel“ meint, wird nicht näher ausgeführt; man kann sich nur wundern.

Auch die Beratungsstellen, die den Auftrag haben, die Schwangere über ihre sozialen und finanziellen Rechte aufzuklären, sowie medizinisch zu beraten, funktionieren alles andere als zufriedenstellend. In vielen derartigen Beratungsstellen macht man es sich viel zu leicht, indem man annimmt, ohnehin eine Abtreibungswillige vor sich zu haben (obwohl dies oft gar nicht der Fall ist) und diese dementsprechend „berät“. Ein besonders „tüchtiger“ Mitarbeiter sticht durch die — verbürgte — Äußerung hervor, daß „ja auch die Kirche für die Fristenlösung sei, weil ja auch die ,Beseelung' erst nach drei Monaten eintrete“. Es muß sich in diesem Einzelfall wohl um einen besonders gelungenen Hobby-Theologen handeln.

Es steht zu hoffen, daß in diesen letzten Wochen die Diskussion um die Abtreibung nicht zu einer Besegelung und einer ähnlichen Schlammschlacht wie der letzte Wahlkampf ausartet. Die Zeichen stehen nicht günstig, doch dürfte sich vor allem die Aktion Leben eine gewisse sachliche Zurückhaltung auferlegen, die ihr nämlich eher Sympathien bringt, als eine Eskalierung und Emotionalisierung der Frage.

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