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Die Armen bleiben weiterhin arm

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Es ist noch glicht lange her, daß sich die Präsidenten und Regierungschefs führender Industrie- und Entwicklungsländer in Can- cun versammelt haben. Die Nord- Süd-Problematik, die Wirtschaftsbeziehung zwischen Reichen und Armen waren das Thema der Gespräche. Allen Berichten zufolge war das Ergebnis mager: unverbindliche Good-Will- Äußerungen. Sonst nichts.

Und dabei ist die Situation durchaus nicht rosig. Für 1970 hatte eine Studie der FAO noch geschätzt, daß rund 460 Millionen Menschen unter der Hungergrenze von 2000 Kalorien pro Tag „lebten“. In dem von der Weltbank

herausgegebenen Welt-Kinderatlas wird hingegen festgehalten, daß gegen Ende der Dekade rund „800 Millionen Menschen in Entwicklungsländern unterhalb des Existenzminimums leben“.

Wie unterschiedlich sich der wirtschaftliche Wohlstand in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, zeigen Daten des heuer veröffentlichten Weltentwicklungsberichts der Weltbank:

• Länder mit niedrigem Einkommen (mit jährlich weniger als 5900 Schilling Einkommen pro Kopf der Bevölkerung) hatten im Zeitraum von 1950 bis 1980 eine Steigerung ihres Pro-Kopf-Einkommens von 2700 auf 4000 Schilling zu verzeichnen. Das sind nur 1300 Schilling in 30 Jahren! In die-

sen Ländern leben aber mehr als eine Milliarde Menschen!

• Besser schnitten die Entwicklungsländer mit mittlerem Einkommen (die übrigen) ab: Ihr Pro-Kopf-Einkommen stieg in derselben Periode um 15.000 Schilling. Es beträgt derzeit im Durchschnitt 25.300 Schilling.

• Gigantisch ist aber im Vergleich dazu der wirtschaftliche Wohlstand in den Industrieländern: Hier ist das Pro-Kopf-Einkommen von 64.000 Schilling (1950) auf 168.000 S im Jahr 1980 gestiegen!

Selbst wenn man berücksichtigt, daß diese Zahlen nicht-auf die Goldwaage zu legen sind, daß die Werte in den auf Selbstversorgung ausgerichteten agrarischen Ländern den tatsächlichen Wohlstand unterschätzen und daß die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung unseren Standard überschätzt, wird aus diesen wenigen Zahlen doch das riesige Gefälle zwischen arm und reich deutlich.

Glaubt man der Weltbank, so

wird sich an diesem Zustand auch in der nächsten Dekade nichts ändern. Und wenn Änderung, dann eher in Richtung auf eine Vergrößerung der Kluft.

Spornt uns das zu größerem Engagement an, zu größerer Hilfsbereitschaft?

Es gibt nur ganz wenige Industrieländer, die das 1968 beschlossene Maß von 0,7 Prozent des Sozialprodukts für öffentliche Entwicklungshilfe auch tatsächlich ausgeben: Schweden, Norwegen, Dänemark und Holland. Österreich erreicht knapp die Hälfte, obwohl die Bundesregierung bei passender Gelegenheit dieses „zutiefst humanitäre Anliegen“ gern betont.

Betrachtet man die als E-Hilfe ausgewiesenen Beträge näher, so wird deutlich, daß jener Teil, bei dem der Hilfsaspekt im Vordergrund steht, vergleichsweise an Bedeutung verliert. Als Österreich 1977 seine öffentliche E-Hil- fe verdoppelte, entfielen rund 85 Prozent der Steigerung auf Einräumung neuer Kredite.

Diese Art von Hilfe soll durchaus nicht disqualifiziert werden, sie verfolgt jedoch zweifellos auch eigensüchtige Zwecke: Die Kreditförderung hat als mindestens gleichwertiges Anliegen die Unterstützung der eigenen Exporte. Und insofern hat sie auch Erfolg, wie die Entwicklung des österreichischen Außenhandels mit der Dritten Welt zeigt.

Nur sollten wir uns bei dieser Art von Hilfe nicht allzuviel auf unsere Großzügigkeit berufen.

Betrachtet man die weltweite Entwicklung etwas näher, so wird deutlich, daß selbst der Anteil dieser Art von Unterstützung rückläufig ist. Die siebziger Jahre haben nicht nur einen dramatischen Anstieg der Verschuldung in der Dritten Welt, sondern vor allem auch ein Absinken des Anteils der öffentlichen Kredite an die E-Länder gebracht. Betrugen die Schulden 1970 noch 1080 Milliarden Schilling, so hat dieser Betrag 1980 die stolze Höhe von rund 7000 Milliarden erreicht. Der Anteil der Schulden an Private (vor allem Bankenkonsortien) wuchs von 1970 bis 1977 von 47 auf 60 Prozent.

Diese Entwicklung ist deswegen bemerkenswert, weil hier der Hilfscharakter noch stärker in den Hintergrund tritt und rein kommerzielle Überlegungen den Ausschlag geben. Man erkennt dies an dem Umstand, daß die Kreditkonditionen härter werden: Private Kredite sind teurer und haben eine kürzere Laufzeit: Ägypten etwa zahlte (1975 bis 1979) für öffentliche Kredite durchschnittlich 3,7, für private 9 Prozent Zinsen, Argentinien 7,4 bzw. 9,1 Prozent Die Laufzeit der öffentlichen Kredite an Ägypten betrug in diesem Zeitraum 16,5, die der privaten jedoch nur 9 Jahre (Argentinien 16 bzw. 8 Jahre).

Das hat zur Folge, daß vielfach neue Schulden aufgenommen werden müssen, um die alten zu bedienen. Die UNIDO schätzte, daß 1977 bereits 27 Prozent der neuen Schulden diesem Zweck dienten, während es 1980 sogar 50 Prozent gewesen sein könnten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist darin zu sehen, daß der Geldfluß sich auf nur wenige Länder konzentriert, vor allem auf solche, die zu den „arrivierten“ zu rechnen sind. Brasilien und Mexiko sind Hauptadressaten, Spanien, Korea und Argentinien folgen. Auf diese Länder entfällt beinahe die Hälfte des internationalen privaten Kapitalflusses.

Die Länder mit niedrigem Einkommen stehen abseits. Für diese Länder beträgt die bilaterale öffentliche Hilfe rund 75 Schilling pro Kopf der Bevölkerung, während dieser Betrag in der Gruppe der Länder mit mittlerem Einkommen immerhin 180 Schilling ausmacht.

Was läßt sich somit zusammenfassend sagen? Der Wind ist in den internationalen Beziehungen rauher geworden. Die durch die Olpreisverteuerung hervorgerufenen internationalen Schwierigkeiten treffen zwar alle, konnten aber von den E-Ländern am wenigsten verkraftet werden. Besonders schlecht schneiden die ganz armen ab.

Die Verteuerung des Erdöls hat zu einer gigantischen Verschuldung beigetragen, die auch in absehbarer Zukunft nicht verringert werden wird. Der ohnedies schwach ausgeprägte Hilfsaspekt der Leistungen der Industrieländer weicht einem eher kommerziellen Denken. Die Kluft zwischen arm und reich wird eher weiterwachsen, der Hunger in der Welt kaum abnehmen.

Dazu die Weltbank: „Die ökonomischen und humanitärer Vorteile einer Umschichtung zugunsten der ärmeren Länder sind offensichtlich, sie scheiterten jedoch bislang an politischen Erwägungen ...“

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