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Die Aufgabe der Kirche zur Erhaltung der Bausubstanz

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Salzburger Hochschulwochen 1951. Erzbischof Andreas Rohracher hatte die Vortragenden zu einem Empfang gebeten. Namens der Dozentenschaft richtete der Ordinarius für Dogmatik, Professor Gottlieb Soehngen, die Dankesadresse an den Gastgeber. Seiner Meinung nach verdanke diese Stadt ihre Schönheit einem grandiosen Mißverständnis. Denn durch Jahrhunderte seien hier geistliche Fürsten als Landesherrn gesessen, die die Botschaft Jesu grandios mißverstanden: sie hätten sich selbst mit dem Reich Gottes verwechselt.

In der Tat nimmt Österreichs zweitjüngstes Bundesland in mancherlei Hinsicht eine Sonderstellung ein. Die Züge der Haupt- und Residenzstadt eines durch tausend Jahre selbständig gewachsenen Gemeinwesens sind an dem Antlitz dieser Stadt unverkennbar abzulesen. Da die Hofhaltung der Erzbischöfe die Haupterwerbsquelle der Bevölkerung war, ergaben sich ganz andere soziologische Verhältnisse als in Graz, Linz oder Innsbruck.

Schon bald nach dem Ende des Hochstiftes (1803) erkannte man, daß diese Stadt ein Mekka für Schönheitssucher werden könnte. Maßgeblichen Bürgerinitiativen ist es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zu danken, daß diese Stadt nicht zur Großstadt demoliert wurde.

Als Erben einer solchen Vergangenheit versteht es sich von selbst, daß der Kirche hier in der Pflege ihrer historischen Bausubstanz eine dominante Rolle zufällt. Es steht nicht nur rein zahlenmäßig der Altbestand ihrer Ge-

bäude bei weitem an def Spitze; es sind vor allem die qualitätvollsten Zeugen wirtschaftlicher Blüte ihr eigen, die dieses Land in der späten Gotik und im Barock sah. Dasselbe gilt von den allermeisten Ortschaften des Landes; auch dort bilden kirchliche Gebäude (Gotteshaus, Pfarrhof, Mesnerstöckl) als geschlossenes Ensemble den Kern des erhaltenswerten Ortsbildes.

In einer Welt, in der öffentliche Meinung weithin nicht nur von areligiösen, sondern von amethaphysischen Gesichtspunkten bestimmt wird, sollte es niemanden wundern, daß Denkmalpflege sehr klein geschrieben wird. Freilich ist dies kein „proprium Salisburgense.“ Erst in jüngster Zeit macht sich ein Meinungsumschwung bemerkbar. Konkret heißt dies für Salzburg: Es mußten aus der gewachsenen Substanz der,rund 400 alten Bürgerhäuser fünf der Spitzhacke zum Opfer fallen, bevor die Öffentlichkeit auf den Plan trat. Wissenschaftler vom Range Hans Sedlmayrs mobilisierten die Welt. So kam es zum .Salzburger Altstadterhaltungsgesetz vom 10. Mai 1967, daß mit seinen Novellierungen vom 31. Mai 1971 und 14. Februar 1973 nicht nur den Schutz der Altbauten, sondern auch spürbare finanzielle Hil-' fen zu deren Revitalisierung bietet. In dem genau abgegrenzten Gebiet dürfen keine Veränderungen des äußeren Erscheinungsbildes eines Bauwerkes vorgenommen werden. Diese positiven Auswirkungen der Zusammenarbeit erfahrener Architekten mit der Bauherrschaft hat unter Aufsicht der Altstadtkommission schon Musterbeispiele von Restaurierungen ergeben.

Das Land Salzburg setzte im „Trakl-haus“ am Waagplatz einen verhei-

ßungsvollen Anfang. Bürgerhäuser Wie die erst kürzlich fertiggestellte „Roittnerpassage“ am Universitätsplatz folgten. Von den im kirchlichen Besitz stehenden, gut restaurierten Objekten seien besonders das Kapell-haus (Sigmund Haffnergasse 20), die durchgreifende Sanierung der Räume hinter der Kollegienkirche (Wiener Philharmonikergasse 2) und das noch im Umbau befindliche Domherrnhaus (Kapitelgasse 1) erwähnt. In all den genannten Beispielen wären die Auflagen des Denkmalamtes ohne die Bereitstellung der Mittel aus dem Altstadterhaltungsfonds nicht durchführbar gewesen. Bis sich allerdings das am 23. Oktober 1974 beschlossene Salzburger Ortsbildschutzgesetz ähnlich segensreich auswirken wird, kann noch geraume Zeit verstreichen.

Wertschätzung für alte Objekte steigt

Der vielerorts immer drückender werdende Mangel an Priestern bringt es mit sich, daß Pfarrhäuser und andere kirchliche Gebäude leer stehen und dem Verfall preisgegeben werden. Da dies in nächster Zukunft kaum anders werden wird, sind wir bestrebt, als Notstandsprogramm in solchen Fällen die Archivbestände, die wertvolle Bibliothek und dort verwahrte Kunstgegenstände, in das Diözesandepot zu bringen und sicherzustellen. Weit größeres Augenmerk müßte noch auf die Ausbildung des kirchlichen Personals gelegt werden, das haupt- oder nebenamtlich mit der Erhaltung oder Pflege der Bauwerke und deren beweglicher Kunstgegenstände betraut ist. Erhebliche Lücken im Bildungsgang sind die Ursache, daß auf diesem Gebiet beständig wertvollstes Kunstgut zugrundegeht.

Wenn von einer sich abzeichnenden Tendenzwelle zu den Werten der Tradition gesprochen wurde, so gilt dies auch für die junge Generation des Klerus. Fanden noch vor zwanzig Jahren herumziehende Altwarenhändler bei so manchem Pfarrhof offene Türen und landete so manches interessante historische Möbelstück auf der Mülldeponie, so beginnt man heute durch die unansehnlich gewordene Oberfläche hindurch den Wert solcher Objekte zu schätzen und sie an würdigem Platz aufzustellen.

Dasselbe gilt von barocken Pfarrhöfen, die, einmal saniert, bei allem Charakter eines Amtsgebäudes eine Wohnatmosphäre bieten, die ein Neubau im Stil einer Fremdenpension oder eines alpinen Reihenhauses niemals vermiß teln könnte. Stellvertretend für viele seien hier die Pfarrhöfe von Anthering, Hallein, St. Georgen/Salzach, St. Veit im Pongau, Straßwalchen, Taxenbach, Thalgau und Zederhaus genannt; im Tiroler Anteil, Brixen im Tal, Lang-kampfen, Rattenberg und St. Johann.

Das Argument, solche Arbeit kirchlicher Denkmalpflege binde zuviel Geld am falschen Ort und zudem sei es heute nicht mehr Aufgabe der Christen, Zeugnisse einer Feudalepoche zu konservieren, ist nicht stichhältig. Niemals hat das offizielle Lehramt der Kirche so Grundlegendes über den hohen Rang und den Stellenwert der Ortskirche gesagt, wie im II. Vatika-num.

Es steht zu hoffen, daß mit dem Inkrafttreten des neuen Denkmalschutzgesetzes auch für Salzburg eine positive Entwicklung fortgesetzt und so den Christen dieses Landes in der Bewahrung seiner Schönheit ein Dienst an der Gesellschaft honoriert wird.

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