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Die Badeanstalt

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Eine Pariser Badeanstalt steht seit Wochen im Kreuzfeuer der Diskussionen: die dort angestellten oder schon entlassenen Wärter werden strengster Kritik unterzogen. Aber es handelt sich in diesem Fall nicht um eine Einrichtung zur Körperertüchtigung, sondern der Zweck dieser Institution besteht darin, Informationen im Ausland zu sammeln und den großen und kleinen Agentgn aus Moskau, Warschau, Bukarest oder Prag bei Ausübung ihrer Tätigkeit möglichst starke Hindernisse in den Weg zu setzen. Der französische Nachrichtendienst SDECE (Service de Documentation Exté- rieure et de Contreespionage) wird in Fachkreisen nur unter dem Titel „La Piscine“ geführt, da sich die Gebäude der Organisation in der Nähe einer Badeanstalt befinden.

Seit Monaten wurde die französische politische Öffentlichkeit durch zahlreiche Finanzskandale aufgeschreckt, in die ein Abgeordneter der gaullistischen Mehrheitspartei, ein ehemaliger Mitarbeiter des Staatspräsidenten Pompidou und ein Staranwalt verwickelt sind. Nun bekriegen sich zum Vergnügen der Skandalpresse führende Geheim- dienstchefs der Vergangenheit und Gegenwart. Man muß Armeeminister Debré recht geben, wenn er behauptet, daß es sich um einen Schundroman übelster Sorte handle. Scheinbar lieben die Zeitgenossen alles, was mit Sex, Spionage und Drogenhandel zusammenhängt.

Eigene Spione?

Die Tätigkeit des französischen Geheimdienstes SDECE steht unter keinem Juten Stern. Die bedeutend- ste politische Affäre unter de Gaulle ist eng mit den Aktionen dieses Nachrichtendienstes verbunden.

Am 29. Oktober 1965 wurde am hellichten Tage in Paris der marokkanische Oppositionsführer Ben Barka durch zwei Beamte der mondänen Brigade verhaftet und mit Hilfe einiger Repräsentanten der Pariser Unterwelt einem unbekannten Schicksal zugeführt. Die damaligen Vorgesetzten des französischen Geheimdienstes mußten sich wegen ihrer Zusammenarbeit mit dubiosen Agenten und Verbrechern aller Art manchen Tadel anhören. Einige Beamte des SDECE wurden vor Gericht gestellt.

Gelegentlich tauchten Informationen über das schlechte Funktionieren dieser Dienststelle auf. Die SDECE bemühe sich zu sehr, fiktive Spione in den eigenen Reihen zu entlarven, , während sie weniger fähig sei, ehe Ausspähung bedeutender technischer Forschungsergebnisse zu verhindern.

Vor 13 Monaten wurde ein persönlicher Freund Pompidous, Graf Alexandre de Marenches, beauftragt, in der „Badeanstalt“ klares Wasser zu schaffen und das nutzlose Intrigenspiel zu beenden. Marenches zeigte außergewöhnlichen Mut und viel Ausdauer. Er pensionierte beziehungsweise entließ die ergrauten Chefs des Geheimdienstes, die in angenehmen Büros das Routineleben mittelbezahlter Beamter führten. Es wurde bald klar, daß der neue Chef Feindschaften erzeugte und die Rivalitäten zwischen einzelnen Gruppen, die wieder zu politischen Persönlichkeiten Querverbindungen unterhielten, anheizte. Die Bombe ex plodierte, als der amerikanische Staatsanwalt Stern — er sei unbestechlich, lauten selbst die Urteile in Paris — einen der höchsten Funktionäre der SDECE öffentlich anklagte, seinen kargen Lohn durch Drogenhandel aufzubessern. Ein ehemaliger Agent der SDECE wurde in den USA festgenommen, bei ihm Rauschgift im Werte von mehr als 500.000 Dollar gefunden. Der Drogenhändler namens Delouette beichtete unter dem Lügendetektor, daß

Oberst Paul Fournier (in Wirklichkeit heißt er natürlich anders) seine Aufgaben verwechsle. Der Offizier (es soll auch kein Offizier sein) hätte nicht nur Nachrichten über Südamerika gesammelt, worin eigentlich seine Aufgabe bestand, sondern seine geheimdienstlichen Verbindungen benützt, um tonnenweise Heroin und Haschisch nach den USA zu schmuggeln.

Im Zusammenhang mit dieser Behauptung der amerikanischen Justiz wurde eine heftige Diskussion zwischen amerikanischen Behörden und französischen Untersuchungsrichtern geführt. Die Amerikaner forderten den Geheimdienstmann auf, vor ihren Gerichten zu erscheinen. Dies wurde von den französischen Stellen verweigert. In Paris herrscht der Eindruck vor, daß zwei Phänomene, die an sich nichts miteinander zu tun haben, von heterogenen Elementen künstlich verknüpft wurden. Die USA klagen seit längerem die Fran zosen an, gewisse Chefs des internationalen Rauschgifthandels aus politischen Gründen zu schützen. Diese Ansicht wurde vom Pariser Innenministerium energisch dementiert. Der gemeinsame Kampf gegen den Narkotikahandel ist mit Erfolg aufgenommen worden.

Nun tauchen aus der Dunkelheit rätselhafte Personen auf, wie der Begründer der Linksgaullisten, Oberst Barberot, der gelassen massive Anschuldigungen gegen die SDECE und einen früheren leitenden Offizier, Jacques Beaumont, vorbringt. Die Regierung hat inzwischen de Marenches demonstrativ das Vertrauen ausgesprochen. Es ist anzunehmen, daß die Hintergründe dieser Affäre in den nächsten Wochen klarer werden. Zahlreiche führende Köpfe der linksgaullistischen Bewegung fordern allerdings die sofortige Auflösung der SDECE, da dieser Geheimdienst eben nicht mehr geheim sei.

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