7066187-1992_05_07.jpg
Digital In Arbeit

Die Bahn wird Kaufmann

19451960198020002020

Im Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien aus dem Jahr 1990 wird festgehalten, daß die Bahnreform im nächsten Schritt auf die Errichtung einer eigenen Rechtsperson abzuzielen habe. „Die Bahn muß Kaufmann werden", lautet das Motto.

19451960198020002020

Im Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien aus dem Jahr 1990 wird festgehalten, daß die Bahnreform im nächsten Schritt auf die Errichtung einer eigenen Rechtsperson abzuzielen habe. „Die Bahn muß Kaufmann werden", lautet das Motto.

Werbung
Werbung
Werbung

(c#)-Derzeit werden nämlich die „Österreichische Bundesbahnen" noch fflrekt vom Bund betrieben und zwar im Rahmen seiner Privatwirtschaftsverwaltung. Die Bahn besitzt daher noch keine eigene Rechtspersönlichkeit. Erste Schritte in Richtung auf eine betriebswirtschaftliche Verselbständigung der ÖBB wurden allerdings 1987 gesetzt:

Vier Verordnungen trugen den Bundesbahnen ausdrücklich auf, Leistungen, deren Kosten nicht durch entsprechende Erträge gedeckt waren, im Interesse der öffentlichen Hand zu erbringen. Damit wurde zwischen betriebs- und gemein wirtschaftlichen Leistungen der Bahn unterschieden:

□ Viele Tarifermäßigungen im Schienenverkehr sind betriebswirtschaftlich nicht zu rechtfertigen, sie sind rein gemeinwirtschaftliche Leistungen: die Sozialtarife im Personen- und die Subventionstarife im Güterverkehr. Der durch diese Tarife entstehende Einnahmenausfall wird den ÖBB schon jetzt abgegolten.

□ Die Weiterführung von Nebenbahnen, wenn diese betriebswirtschaftlich nicht vertretbar ist, erfolgt ebenfalls gegen Entgelt.

□ Die Beförderung von Personen im Nahverkehr: Die besonderen Aufwendungen für diesen Zweck werden der Bahn allerdings nicht abgegolten, sie werden jedoch als besondere Leistung der ÖBB verbucht und so behandelt, als würden Zahlungen geleistet.

□ Mit der Schienenverkehrsverordnung schließlich übernahm der Bund die finanzielle Verantwortung für die Bereitstellung des Schienenverkehrsweges (Auch das Straßennetz wird ja aus öffentlichen Mitteln errichtet und erhalten). Die ÖBB trägt zwar weiterhin die Kosten dafür, verbucht diese jedoch gesondert

Diese Art der Kostenbetrachtung erfordert schon heute eine Trennungsrechnung. Sie ergab für 1990 folgendes: Die Abgeltung durch den Bund für bestellte gemeinwirtschaftliche Leistungen betrug 13,9 Milliarden Schilling. Das Entgelt für die Benützung des Schienenweges durch die ÖBB betrug 1,74 Milliarden.

Auf diese Weise läßt sich im Gesamtbudget der ÖBB ein kaufmännischer Bereich abgrenzen. Dieser wies in den Jahren 1988 bis 1990 Ertragsüberschüsse aus: 771, 807, 418 Millionen Schilling auf. Im Bewußtsein der Öffentlichkeit kommt dieser Umstand jedoch nicht zum Tragen, denn der Bund leistet weder für den Personennahverkehr noch für die Bereithaltung des Schienenverkehrswegs Zahlungen an die ÖBB. Diese Größen werden nur rechnerisch erfaßt und im Zuge der Deckung des Betriebsabgangs insgesamt beglichen. Damit trägt die ÖBB weiterhin das Makel, enorme „Defizite" zu produzieren.

Mit der Umwandlung der Bahn in eine Rechtsperson soll dieser Zustand verändert werden. Dann werden diese Entgelte Gegenstand von Verhandlungen zwischen ÖBB und Verkehrsminister sein. Man wird dann Einzelheiten der Leistungen und deren Entgelt, den Zeitraum der Leistungserbringung und die Geltungsdauer der Yereinbarung festzulegen haben: Die ÖBB wird zukünftig Leistungen an ihren Kunden, die Republik Österreich, verkaufen.

Im Entwurf zum neuen ÖBB-Ge-setz aus dem Jahr 1991 ist nämlich die Errichtung einer GesmbH vorgesehen, deren Aufgaben folgendermaßen definiert sind: Beförderung von Personen und Gütern, Herstellung und Unterhaltung aller hierzu notwendigen Einrichtungen, Besorgung aller damit verbundenen Geschäfte.

Betriebszweck der ÖBB ist es, eine moderne und leistungsfähige Verkehrsbedienung sicherzustellen. Die vorgesehene Umwandlung bedeutet jedoch nicht totale Unabhängigkeit. Sie soll auch die Möglichkeit des Eigentümers wahren, die ÖBB als verkehrspolitisches Instrument zu nutzen. Die politische Verantwortung dafür trägt allein der Verkehrsminister. Die Erbringung von Leistungen für die öffentliche Hand soll allerdings, wie gesagt, in einer überschaubaren Weise durch nachvollziehbare Verträge geschehen.

Wie sieht nun die Konstruktion dieses neuen Rechtsträgers aus? Als Vertreter des Eigentümers, des Bundes, fungiert nur der Verkehrsminister. Er kann Weisungen erteilen, Auskünfte von den Organen verlangen, er genehmigt Jahresabschlüsse und entlastet die Organe, bestellt zwei Drittel der Verwaltungsratsmitglieder und hat der Bestellung der Vorstandsmitglieder zuzustimmen.

Geleitet werden soll das Unternehmen von einem 18köpfigen Verwaltungsrat und von einem Vorstand (bestehend aus zwei bis sechs Mitgliedern) in eigener Verantwortung. Damit wird die Bahn ein Unternehmen im Verkehrssektor wie andere auch.

Das bringt einschneidende Veränderungen insbesondere in Dienst-, Besoldungs- und Pensionsfragen. Diese werden in Zukunft im Einvernehmen mit dem Betriebsrat von der Unternehmensführung gestaltet. Derzeit werden sie noch vom Beamtenstaatssekretär geregelt. Damit wird erreicht, daß die ÖBB aus dem Spannungsfeld verschiedener, auch widersprechender politischer Entscheidungen (Bestellung gemeinwirtschaftlicher Leistungen durch den Nationalrat, Budgetkürzung durch den Finanzminister, Veränderungen im Stellenplanposten durch den Beamtenstaatssekretär...) gerät.

Kaufmännisch kann ein Unternehmen ÖBB nur geführt werden, wenn es ähnliche Voraussetzungen wie seine Konkurrenten antrifft. Das bedeutet insbesondere Kostenwahrheit. Um diese herzustellen, muß man die Bahn von jenen Kosten entlasten, die anfallen, weil sie im Auftrag der öffentlichen Hand betriebswirtschaftlich untragbare Leistungen erbringt.

Befreit werden sollen die Bundesbahnen von den Pensionslasten. Wie andere Unternehmen auch werden die ÖBB in Zukunft nur den Arbeitgeberbeitrag zur Sozialversicherung zahlen. Die bestehenden Verpflichtungen soll der Bund übernehmen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung