6987987-1986_34_03.jpg
Digital In Arbeit

Die bange Frage nach der Zukunft

19451960198020002020

Als „Transitland“ für Flüchtlinge zeigt sich Österreich gerne großzügig. Wie aber ergeht es jenen, die für längere Zeit, vielleicht für immer bei uns bleiben müssen?

19451960198020002020

Als „Transitland“ für Flüchtlinge zeigt sich Österreich gerne großzügig. Wie aber ergeht es jenen, die für längere Zeit, vielleicht für immer bei uns bleiben müssen?

Werbung
Werbung
Werbung

Fast 7000 Flüchtlinge kamen 1985 nach Österreich, 80 Prozent davon wanderten jedoch weiter in die USA, nach Kanada oder Australien aus. Die Kosten für die Unterbringung übernimmt der Staat. Was ist uns nun ein Flüchtling wert, der in Österreich seine Existenz aufbauen will?

Um es vorwegzunehmen: Österreich läßt sich einen Flüchtling etwa soviel kosten wie jemand, der unter der offiziellen Armutsgrenze rangiert: Er bekommt Sozialhilfe.

Das Innenministerium stellt darüber hinaus den Flüchtlingen aus Mitteln der Vereinten Nationen geschaffene Wohnungen zur Verfügung. Für die Miete muß der Flüchtling allerdings selbst aufkommen, die UNO gewährt lediglich eine Starthilfe in der Größenordnung von 20.000 Schilling.

Grundlage für all diese Leistungen ist der Asylschein - ein Dokument, das in Österreich zunehmend schwerer zu bekommen ist.(Im Vorjahr bekamen weniger als 40 Prozent der insgesamt 6700 Flüchtlinge in Österreich Asyl.)

Wer kein Asyl bekommt, muß auf alle Leistungen verzichten: Keine Sozialhilfe, keine Wohnung; die Arbeitsgenehmigung zu erhalten, gelingt nur selten — geschweige denn einen Arbeitsplatz. Dem Flüchtling bleibt dann — so er ein entsprechendes Land findet - nur die Weiterreise. Die Alternative wäre ein Aufenthalt im Flüchtlingslager Traiskirchen auf unbestimmte Zeit.

Doch die Probleme der Asylanten enden nicht mit dem Bezug der Wohnung und dem Erhalt der Sozialhilfe: Die Wohnungen sind für Großfamilien (und das sind viele Flüchtlingsfamilien) bei weitem zu klein - für größere reicht jedoch meist das Geld nicht. (Es sei auch an die oft sehr hohen Ablösen und Kautionen erinnert.) Arbeitsplätze sind rar.Sprache und Kultur bereiten Schwierigkeiten.

Die praktische Hilfestellung bei der Bewältigung dieser Probleme bleibt meist auf den Schultern „privater“ Stellen wie der Caritas oder den Diözesen liegen. Doch auch die Zahl dieser Helfer ist gering. Die Caritas Wien beschäftigt zur Flüchtlingshilfe ganze drei Personen, die UNO stellt eine weitere Kraft für „schwierige Fälle“ zur Verfügung und in der Erzdiözese Wien bemüht sich eine Person um die Flüchtlinge.

Beratung, Arbeitssuche, aber auch materielle Dinge wie Möbelbeschaffung oder finanzielle Überbrückungshilfen — hier hilft die Caritas so gut sie kann. Doch nicht allen Hilfsorganisationen stehen auch finanzielle Mittel zur Verfügung.

Frau Anneliese Hellmuth-Schirnhofer von der Arbeitsgemeinschaft Flüchtlingshilfe der

Erzdiözese Wien: „Wir können nur von Fall zu Fall helfen, gruppenweise, menschenweise.“

Gerade die menschlichen Probleme kennt die Flüchtlingshelferin sehr gut: „Flüchtlinge werden oft über einen Kamm geschoren, es wird zu wenig auf deren Bedürfnisse, auf kulturelle Unterschiede eingegangen. Doch es mangelt auch am Grundsätzlichen — an Arbeit und Geld.“

Ist die Arbeitssuche für nicht anerkannte Flüchtlinge so gut wie aussichtslos, so ist es auch für anerkannte Asylanten schwierig, eine Stelle zu finden. „Gerade die eigene Arbeit und Leistung würde aber das Selbstwertgefühl der Flüchtlinge heben, ihnen das Gefühl geben, nicht auf dem Säckel des Staates zu liegen und daher mehr akzeptiert zu werden.“

Größtes Anliegen der Flüchtlingshelferin wäre die Anglei-chung der Ausbildungsgrundlagen von Flüchtlingskindern an österreichische Schüler — sie ist in einigen Fällen nur durch Internatsbetreuung zu bewerkstelligen und vielfach zu teuer.

Im Flüchtlingslager Traiskirchen - die Asylwerber werden dort während des Asylverfahrens untergebracht, falls sie keine andere Wohnmöglichkeit haben — vegetieren Schüler und arbeitsfähige Erwachsene bis zu zwei Jahre (so lange dauern viele Verfahren) meist sinn- und beschäftigungslos herum.

Nur Deutschkurse werden angeboten, ansonsten gibt es kaum Beschäftigungsmöglichkeiten.

„Gerade im Lager sollte man die Flüchtlinge bereits auf die Integration vorbereiten“, plädiert Anneliese Hellmuth-Schirnhof er.

Auch das Akzeptieren der kulturellen Eigenheiten fällt oft schwer. „Familien aus dem Fernen Osten sind großfamiliäre Strukturen gewöhnt, wenn die nun isoliert voneinander irgendwo in Österreich Wohnungen bekommen, so ist das eine Katastrophe ...“ Es ist schwer, diese Strukturen nicht zu zerreißen, aber auch keine Ghettos zu schaffen. „Zentren wären wohl das Ideale“, formuliert die Flüchtlingshelferin.

„Man kann nicht gleich alle heimschicken, die sich unserer Kultur nicht unterwerfen. Viele müssen ganz einfach hierbleiben ... Umgekehrt leiden sehr viele Flüchtlinge an Kontaktarmut, Familie und Freunde sind zu Hause geblieben. Wir sollten den Flüchtling einfach als Menschen akzeptieren, nicht nach dem Motto: ,Wer arm ist,1 ist auch dumm...'“

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung