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„Die Bauern - Opfer einer falschen Agrarpolitik..

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. Nachdem sich die österreichische Bevölkerung en die Budget- und Zahlungsbilanzkrisen als permanente Errungenschaften der gegenwärtigen Regierung gewöhnt hat, erfaßt jetzt der Krisenwind auch die Landwirtschaft.

Ausgelöst wurde die schwierige Situation der österreichischen Landwirtschaft durch eine völlig phantasielose Agrarpolitik, die weder die steigenden Milchüberschüsse noch die zunehmenden Agrarimporte verhindern konnte.

Stieg im Jahre 1976 das agrarische Handelsbilanzdefizit schon auf 11,1 Milliarden Schilling an, so belief es sich im ersten Halbjahr 1977 bereits auf 7,4 Milliarden Schilling.

Nach Meinung von Präsident Bierbaum (Niederösterreichische Landwirtschaftskammer) könnten bei den Nahrungsmittel- und Holzimporten zirka fünf Milliarden Schilling eingespart werden. Diese Einsparungen wären nahezu risikolos zu erreichen, verglichen mit dem Austro-Porsche- Projekt, sie würden ebensoviele wenn nicht mehr Arbeitsplätze garantieren, allerdings nur landwirtschaftliche, und auf die vergißt diese Regierung leider allzu oft!

Während also der österreichische Agrarmarkt gegenüber den ausländischen Agrarprodukten immer offener wird, verschärft sich jetzt auch noch die Lage auf dem Milchmarkt.

Im ersten Quartal 1977 nahm die Milchlieferleistung der Landwirtschaft um 7 Prozent zu, auch im April und Mai blieb die Zuwachsrate gleich hoch. Als Folge der Preiserhöhungen zu Jahresbeginn ging die Inlandsnachfrage nach Butter, Käse und Milch stark zurück. Die so entstehenden wachsenden Produktionsüberschüsse können aber nur mit sehr hohen Verlusten vermarktet werden.

Die Experten schlagen deshalb eine Umlenkung der Produktion von Milch auf Rindfleisch durch Preisanreize vor und empfehlen die Kälbermast zu fördern. DerJ Beitrag des Laridwirt- schaftsministers dazu besteht jedoch nur in einer Verunsicherung der Viehexporteure.

In einem Ende August von Minister Haiden herausgegebenen Erlaß wurde ab 1. September 1977 die Exportstützung für Zücht- und Nutzvieh von einer bereits vorher erbrachten Stützung durch die Länder abhängig gemacht. Schon bisher wäre ohne die Exportstützung der Länder jeglicher Vieh- und Fleischexport zum Erliegen gekommen. Zweck dieses Erlasses kann es daher bloß sein, daß sich die Regierung langfristig Stützungsmittel zu ersparen hofft, sollten einmal die Länderkassen leer sein.

Da aber die Rinderproduktion im Gegensatz zur Milch mit einem hohen Absatz- und Preisrisiko behaftet ist, kann man in diesem Erlaß keine beruhigende, exportfördernde Maßnahme sehen.

Es wäre besser gewesen, der Landwirtschaftsminister würde sich überlegen, wie man die Billigimporte von Eiweißfuttermitteln einschränken oder auf die Futtergetreidepreisparität bringen kann. Es ist nämlich absurd, wenn zunehmend kraftfutterabhängige Intensivmilchviehrassen eingestellt werden, die durch importiertes Eiweißfutter zu Lasten der Grünlandbauern den Milchstrom vermehren, der dann durch stark subventionierte Exporte mit Verlust ins Ausland gelenkt werden muß! Langfristig drohen aber auch der bäuerlichen Schweinehaltung große Gefahren. So nimmt die Massentierhaltung stark zu. In Österreich wurden allein im vergangenen Monat drei Anlagen mit 4000 bis 7000 Schweinemastplätzen bestellt

Bei einem maximalen Jahresbedarf von rund 4,5 Millionen Stück Schweinen in Österreich, könnten 4500 Master mit 500 Mastplätzen (2 Umtriebe pro Jahr) den gesamte österreichischen Bedarf decken. Derzeit gibt es in Österreich 240.000 schweinehaltende Betriebe. Wie würde etwa die Gewerkschaft reagieren, wenn in einer Branche durch Rationalisierung 98 Prozent der Arbeitsplätze gefährdet sind?

Wenn man zudem noch liest daß es im Ausland schon gelungen ist, in der Schweinemast durch die Verfütterung wiederaufbereiteter Exkremente (Pasteurisierung- Impfung-Bebrütung- Pasteurisierung-Verfütterung) einen entscheidenden Prei- und Produktionsvorteil zu erwirtschaften, dann ist es auch in Österreich notwendig, eben-, so wie in der BRD gesetzlich die Verfütterung aufbereiteter Exkremente zu verbieten. Eine weitere Schutzmaßnahme wäre die Festlegung einer Obergrenze der Tierhalturig pro Bet trieb; - 'M" 1

Leider gilt inj Österreich des Jahres 1977 noch vieles mehr als im Jahre 1968, was damals im Wirtschaftsprogramm der SPÖ stand: „Die Bauern sind Opfer einer falschen Agrarpolitik. Auch durch intensivste Arbeitsleistung können sie die Fehler dieser Politik nicht wettmachen. Sie werden daran gehindert, sich den Erfordernissen eines immer härter werdenden Konkurrenzkampfes anzupassen. Unter diesen Umständen vermögen selbst Beihilfen und Preisstützungen nichts daran zu ändern, daß das Arbeitseinkommen der Bauern hinter dem anderer Bevölkerungsschichten zurückbleibt.“

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