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Die Bedeutung der Mystik in den Religionen

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In Zeiten, die Veröffentlichungen zu Esoterischem, Mystischem, Magischem und aller Art hervorbringen, verdienen einige Bücher höchste Aufmerksamkeit. Der Würzburger Germanist Kurt Ruh legt seinen ersten Band der „Geschichte der abendländischen Mystik" vor. Hauptinhalt ist die Kirchenväter- und Mönchstheologie. Der Autor selbst versteht diese in ihrer Art bisher einzigartige Monographie als „Vorgeschichte der abendländisch-christlichen Mystik".

Dionysius, der Pseudoareopagite, Aurelius Augustinus, Johannes Cas-sianus, Gregor der Große und andere fehlen in der „Grundlegung" des ersten Teiles ebensowenig wie Johannes Eriugena, die großen Kartäuser Guigo I. und Guigo IL, bis hin zu den Zisterzienseräbten des 12. Jahrhunderts: Bernhard von Clairvaux, Wilhelm von St. Thierry. Gerade in diesem Teil erschließt der Autor wenig bekannte Gestalten wie Guerriv con Igny, Aelred von Rievaulx, Isaac von Etoile und andere. Hugo und Richard von St. Viktor werden im Schlußkapitel dargestellt.

Zweifellos schließt Kurt Ruhs Darstellung eine Lücke. Seine Arbeit ist in Umfang und Qualität zu würdigen, zumal er sich völlig bewußt ist, daß „Mystik" nur ein Vorbegriff sein kann, der sich am konkreten Text zu erweisen hat.

Während Kurt Ruh ausschließlich die abendländische Mystik im, Blick hat, geht es dem Zürcher Religionswissenschaftler Georg Schmid um eine Einführung in „Die Mystik der Weltreligionen". Er gibt eine Orientierung über die und zu den mystischen Traditionen und Phänomenen in den Weltreligionen: Neben dem Christentum werden der Zen-Bud-dhismus, der Taoismus, die indische Spiritualität, der islamische Sufismus und der jüdische Chassidismus vorgestellt. Deutlich wird dabei, wie ökumenisch „Mystik" angelegt ist, sofern man bereit ist, das Phänomen einmal als solches zu erkennen.

Über eine vordergründige Einführung hinaus entwickelt der Autor Kriterien, die es dem modernen Menschen ermöglichen sollen, die Bedeutung mystischer Erfahrung zu erschließen und zu dechiffrieren. Die Schwäche dieses Buches ist auch seine Stärke: Der Autor argumentiert äußerst sparsam, dafür aber läßt er die Texte und Phänomene selbst sprechen.

Die in Hamburg lehrende Romanistin Erika Lorenz stellt in der kleinen Einführung „Auf der Jakobsleiter" den „mystischen Weg des Johannes vom Kreuz" dar. In vielen Texten, die sie selbst aus dem Spanischen übersetzte, bringt die Autorin dem Leser die Lyrik dieses vielseitigen Mannes (er war Dichter, Theologe, Musiker und Künstler) nahe und führt dadurch in seine meditative Praxis ein.

Das Büchlein will im Gegensatz zu den beiden anderen weniger informieren als initiieren, zu einem groß-teils ungehobenen Schatz an Spiritualität bereitmachen. Abseits jeder Esoterik und jedem „New Age" bürgt die Autorin für die Seriosität des Anliegens. Erwin Waldschütz

GESCHICHTE DER ABENDLÄNDISCHEN MYSTIK. Band I: Die Grundlegung durch die Kirchenväter und die Mönchstheologie des 12. Jahrhunderts. Von Kurt Ruh. C. H. Beck Verlag, München 1990. 414 Seiten, öS 608,40. DIE MYSTIK DER WELTRELIGIONEN. Von Georg Schmid. Kreuz Verlag, Stuttgart 1990. 236 Seiten, öS 232,40. AUF DER JAKOBSLEITER. Der mystische Weg des Johannes vom Kreuz. Von Erika Lorenz. Herder Verlag, Freiburg 1991. 141 Seiten, öS 193,50.

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