Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Die Bedroher des Friedens
Der Zweite Weltkrieg brach nicht über die Menschheit herein, er wurde - wie jeder Krieg — von Menschen gemacht. Schonfrüh wurde in Österreich von klarsichtigen Denkern nicht nur die den Revanchegeist in Deutschland fördernde Ausgangslage des Vertrags von Versailles diskutiert, sondern auch das militaristische Denken als Wurzel des Übels der Kriegshetze entlarvt
Im Jahre 1927 hatten sich Ernst Karl Winter, Alfred Missong, August Maria Knoll, Zessner-Spitzen-berg und Wilhelm Schmid in der „österreichischen Aktion“ zusammengeschlossen, um für die Unabhängigkeit Österreichs zu kämpfen.
Die Männer der „österreichischen Aktion“ verstanden Österreich als kleinen Kosmos, als das aus einer Verbindung verschiedener Völker und Kulturen entstandene Herzstück Europas, dessen unabhängige Existenz eine wesentliche Voraussetzung für den Frieden des gesamten Kontinents bildete.
Im Juli 1928 erschien im „Vaterland“, den von Wilhelm Schmid herausgegebenen „Blättern für katholisches österreichertum“, ein für Österreich wie für Deutschland wichtiger Beitrag „Der kommende Krieg“ aus der Feder Alfred Mis-songs, eines vorausdenkenden Propheten und Waroers, der unter dem Pseudonym Thomas Muroer im „Nazispiegel“ mit der nationalsozialistischen Ideologie abrechnete.
Missong beklagte 1928, daß das Thema „Der kommende Krieg“ in Österreich nur wenig diskutiert werde, man nicht daran glaube, „daß es ein Thema von Aktualität sein könnte“. Nur Berufsmiktärs und einigen hypernationalistischen Studenten - so Missong - leuchteten die Augen, wenn sie vom „frisch-fröhlichen“ Zukunftskrieg hörten. Dann kommt er auf Deutschland zu sprechen, wo alles anders sei. Dort werde sehr viel vom künftigen Krieg „mit verbesserter Machtkonstellation“ gesprochen.
„Es ist eigentümlich“, schreibt Missong wörtlich, „Österreich, dem durch die Weltkriegsniederlage schier alles genommen wurde, hat schnell und fast vollkommen dem Kriegs- und Revanchegeist entsagt, Deutschland dagegen, das trotz allem bei der Liquidierung des Weltkrieges verhältnismäßig gut abgeschnitten hat, nährt den Kriegs- und Rachegedanken in einer Weise, die jeden ehrlichen Freund des europäischen Friedens erschaudern lassen muß. Es ist nicht allzuviel, was von dem Kriegs- und Revanchegeist des heutigen Deutschland in die Öffentlichkeit dringt, aber es genügt für den, der zwischen den Zeilen zu lesen vermag.“
Als Bedroher des europäischen Friedens kommen zum damaligen Zeitpunkt für ihn Rußland, Italien und Deutschland in Frage. „Das bolschewistische Rußland, mit seinem zäh festgehaltenen Plan einer Revolutionierung der ganzen Welt, ist das Damoklesschwert, das über Europa hängt, ohne daß sich Europa über diese Gefahr klar wäre. Das faschistische Italien hat stärkste Expansionsgelüste...“
Und Deutschland? Nach Missonga Einschätzung im Jahre 1928 sinnt es auf Revanche. „In erster Linie richtet sich seine kriegerische Absicht gegen Polen; es verlangt nach Rückgabe des heutigen polnischen Korridors... Wenn Polen .erledigt' ist, dann soll der französische ^Erbfeind' aufs Haupt geschlagen werden. So einfach, wie die, bei aller Tücke und Verschlagenheit, doch in mancher Hinsicht recht naiven Rechtskreise sich dies vorstellen, wird es gewiß nicht sein; denn Deutschland wird bei einem solchen Waffengange höchstens Sowjetrußland als Bundesgenossen haben, alle anderen europäischen Staaten werden solidarisch gegen Deutschland stehen.“
Missong schätzte die Chancen Deutschlands im kommenden Krieg als nicht groß ein; aber nicht das müßte Sorge sein, sondern der Friede, für den Deutschland eine Gefahr bedeutet
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!