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Die Benzin-Sparmeisterschaft

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Wenn mit dem Beginn der kommenden Woche jeder Auto-besitzer in Österreich — sofern er keine Sondergenehmigung bekommt — sein Fahrzeug einen Tag pro Woche stillegen muß, wird die Öffentlichkeit genausowenig über mögliche Auswirkungen dieser Maßnahme auf den Verbrauch an Treibstoffen wissen wie seit der Einführung von „Tempo 100“.

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Wenn mit dem Beginn der kommenden Woche jeder Auto-besitzer in Österreich — sofern er keine Sondergenehmigung bekommt — sein Fahrzeug einen Tag pro Woche stillegen muß, wird die Öffentlichkeit genausowenig über mögliche Auswirkungen dieser Maßnahme auf den Verbrauch an Treibstoffen wissen wie seit der Einführung von „Tempo 100“.

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Handelsminister Staribacher hat sich schon bei der Verfügung des Tempolimits gleich gar nicht auf konkrete Einsparungszahlen eingelassen. Denn es ist klar, daß mit dem „Tempo 100“ für die große Zahl der Klein- und Mittelwagenfahrer keinerlei Benzinersparnis eingetreten ist: auf Überlandstraßen konnten sie auch ohne Tempolimit kaum wesentlich schneller als 100 Kilometer pro Stunde fahren und auf den Autobahnen müssen sie bei Bergstrecken wesentlich mehr Gas geben, um ohne „Anlauf“ möglichst .flott weiterzukommen.

Was nun den autolosen Tag anlangt, so kann man auch bei der Berechnung der Auswirkungen nicht davon ausgehen, daß soundso viele Fahrzeuge zum Verkehr zugelassen sind, die eben jetzt an einem Tag nach Wahl nicht fahren. Es gibt nämlich schon derzeit sehr viele Autos, die sogar mehrere Tage pro Woche in der Garage oder am Stra-3enrand stehen.

Vielmehr müßten die vielen, von den anderen Verkehrsteilnehmern Dft verteufelten „Sonntagsfahrer“ in Stadt und Land in Rechnung gestellt werden. Sie werden, weil sie ihr Fahrzeug während der Woche gar nicht brauchen und es auch bisher nicht benützt haben, ohne jeden Bequemlichkeitsverlust einen Tag als „autolos“ deklarieren, an dem sie sowieso nicht gefahren wären., Dazu kommt eine relativ große Zahl von Familien, in denen mehr als ein Auto zur Verfügung steht. Das hat aber auch bisher nicht unbedingt bedeutet, daß alle Fahrzeuge jeden Tag benützt worden sind. Mit siner Staffelung des autolosen Tages wird hier für den einzelnen mühelos Abhilfe, für die Allgemeinheit aber keinerlei Treibstoffeinsparung geschaffen.

Dazu kommen Handels- und Gewerbetreibende, die für berufliche Zwecke wochentags ein Lieferfahrzeug benützen, für Privatfahrten aber noch einen Pkw besitzen; ähnlieh ist es mit Landwirten, die zwar ein Personenauto in der Garage stehen haben, aber für die unmittelbare Berufsausübung ohnedies den Traktor benutzen.

Daher blieb auch der Handelsminister stumm, als er vor kurzem mit der Frage konfrontiert wurde, welche Auswirkungen die Einführung des autolosen Tages wirklich auf den gesamten Treibstoffverbrauch habe. Es weiß das auch offenbar wirklich niemand, weder in Österreich noch im Ausland. Jeden Tag sind die Zeitungen zwar voll mit Meldungen, was die einzelnen Länder alles versuchen, um der Energiekrise Herr zu werden — aber immer öfter scheint sich dabei herauszustellen, daß es mit dem autolosen Tag nicht getan ist.

So tritt die Rationierung von Benzin schon in mehreren Ländern in Kraft, allerdings mit unterschiedlicher Intensität: Was sind schon 15 Liter pro Woche und Wagen? Für viele gerade die Möglichkeit, 100 Kilometer zu fahren.

Ob es in Österreich sehr bald zu einer Rationierung kommt, weiß niemand, vielleicht nicht einmal diejenigen, von denen die Dekretierung einer solchen Maßnahme abhängt. Angeblich sind im Handelsministerium Vorbereitungen getroffen worden — nur redet niemand darüber. Viele reden hingegen von möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen des autolosen Tages. Hier werden besonders zwei Branchen immer wieder hervorgehoben: der Autohandel und die Tankstellen.

Was den Autohandel betrifft, so läßt sich auf Grund der Entwicklung auf dem Treibstoffsektor derzeit noch nichts aussagen. Es ist nämlich seit eh und je eine Tatsache, daß in der Zeit um Weihnachten, bis in den Februar hinein, die Verkaufszahlen stagnieren. Das gilt sowohl für Neuwagen als auch für Gebrauohtfahrzeuge. Erst im Frühjahr steigen die Abschlüsse wieder an. Eine etwas veränderte Statistik gab es lediglich vor der Einführung der Mehrwertsteuer, von der sich die Kaufinteressenten eine Verteuerung der Autos erwarteten, so daß sde knapp vor Jahresschluß noch mehr Verträge abschlössen als üblich.

Eine gültige Aussage über die Entwicklung des Autohandeis in Österreich wird sich also erst in einigen Monaten machen lassen. Eine „Strukturbereinigung“ wird es jedenfalls bei den Tankstellen geben. Es ist nur die Frage, ob es diese nicht auf jeden Fall gegeben hätte. Viele Pächter kleiner Tankstellen klagten ja bereits seit längerer Zeit darüber, daß ihre Verdienstspannen, gemessen am Arbeitsaufwand, äußerst gering waren. Ein 8-Stun-den-Tag, wie bei einem Arbeitnehmer, kommt ja nicht in Frage: Jede Tankstelle hat 12 bis 13 Stunden täglich geöffnet. Und daß es bei den Tankstellen keine 5-Tage-Woche gibt, wird von allen Autofahrern, die selbst nur von Montag bis Freitag arbeiten, als selbstverständlich erachtet. Bleiben dem Tankstellenpächter dann mit diesem Arbeitsaufwand, an dem vielfach noch ein zweites Familienmitglied, zumindest zeitweise, beteiligt ist, netto 5000 bis 6000 Schilling im Monat als Verdienst, so ist verständlich, daß sein Interesse stark sinkt. So wurden auch bereits im abgelaufenen Jahr unter diesem Aspekt manche kleine Zapfsäulen geschlossen.

Ein anderes Problem im Zusammenhang mit dem autolosen Tag sind jedoch die Sondergenehmigungen, um Fahrzeuge die ganze Woche über betreiben zu können. Die Verordnung des Handelsministeriums sieht in demonstrativer Aufzählung Voraussetzungen zur Erlangung einer Sondergenehmigung vor. Der Rest ist Ermessenssache der Verwaltungsbehörde, die dafür zuständig ist.

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