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Die Beruhigungspille

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Eine längst fällige Maßnahme wurde getroffen: das Habenzinsniveau wurde angehoben, wobei der Eckzinsfuß von 3,5 auf 5 Prozent, und der Zinsfuß von Sparbriefen von 6 auf 6,5 Prozent hinaufgesetzt wurde. Neu emittierte Anleihen sollen mit 8,5 Prozent verzinst werden. Gleichzeitig wurde versprochen, auch die Verzinsung der alten Anleihen zu verbessern, um deren Kursverfall zu verhindern. Eine sehr wichtige und notwendige Maßnahme, denn nur dann kann es gelingen, das Vertrauen auf dem Anleihemarkt wieder herzustellen.

Allerdings ist eine Verzinsung von 5 Prozent bei einer Inflationsrate von nahezu 10 Prozent noch immer ein ausgesprochenes Verlustgeschäft, das wehmütig an jene gute alte Zeit denken läßt, in der die Inflationsrate „nur“ 2 bis 3 Prozent ausmachte und daher ein Eckzinsfuß von 3,5 Prozent eine zwar sehr bescheidene, aber doch immerhin existente Realverzinsung darstellte.

Dennoch konnte die kleine jetzt vorgenommene Korrektur dem Finanzministerium und dem Kreditapparat nur mit Mühe abgerungen werden. Wäre nicht die massive Intervention von Präsident Benya gewesen, es würde nicht einmal dazu gekommen sein — und das in einer Zeit, in der im Ausland schon längst viel höhere Zinsen gewährt werden und auf dem Anleihenmarkt der 10-Prozenter keine Seltenheit mehr ist, auch und gerade in der Buhdesrepublik Deutschland, deren Inflationsrate bekanntlich geringer ist als die österreichische.

Es besteht daher kein Zweifel, daß der jetzige Zinsfuß nur ein Provisorium im Hinblick auf noch höhere Verzinsung sein kann — sofern die Inflation andauert, was leider zu erwarten ist. Denn auf die Dauer ist es eben nicht zu verantworten, den Sparer Jahr für Jahr um seine Ersparnisse zu betrügen.

Das Argument, das gegen die Erhöhung der Habenzinsen immer wieder vorgebracht wird, ist die daraus „zwangsläufig“ resultierende Kreditverteuerung. Es wird auch sofort darauf verwiesen, daß gleichzeitig mit den Habenzinsen auch die Bankrate — also der Lombardsatz der Nationalbank — von 5,5 auf 6,5 Prozent hinaufgesetzt wurde, was sich angeblich auf die Kredite auswirken müsse.

Worauf dabei allerdings großzügig vergessen-wird, ist die Tatsache, daß Bankrate und Kreditzinsen seit der letzten Habenzinsfestsetzung schon mehrmals erhöht wurden, ohne daß man dem Sparer etwas hätte zukommen lassen. Das Argument Präsident Benyas, die Banken und Sparkassen sollten eben etwas sparsamer wirtschaften, ist nicht von der Hand zu weisen.

Und was die Kreditverteuerung selbst betrifft: Niedrigzinspolitik in allen Ehren, aber sie darf nicht — gelinde gesagt — zur Vogel-Strauß-Politik werden. Was heißt da schon Hochzinspolitik, wenn ein Kredit bei 10 Prozent Inflationsrate 12 oder meinetwegen 15 Prozent kostet? Die Kreditnehmer sind ja — neben dem Staat — die eigentlichen Inflations-gewinnler, zahlen sie doch das — relativ — gute Geld mit weitaus schlechterem zurück; in realen Kaufkraftwerten gerechnet, macht die Rückzahlung zumeist weniger aus als die seinerzeitige Kreditsumme — und das trotz Verzinsung. Schuldenmachen, das außerdem noch steuerliche Vorteil bringt, wird mit der Zeit zum ausgesprochenen Geschäft.

Daran sollte man auch denken, wenn man davon spricht, daß die Kreditverteuerung angeblich die Inflation anheize. Durch hohe Zinssätze ist noch nie Inflation entstanden. Diese hätte noch allezeit andere Ursachen. Hingegen wurde Zinsverteuerung schon oft als wirksames Instrument gegen die Inflation — mit Erfolg — eingesetzt. Billiges Geld hat hingegen immer inflationsfördernd gewirkt.

Gegen hohe Verzinsung — beispielsweise von Anleihen — wird gerne eingewandt, daß dies in Zeiten der Inflation zwar tragbar sei, umgekehrt bleibe aber der Anleihenschuldner bei Abflauen der Inflation auf den hohen Zinssätzen sitzen. Nun besteht — Gott sei's geklagt — vorläufig die „Gefahr“ eines Inflationsrückganges nicht. Aber wenn wir diesen Fall ins Kalkül stellen, dann wäre zweifellos die gerechteste und ökonomisch tragbarste Methode die gesetzliche Festlegung einer Indexklausel. Damit würde auch die Benachteiligung der Besitzer älterer Wertpapiere und die Bevorteilung der Altschuldner beseitigt sein. Anderseits würden Schwierigkeiten im Falle der Stabilisierung wegfallen und — was noch wichtiger ist — es würde das Interesse der Kreditnehmer an der Stabilität gestärkt — während heute genau das Umgekehrte der Fall ist. Im Falle einer generellen Indexklausel könnten wir auch ruhig auf eine sehr niedrige Nominalverzinsung zurückgehen, da diese nicht mehr zur — noch dazu teilweisen — Infla'tionsabgeltung „umfunktioniert“ würde, sondern diese daneben herliefe. Darüber hinaus läge dies auch im Sinne der vielbeschworenen Transparenz.

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