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Die besten Polen nach Wien

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Wladyslaw Bartoszewski, Hi- storiker, Publizist, seit kur- zem Polens neuer Botschafter in Wien, versteht sich als Vermittler zwischen zwei Ländern, die ihm lieb sind: Polen und Österreich. Ge- meinsame Anliegen und Interessen hat er im Auge, wenn er für die Ab- schaffung des Vis'umzwanges kämpft, die Neuorganisation des Polnischen Instituts bei Maria am Gestade in Wien vor Augen hat und von personellen Änderungen in der Botschaft der Republik Polen in der Wiener Hietzinger Hauptstraße spricht.

„Die besten Leute sollen nach Wien", betont der Professor ge- genüber der FURCHE, um gleich darauf hinzuweisen, wie schwierig es j etzt für das postkommunistische Polen sei, geeignete Leute für den diplomatischen Dienst zu finden, weil es für christlich-abendlän- disch-humanistisch gesinnte Leute im alten System während eines Zeitraumes von mehr als 40 Jahren keine Möglichkeit gegeben habe, sich aus- und weiterzubilden. „Wir Polen müssen diesen Zeitraum jetzt einfach überspringen", konstatiert Bartoszewski. Mit den „besten Leuten" drückt der Botschafter die Wertschätzung aus, die Österreich im heutigen Polen genießt.

Für das Polnische Institut ist ab Dezember dieses Jahres Marian Bizan, ein katholischer Essayist, Verleger und Vorstandsmitglied des (weitgehend christlichen) polni- schen Pen-Clubs als neuer Leiter vorgesehen. Der 60jährige, Absol- vent der Krakauer Jagiellonen- Universität, der „ebenso gut deutsch wie polnisch spricht", be- sorgt die Chefredaktion der Ge- samtausgabe der Werke Kardinal Stefan Wyszynskis. Er soll - so Bar- toszewski - eine „neue Etappe des Polnischen Instituts einleiten", die Einrichtung auf ein Niveau wie andere ähnliche Kulturinstitute Westeuropas in Wien heben.

Die Basis ist eine „abendländisch- christlich-humanistische Ausrich- tung ohne politische Indoktrinie- rung", betont Botschafter Barto- szewski. Bizan zur Seite wird die auch in Österreich bekannte Lyri- kerin Eva Lipski, eine gebürtige Krakauerin, stehen, die kulturell an österreicnisch-galizische Tradi- tionen anknüpfen soll. Einer der Ersten Botschaftssekretäre wird im Rahmen der kommenden Routine- ablösungen Fürst Witold Czarto- ryski sein. „Die neue Tendenz bei uns ist, in der europäischen Tradi- tion verwurzelte Personen für den Dienst an Polen im Ausland heran- zuziehen. Nicht nur Havel hat eine befreundete Schauspielerin nach Wien geschickt."

Der Wermutstropfen in den sonst freundschaftlichen österreichisch- polnischen Beziehungen ist nach wie vor die Frage der vorläufig für ein halbes Jahr von Österreich ver- fügten Visumpflicht für polnische Staatsbürger. Als polnischem Bot- schafter - so Bartoszewski - stehe es ihm nicht zu, österreichische Politiker oder eine Partei zu kriti- sieren. „Aber hat es bei den Wahlen jenen genützt, zuerst von Mitteleu- ropa zu reden und dann pragma- tisch die Visumpflicht für Polen mitzutragen?"

Bartoszewski ist stolz, daß die Polnische Botschaft in Wien mit Antragstellern äußerst großzügig verfahre. „Wir erteilen eigentlich kein Visum, wir stempeln nur Pässe ab", betont der Botschafter. Ge- genwärtig werden 300 bis 350 An- träge täglich binnen 48 Stunden erledigt. In der Zeit von 16. bis 30. September wurden im Hietzinger Konsulat 5.000 Visa (auch Sam- melvisa) für etwa 6.000 österreichi- sche Staatsbürger ohne Rückfra- gen in Warschau erteilt. Polen sei gegenüber Österreich besonders großzügig und erwarte die gleiche Haltung auch von Wien; zumal Polen weitere Strecken zurückle- gen müßten als Österreicher, wenn sie in Warschau ein Österreich- Visum beantragten. Zwei-, drei und viermalige Einreiseerlaubnis sei - ohne daß Begründungen verlangt würden - im ponischen Konsulat keine Seltenheit.

Der polnische Botschafter prä- sentiert der FURCHE ein Schrei- ben des österreichischen Bot- schafters in Warschau, Gerhard Wagner, aus dem hervorgeht, daß bei vielen polnischen Visaanträgen erst in Wien nachgefragt wird. So wurden beispielsweise am 10. Sep- tember 709 polnische Visaanträge positiv erledigt, bei 48 Fällen wur- de Wien konsultiert; am 1. Septem- ber gab es 534 positive Anträge und 106 Nachfragen, am 12. des Vormo- nats 769 positive Fälle und 86 Ver- zögerungen, am 13. waren es 550 Soforterledigungen und bereits 121 Wien-Konsultationen, am 14. 642 erteilte Visa und 100 Auf- schiebungen; die höchste Zahl von Verzögerungen wurde mit 167 am 18. September bei gleichzeitigen Visaerledigungen von 626 erreicht. „Wir brauchen unsere Zentralstel- le in Warschau in Visaangelegen- heiten nicht zu fragen", erklärt Bar- toszewski und hebt dabei den of- fensichtlichen Vorteil für Österrei- cher hervor. „Wir schauen bloß in unserem Fahndungsbuch nach, das ist eine Angelegenheit von Sekun- den." Von den österreichischen Visagesuchen betrafen im Sep- tember 40 Prozent Wirtschafts- kreise, 35 bis 40 Prozent in Öster- reich angesiedelte ehemalige Polen oder Staatenlose und nur etwa 20 Prozent Touristen oder Privatrei- sende. Es gab keinen einzigen Fall einer Visumverweigerung für Öster- reicher.

Um die Einstellung der Öster- reicher gegenüber seinen polnischen Landsleuten zu verbessern, plant Bartoszewski mit Reisen durch die Bundesländer eine neuartige Bot- schafteraktivität. Noch im Oktober will er mit Tirol beginnen und bei seinen Kontakten mit Landes- hauptleuten, Bischöfen, Univer- sitäten und anderen Institutionen auf die Gutwilligkeit der Polen im neuen Europa hinweisen. Auf einer zweiten Ebene plant der gelernte Historiker und Publizist, Verbin- dungen zwischen Botschaft und Organisationen, Vereinen und Ver- bänden herzustellen, „die sich bis- her skeptisch gegenüber Polen ver- hielten, weil das Land eine Volks- republik war". Seine Pläne stellt Bartoszewski unter den Titel „Anstrengung zur Europäisierung des Ostblocks".

Dazu wird - wie Bartoszewski zu betonen nicht müde wird - eine Lockerung der Visumbestimmun- gen zwischen Österreich und Polen vonnöten sein. Montag dieser Wo- che befand sich eine sechsköpfige polnische Delegation - mit Mitar- beitern des Außen-, Arbeits-, und Innenministeriums sowie der Ju- stiz - in Wien, um wechselseitige Probleme zu artikulieren und auf Lösungen hinzuarbeiten, die eine Aufhebung der gegenseitigen Vi- sumpflicht zur Folge haben sollen. Bartoszewski schwebt auch eine Mitarbeit Polens in der Pentagona- le (Ungarn, CSFR, Jugoslawien, Ita- lien und Österreich) vor, eine Um- wandlung der Penta- in eine Hexa- gonale, auch um wirtschaftliche Probleme (etwa Fragen der Ener- gieversorgung) leichter lösen zu können.

Bartoszewski wird am 16.0kto- ber im Polnischen Institut in Wien gemeinsam mit Sektionschef Kurt Skalnik das im Herder-Verlag er- schienene neue Buch des polnischen Ministerpräsidenten und Präsident- schaftskandidaten Tadeusz Ma- zowiecki „Partei nehmen für die Hoffnung. Über die Moral in der Politik" präsentieren. Bei der Er- wähnung der Person des polnischen Regierungschefs kommen dem Botschafter in Wien Assoziationen zu Franz Vranitzky: Wie dieser sei Mazowiecki von der Herkunft kein Berufspolitiker. „Mazowiecki hat zwar anders als Vranitzky eine christliche und demokratische Basis, ohne ein christlicher De- mokrat zu sein, möchte aber wie Vranitzky vermeiden, als Reprä- sentant nur einer Partei zu er- scheinen."

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