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Die bösen Sudetendeutschen

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Die erste tschechoslowakische Republik scheiterte nicht nur an Hitler, sondern auch an Prag. Im Jahr 1938 hatten sich die Chauvinisten auf beiden Seiten so weit festgefahren, daß Chamberlain — und nicht Hitler — den Gedanken einer Lostrennung der Sudetengebiete und Einverleibung ins Deutsche Reich unwidersprochen öffentlich vertreten konnte. Mehr als 30 Jahre nach den unglückseligen Erscheinungen um die Deutschen in der Tschechoslowakei kann das leidenschaftslos konstatiert werden. Nicht nur Henleins Leute, auch ihre Prager Antipoden waren Nationalisten. Das Appeasement der englischen Regierung, wie es jetzt dokumentarisch zutage liegt und das schließlich Hitler zu seinen Gewaltstreichen ermunterte, wäre ohne diese unheilvolle Verstrickung nationaler Leidenschaften nicht möglich gewesen — womit es in keiner Weise entschuldigt werden soll.

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Die erste tschechoslowakische Republik scheiterte nicht nur an Hitler, sondern auch an Prag. Im Jahr 1938 hatten sich die Chauvinisten auf beiden Seiten so weit festgefahren, daß Chamberlain — und nicht Hitler — den Gedanken einer Lostrennung der Sudetengebiete und Einverleibung ins Deutsche Reich unwidersprochen öffentlich vertreten konnte. Mehr als 30 Jahre nach den unglückseligen Erscheinungen um die Deutschen in der Tschechoslowakei kann das leidenschaftslos konstatiert werden. Nicht nur Henleins Leute, auch ihre Prager Antipoden waren Nationalisten. Das Appeasement der englischen Regierung, wie es jetzt dokumentarisch zutage liegt und das schließlich Hitler zu seinen Gewaltstreichen ermunterte, wäre ohne diese unheilvolle Verstrickung nationaler Leidenschaften nicht möglich gewesen — womit es in keiner Weise entschuldigt werden soll.

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Zum drittenmal hat Staatssekretär Frank mit seinem Prager Kollegen die Hürde des Münchner Abkommens weder überwinden noch beseitigen können. „Von Anfang an null und nichtig“ — dazu soll es nach dem Wunsch Prags erklärt werden. Die Leidtragenden wären auf jeden Fall die vertriebenen Sudetendeutschen, deren nur geringer Teil Parteigänger Henleins war. Gilt dieses Abkommen als niemals geschlossen,

dann sind die Vertriebenen als tschechische Staatsbürger von ihren eigenen Landsleuten sieben Jahre später des Landes verwiesen worden — hat es völkerrechtlich noch heute seine Bedeutung, dann wurden deutsche Staatsbürger von Tschechen vertrieben.

Die „Prager Volkszeitung“ löst dieses Problem nun wie den Gordischen Knoten. Von München ist da ausnahmsweise nicht mehr die Rede: man ist sich offenbar auch dort darüber im klaren, daß für die internationale Politik — leider — auch jene Abkommen zählen, die eher Diktaten gleichen. An Beispielen mangelt es weder Ost noch West. Die ..historische Notwendigkeit“ der Vertreibung, Aussiedlung genannt, ergibt sich für die Autoren dieser Zeitung ohne Umschweife und falsche Scham aus der Tatsache, daß die Sudetendeutschen schlechte Kommunisten waren. „Die Aussiedlung befreite das tschechische und slowakische Proletariat von einem der stärksten und am besten organisierten Gegner der Arbeiterklasse überhaupt.“ So liest sich das im Parteijargon. Diese Gegner waren nicht in erster Linie Henlein und seine Leute, sondern die „sudetendeutsche Bourgeoisie“. Wiederum ohne Jargon: die Fabrikanten, Beamten, Handwerker und Facharbeiter, die dem Land mit ihrem Fleiß innerhalb der CSSR die größte wirtschaftliche Blüte und den höchsten Lebensstandard verschafft hatten.

Endlich ist es also heraus: Die bürgerlichen Parteien haben bis zu ihrer endgültigen .Entmachtung im Jahre 1948 in Sachen der Deutschen, wie. auch anderwärtig, nur die Interessen der tschechoslowakischen Kommunisten und ihrer Moskauer Hintermänner wahrnehmen geholfen. Als dies befriedigend gelöst war, stieß man sie vom Stuhl. Das Land war bis auf einen Rest bewährter Antifaschisten oder rechtzeitig Untergetauchter „deutschenfrei“, wie weiland Hitlers Städte „judenfrei“. Der deutsche Besitz, um den es in erster Linde ging, war in die Hände bewährter Genossen gelangt und die Fabriken, Läden und Geschäfte bildeten das willkommene Staatskapital.

Die zweite, nicht unbeträchtlich große Fliege, die mit dieser Klappe erschlagen wurde: Auch die tschechische „Bourgeoisie“, so wenig sie sonst mit den Sudetendeutschen immer eines Herzens war, verlor mit deren Vertreibung einen potentiellen Verbündeten im Kampf gegen die „internationale Arbeiterklasse“. Auch dies gibt die „Prager Volkszeitung“ mit zynischer Offenheit zu. Offenbar geschieht ‘dies zur rechten Stunde, um den deutschen Unterhändlern den Rest eines Schuldkomplexes bei ihren Prager Verhandlungen zu nehmen.

Generalstabschef Viktor Bubanj über die Territorialverteidigung Jugoslawiens

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