6799042-1971_24_11.jpg
Digital In Arbeit

Die Briefe

Werbung
Werbung
Werbung

Rodaun, 21. XII. 913 Verehrter Herr Professor Für Ihren gütigen Brief, nichts weniger für Ihr Erscheinen bei der Generalprobe, das mich wahrhaft erfreut hat, danke ich Ihnen aufs wärmste. Daß Ihnen der „Jedermann“ einen reinen Eindruck hinterlassen hat, war mir sehr wohltuend zu hören. Mein eigenes Verhältnis zu dieser Arbeit läßt sich mit wenigen Worten nicht aussprechen. Ich fühle mich etwa wie der Restaurator eines schönen alten Bildes, der aber fast unversehens dann weiterzumalen angefangen hat — oder wie der Fortsetzer einer Chronik. Durchaus habe ich mich während der Arbeit und nach ihrer Vollendung in einem schönen und ehrwürdigen Zusammenhang gefühlt, als ein lebendes Glied in einer Kette — dies sowohl in künstlerischem als auch darüber hinaus dm menschlich-sittlichem Sinne. Personen freilich, denen für die ungeheure Bedeutung, welche das christliche Element für unsere ganze Cultur besitzt und ohne welche diese Cultur völlig undenkbar ist — denen dafür kein Organ gegeben ist, kann dieses Verhältnis immer nur verzerrt und trüb zur Einsicht kommen.

Daß Sie mir auch dort, wo das Theologische mit dem Dichterischen sich unlöslich verschränkt, Ihre Billigung erteilen, hat mich erfreut. Vielleicht, hab ich manchmal gedacht, hätte ich einen poetischen Kunstgriff finden müssen, dem Moment der Reue und dem übernatürlichen Beweggrund zur Reue, eine höhere Bedeutung zu geben.

Ihrer gütigen Einladung zu sonntäglicher Kirchenmusik habe ich keineswegs vergessen. Doch bin ich von Weihnachten bis Ende Jänner abwesend — freue mich, Sie nach dieser Zeit im Stifte aufzusuchen. In verehrungsvoller Ergebenheit Hofmannsthal

(Ohne Datum) Mit Boten (Rodaun, 25. V.)

Hochverehrter hochwürdiger Herr die außerordentlichen Umstände, in denen wir leben, werden mir Ihre Nachsicht erwirken, wenn ich in Erinnerung mehrfach empfangener Güte und Freundlichkeit mir herausnehme durch diese Zeilen den Rittmeister Prinzen Thum und Taxis bei Ihnen einzuführen, mit dem und dessen Eltern mich langjährige Beziehungen verbinden, und den eine militärdienstliche Verpflichtung für längere Zeit nach Klosterneuburg führt. Nicht nur durch Ihre

Zugehörigkeit zu dem ehrwürdigen Stift, sondern durch Ihre Persönlichkeit als unvergleichlicher Kenner alles Baulichen stehen Sie zu Ortschaft und Gegend in einem so besonderen Verhältniß daß ich Sie als Hausherren dortselbst wohl empfinden und ansprechen darf — und diesem Hausherren möchte ich einen durch die Kriegsläufe dahin dis- locierten Freund aufs angelegentlichste empfehlen dürfen.

Ich darf, in der Gewißheit eines freundlichen Anklanges, wohl hinzufügen, daß die von mir verehrten Eltern des Prinzen Erich in freundschaftlichen Beziehungen auch zu Centraldirector Kestranek stehen.

Indem ich mich der Hoffnung hingebe, in besseren Zeiten Ihrer güti-

gen Einladung nach Klosterneuburg Folge leisten zu können, verbleibe ich, hochverehrter Herr, Ihr ver- enrungsvoll ergebener Hofmannsthal

Erich Prinz von Thum und Tetari* war laut Eintragung im Besuchsbuch Dr. Paukers am 7. Juni 1915 bei diesem zu Gast.

Rodaun, 12. V. 1916 Hochwürdiger und verehrter Herr

Ihr gütiger Brief hat mich recht sehr gefreut. Daß Sie mir aussprechen, Ihre Gedanken hätten sich mit mir beschäftigt, daß Sie mir eine Übereinstimmung kundgeben mit Einzelnem, was ich geschrieben habe, und darüber hinaus Ihren Eindruck von meiner geistigen Person und deren in ihrem jetzigen Zustand so problematischen, ja vielfach wie in Chiflreschrift verhüllten Äußerungen in das schöne Wort zusammenfassen: Sie glauben an meine Bestimmung, dies habe ich alle Ursache mit überraschter Freude aufzufassen. In diesem Wort „Überraschung“ sehen Sie bitte keine conventionelle Formel und keine Ziererei. Es steht mit diesen Dingen: Talent zur poetischen Hervorbringung, Betätigung dieses Talentes und Wirkung dieses Hervorgebrachten auf den einzelnen, gesund und rein empfindenden Mitlebenden in unserer höchst confusen und problematischen Epoche so bedenklich —, daß jede Äußerung der Teinahme wenn sie, wie Ihre, aus dem Bereich con- ventionell-zerstreuter „Anerkennung“ heraustritt, etwas wirklich Ergreifendes hat.

Sie müßten mich fast fragen, wie ich bei dieser Art mir das Problematische von „Wirkung“, „Erfolg“ und dergleichen nicht zu verschleiern, überhaupt in dieser Sphäre der Betätigung weiter beharren kann: darauf müßte ich Ihnen erwidern, daß eben doch der innere Anstoß etwas sehr gewaltiges, primäres und immer wieder beseligendes isct — dann aber auch daß die Hoffnung mich aufrechterhält, ich dürfe vieles unter meinen Versuchen als einen Anfang ansehen, eine Kette von Vorbereitungen, aus denen schließlich Werke — deren Contur ich vor mir sehe — hervorgehen müssen, worin das, worauf ich sozusagen nur hingezeigt habe bisher, nun wirklich daliegt, so daß jeder, der eines empfänglichen Herzens ist, danach greifen kann. Ohne diesen Glauben kann wohl kein producierender Mensch bestehen, in meinem Fall ist er aber besonders unerläßlich. In Ihrem Brief das schöne Wort Liebe zu finden, das in unserem geistigen Verkehr so selten geworden ist, hat mich recht lebhaft gefreut: mir scheint es das richtige Wort, das sich darbietet, wenn man die Wirkung geistigen Tuns oder einer geistigen Persönlichkeit auf das eigene Selbst aussprechen will. So kann ich auch in Erwiderung das Gefühl bezeichnen, welches Ihre Tätigkeit als Forscher, Berichterstatter und Darsteller immer in mir erregt hat. Ein Buch, wie die „Rösnerkinder“, ist aus Liebe hervorgegangen, und ist durch Liebe wirksam, Liebe wieder hervorrufend. Darum ist eine gewisse Macht in einem solchen Buch, in 9/10 der übrigen Hervorbringung aber nur Ohnmacht, Staub zum Staube.

Ich weiß nicht, ob Sie in dem Bibliotheksuntemehmen etwas von dieser Liebe haben wahmehmen können. Denn nur wenn es unter dem Zeichen dieser Liebe steht, hat es irgend eine Berechtigung: es wohnt ihm ja, seinem ganzen Plan nach, nicht die Macht inne, die Wissenschaft zu vermehren oder stark ins Politisch-Praktische einzugreifen — sondern nur eine sanft pädagogische oder anagogische Wirkung war gemeint, in dem Sinne, wie der Vers von Goethe es ausdrückt, den ich Ihnen hineingeschrieben habe. — Dürfte ich denken, daß Sie sich bereitfinden würden, der Herausgeber eines solchen Bändchens zu werden? Diese Bitte Ihnen vorzutragen, war ich seit langem Willens. Ihr gütiger Brief macht es mir leichter. Auch den Vorschlag eines Themas, aber höchst unvorgreiflich, hätte ich bei der Hand: Eine Auswahl aus den Schriften des Erzherzogs Karl, nicht der militärischen, sondern der Selbstbiographie, eine Auswahl aus den „religiösen Betrachtungen“ und den Briefen.

Hierüber und über wie vieles Andere wünsche ich mir von Herzen mit Ihnen, verehrter Herr, ein Gespräch zu führen. Ich habe demnächst in dienstlicher Verwendung nach Warschau zu gehen , — weiß nicht wie bald. Vielleicht aber kann ich noch vorher (mit meiner Frau, wenn Sie erlauben) für einen Nachmittag nach dem schönen Klosterneuburg.

Dürfte ich Sie bitten, mir auf einer Correspondenzkarte zu sagen, wie ich am besten hinauskomme, von Wien, am frühen Nachmittag. Denn ich höre, daß man tagsüber mit der Stadtbahn gar nicht rechnen kann.

In aufrichtiger Ergebenheit und Verehrung der Ihre

Hofmannsthal

Mit dem „Bibliotheksunternehmen“ ist die „österreichische Bibliothek“ gemeint, „begründet im Verein mit Leopold Freiherrn von Andrian, August Fournier, Heinrich Friedjung, Max v. Hoen, Richard von Kralik, Max Mell, Robert Michel, Josef Redlich, Hans Schiitter, Anton Wildgans, Franz Zweybrück und anderen von Hugo von Hofmannsthal". Hofmannsthal selbst hatte die auf 26 Bändchen angewachsene Reihe, die im Insel-Verlag Leipzig erschien, mit Band 1: „Grillparzers politisches Testament“ (1915) eröffnet.

Rodaun, 5. II. 1922 Verehrter Herr Professor

Präsident Vetter gab mir Ihren an ihn gerichteten Brief, worin mir der Anteil an den Salzburger Jeder- mannaufführungen besonders wol- tuend war. — Das „Welttheater“ ist ein dichterischer Versuch, vielleicht etwas reifes und reiches, in der gleichen Richtung, andere Versuche könnten nachfolgen. Gerne hätte ich gehabt, daß Sie es gehört hätten, gerne Sie einmal wieder gesehen. Daß wir beide außerhalb der gleichen Stadt leben, hält uns fast mehr auseinander als große Entfernung.

Ich gehe nun, um mit einer schönen aber schwierigen Arbeit ganz allein zu sein, auf vier Wochen nach Aussee, dann aber, gegen Ende März, möcht ich mir erlauben, mich bei Ihnen für einen langen, etwa auch über die Nacht ausgedehnten Besuch zu ausgiebigem Gespräch über Vieles das uns gemeinsam ist anzusagen. Bis dahin verharre ich in aufrichtiger Verehrung der Ihre Hofmannsthal

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung