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„Die CDU/CSU braucht mich mehr denn je“

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FURCHE: Herr Strauß, Sie sind aus Rotchina zurückgekehrt. Ihre Reise hat einiges Aufsehen erregt, obwohl es ja nicht die erste Reise eines prominenten Oppositionspolitikers in das rote Reich der Mitte war. Die Frage stellt sich: Warum eigentlich dieser Wettlauf nach Peking?

STRAUSS: Ob der Ausdruck „Wettlauf“ richtig ist, möchte ich bezweifeln. Ich würde eher fragen, warum die Bundesregierung, die es doch sonst mit der Öffnung nach dem Osten sehr eilig hatte, die Volksrepublik China *— wahrscheinlich aus Rücksicht auf Moskau — immer etwas links hat liegen lassen. Ich habe mich für meinen Teil keineswegs an einem Wettlauf beteiligt, und ich würde es offen zugeben, wenn dem so wäre, aber ich vertrete seit zehn Jahren, auch in meinem Buch „Herausforderung und Anwort“, die Auffassung, daß für eine realistische Einschätzung der bestehenden und sich entwickelnden Kraftzentren in der Welt auch die Volksrepublik China einbezogen werden muß.

FURCHE: Sie sprachen von der Rücksicht der Bundesregierung auf Moskau. War anderseits Ihre China-Reise eine Herausforderung an die Sowjetunion?

STRAUSS: Nein! Ich bin nicht der Auffassung, daß man mit China Druck auf die Sowjetunion ausüben kann oder umgekehi’t. Dafür sind die Größenverhältnisse zu unterschiedlich. Aber die Tatsache, daß diese beiden kommunistischen Machtzentren in einem unvermindert starken Spannungsverhältnis stehen, war ja gerade für den damaligen Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten und heutigen Außenminister Kissinger Anlaß, die amerikanische China-Politik,

man kann sagen beinahe um 180 Grad, zu ändern. Wir betreiben nicht Politik in derselben Dimension, aber deutsche Ostpolitik darf nicht an der „Moskwa“ enden. Wir wissen sehr genau, was Moskau für uns lm guten und im schlechten bedeutet, wir wissen sehr genau, daß uns Peking in gewissen Situationen auch nicht helfen könnte, aber ich frage manchmal: Wäre es für uns gleichgültig, wenn über 200 Millionen Russen und 800 Millionen Chinesen nach einheitlicher Regie der sowjetischen Strategie sich gegen die übrige Welt verbünden würden?

FURCHE: Wen haben Sie mit Ihrer China-Reise mehr irritiert: die linken Maoisten Westeuropas, die Sie als Faschisten verschreien und die nun sehen müssen, Wie Sie ausgerechnet von ihrem Idol empfangen werden, oder aber Ihre eigenen Parteifreunde?

STRAUSS: Was neu ist, ist für uns die Tatsache, jedenfalls seit einigen Jahren neu, daß ausgerechnet die kommunistische Großmacht China den Zusammenschluß der europäischen Staaten mit einer immer dringlicher werdenden Heftigkeit als Voraussetzung für die Erhaltung des Friedens und die Vermeidung des Dritten Weltkriegs fordert. Das entspricht eben genau dem, was ich und alle anderen Politiker der CSU, soweit sie sich mit Außenpolitik beschäftigen, seit vielen Jahren sagen. Meine Parteifreunde waren überhaupt nicht irritiert. Zu Unrecht irritiert fühlte sich Helmut Schmidt. Er hat auch versucht, dies wieder in Ordnung zu bringen, denn er hat nicht den leisesten Grund, sich irritiert zu fühlen.

FURCHE: Glauben Sie, hat die China-Reise Ihre Chancen, zum Kanzlerkandidaten erhoben zu werden, verbessert?

STRAUSS: Ob sie objektiv — etwas leger gesagt — meinen Kurswert an der deutschen Kanzlerkandidatenbörse erhöht hat oder nicht, kann der Betroffene selber immer schwer beurteilen. Man muß sich hier vor dämlicher Kritik wie vor eindringlicher Schmeichelei gleichzeitig in acht nehmen. Das gilt auch für die Selbstbeurteilung. Subjektiv war das Ganze natürlich nicht darauf angelegt. Meine Anfrage, ob eine solche Reise möglich sei, ist ein Jahr alt, die Einladung selbst ist schon im Mai ausgesprochen worden, als von der Kanzlerkandidat tur überhaupt nicht die Rede war.

FURCHE: Wären Sie bereit, mit der SPD eine große Koalition einzugehen?

STRAUSS: Rebus sic stantibus nein!

FURCHE: Wenn Ihr nächster Schritt Sie noch nicht auf den Kanzlersessel bringt, wären Sie dann bereit, unter einem Kanzlėt

Kohl oder Stoltenberg oder einem anderen CDU-Mann einen Ministerposten anzunehmen?

STRAUSS: Man soll sich keiner Verantwortung entziehen, wenn sie einem angetragen wird und man glaubt, ihr gewachsen zu sein. Es geht jetzt nicht um persönliche Empfindlichkeiten oder persönliche Ambitionen, und was ich sage, sage ich aus der Sicht von heute, und niemand von den deutschen Politikern weiß mehr als ich, daß Glas und Glück zerbrechliche Dinge sind. Heute hui und morgen pfui, heute Hosianna, morgen Crucifige! Aus heutiger Sicht aber ist es so, daß die CDU/CSU zu einem Wahlsieg mich mehr braucht denn je. Das heißt in der Konsequenz: Die Wähler, die auch mit meiner Mithilfe der CDU/CSU die Mehrheit im Parlament verschaffen, würden es nicht verstehen, wenn ich nach der Wahl sagen würde: Ohne mich. Es gab Zeiten, in denen man zu Recht oder zu Unrecht meine Mitwirkung ln der Fußballmannschaft als Belastung empfunden hat, aber man hat meine im Volke verwurzelte Popularität meistens unterschätzt, auch in den Zelten, als das Image durch die Publizistik entsprechend dunkel gefärbt war. Jetzt aber würde eine Weigerung von meiner Seite sehr ungünstige Auswirkungen haben. Man würde es nicht verstehen, wenn Ich sagen würde: Ich bin auf keinen Fall bereit, Bundeskanzler zu werden. Man würde es aber nicht verstehen, wenn ich sagen würde: Entweder ich werde Bundeskanzler oder ich spiele nicht mit. Das kann ich mir um der Verantwortung willen nicht leisten. Ich könnte nur unter einer Voraussetzung nicht mitmachen: wenn die politische Zielsetzung, die politische Orientierung einer CDU/ CSU-Regierung selbst bei Anlegung großzügiger Maßstäbe mei ner politischen Überzeugung, für die ich ja beim Volk auch eine gewisse Gütemarke habe, widersprechen würde.

FURCHE: Aber hat ein Bayer Chancen, vom ganzen deutschen Volk, bis hinunter nach Hamburg, gewählt zu werden?

STRAUSS: Man hat jahrelang versucht, mich als bayrischen Dorfdeppen abzustempeln, dann hat man wieder gesagt: Dieser Mann ist gefährlich, weil er intelligent ist. Dieselbe Mischung findet sich ja heute noch: Der Staatsmann in der Krachledemen mit primitivem Urteil, mit Schaum vor dem Munde, und dann heißt ės wieder: Der eiskalte Analytiker, ein skrupelloser Mann, und dann kommt als dritte Komponente noch die Behauptung: er ist unbeherrscht, unkontrolliert. Diese drei Elemente stehen immer nebeneinander und werden wahlweise herangezogen, dabei widerspricht jedes dem anderen.

Ohne übertreiben zu wollen, denn in eigener« Sache ist man immer ein schlechter Urteiler: Es gibt zwei Franz Josef Strauß! Es gibt den einen, der kein Heiliger und kein Dämon ist; das ist der, Wie er wirklich ist, mit seinen Schwächen und Fehlern, sicherlich auch mit einigen Begabungen und einigen Leistungen. Daneben gibt es eine andere Figur: Das ist der Buhmann, die negative Symbolfigur, der Volksfeind, der Arbeiterfeind usw. Die zwei haben mitsammen fast nichts zu tun. Nummer zwei führt ein virtuelles Dasein in den Gazetten, in bestimmten Rundfunk- und Fernsehredaktionen. Die leben davon. Die müßten mir eigentlich Tantiemen zahlen!

Mit Franz Josef Strauß sprach FÜRCHE-Korrespondent Alphons Matt.

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