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Die Chance liegt in der Marktwirtschaft
Unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Bruno Kreisky und ÖGB-Präsident Anton Benya berät eineSPÖ-Kommission bis Mai, wie die Wirtschaftspolitik der achtziger Jahre gestaltet werden soll. Dieses Parteiprogramm soll dann die Grundlage für die weitere Regierungsarbeit sein. Die FURCHE hat einen unabhängigen Fachmann eingeladen, die anstehenden Probleme auszuleuchten.
Unter dem Vorsitz von Bundeskanzler Bruno Kreisky und ÖGB-Präsident Anton Benya berät eineSPÖ-Kommission bis Mai, wie die Wirtschaftspolitik der achtziger Jahre gestaltet werden soll. Dieses Parteiprogramm soll dann die Grundlage für die weitere Regierungsarbeit sein. Die FURCHE hat einen unabhängigen Fachmann eingeladen, die anstehenden Probleme auszuleuchten.
Zwei vordringliche Probleme beherrschen heute die Wirtschaftspolitik in Österreich: die Verschuldung nach innen und die Verschuldung nach außen. Die Staatsschulden sind in einem Maße angewachsen, daß 1981 schon fast jeder dritte Schilling der Bundeseinnahmen für Schuldenrückzahlung und Zinsen aufgewandt werden muß.
Das Handelsbilanzdefizit sprengt alle Rekorde, die zunehmenden Exporte werden von den explodierenden Importen weit überschattet.
Dabei wird insbesondere die ständig zunehmende Belastung auf der Steuerseite gerne mit dem Hinweis begründet, diese sei der Preis, der zu zahlen ist, um eine international ungünstige Entwicklung (Arbeitslosigkeit und unzureichendes Wachstum) von der österreichischen Wirtschaft fernzuhalten. Dies ist insofern richtig, als die Verschuldungspolitik nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, daß Österreich in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre in der Tat bessere wirtschaftliche Gesamtergebnisse aufzuweisen hat, als andere Länder in vergleichbarer Situation.
Die entscheidende Frage lautet jedoch, ob diese Verschuldung eine notwendige Voraussetzung für die erzielten Erfolge war oder ob diese bei anderer Wirtschaftsstrategie nicht auch zu erreichen gewesen wären: Verschuldung als hinreichende, nicht aber als notwendige Voraussetzung der erzielten Ergebnisse?
Jedenfalls für eine Reihe von wirtschaftlichen Teilaspekten wird diese Frage zu bejahen sein. Sich damit zu beschäftigen, ist heute umso dringlicher, als die Grenzen der Verschuldungspolitik deutlich spürbar werden. Die Ergiebigkeit des Steuersystems erscheint weitgehend ausgeschöpft, die Hartwährungspolitik zunehmend gefährdet.
Die rasant steigenden Staatsausgaben sind zu einem nicht unwesentlichen Teil durch eine Ausweitung staatlicher Tätigkeiten bedingt. Grundsätzlich läßt sich Beschäftigung und Wachstum kurzfristig sowohl durch eine Ausweitung der Staatsaktivitäten als auch durch eine Ankurbelung privatwirtschaftlicher Tätigkeiten im marktwirtschaftlichen Bereich erzielen. Auf längere Sicht besteht allerdings ein fundamentaler Unterschied, der auf die
grundsätzliche Frage der Leistungskontrolle zurückführt.
Zum Wesen der in der Marktwirtschaft erbrachten Leistung gehört, daß die Leistung, die ein Wirtschaftssubjekt erbringt, durch andere bewertet wird. Jeder Kaufakt ist eine Aussage darüber, ob die Leistung des Verkäufers dem Käufer den Marktpreis wert ist:
Ganz anders liegen die Verhältnisse bei staatlichen Leistungen. Da für sie in aller Regel kein Marktpreis vorliegt, erfolgt die Bewertung zu Selbstkosten. Nach den Grundsätzen der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung ist etwa der Wert der im öffentlichen Bereich erbrachten Personalleistungen durch die Höhe der gezahlten Einkommen fixiert.
Eine Kontrolle, ob die erbrachte Leistung das Einkommen wert ist, erfolgt, wenn überhaupt, bei der erstmaligen Erbringung und selbst dann nach oft undurchschaubaren oder schwer vergleichbaren Kriterien. Damit ist aber die Problematik in der Ausweitung der staatlichen Tätigkeit im wesentlichen schon umrissen...
Dazu kommt die Nulltarif-Mentalität. Viele der staatlichen Leistungen werden umsonst abgegeben. Dies entspricht der sozial begründeten Überlegung, daß alle, auch die Benachteiligten der Gesellschaft, in den Genuß dieser Leistungen kommen sollen.
In der Realität darf die soziale Wirkung bezweifelt werden. Nulltarife fuhren leicht zur Verschwendung; eine Leistung, die nichts kostet, wird in Anspruch genommen, auch wenn sie nur mäßig geschätzt wird, begünstigt den sorglosen Umgang mit dem Verfügbaren. Sozial bedeutet aber auch nicht zwangsläufig, daß als wesentlich erachtete Leistungen für alle gratis sind.
Das Soziale an der sozialen Marktwirtschaft liegt darin, daß alle jene, die trotz eigenem Bemühen die nach marktwirtschaftlichen Kriterien anae-
botene Leistung nicht erreichen können, von der Gesellschaft in die Lage versetzt werden, diese doch zu erreichen. Eine solche Grundhaltung ist sozialer als die Nulltarif-Mentalität...
Ein dritter kritischer Bereich betrifft die österreichische Strukturpolitik. Idealiter sollte sie auf die Schaffung neuer, zukunftsträchtiger Arbeitsplätze wirken. Realiter wirkt sie strukturerhaltend, da sie in erster Linie auf die Sicherung bestehender Arbeitsplätze in bestehenden Branchen gerichtet ist.
Das gilt insbesondere für die direkte Investitionsförderung. Diese hat gerade in letzter Zeit die Rolle einer wirtschaftlichen Feuerwehr übernommen. Dort, wo Arbeitsplätze in größerem Umfang gefährdet erscheinen, wird mit Finanzspritzen versucht, die „unsinkbaren Schiffe“ vor dem Sinken zu bewahren.
Von einem langfristigen strategischen Konžept ist wenig zu bemerken. Ein solches strategisches Konzept wäre aber Voraussetzung für eine auch langfristig erfolgreiche Wirtschaftspolitik und vor allem für eine dauerhafte Sicherung der Arbeitsplätze.
Damit ist schließlich die Form der Wirtschaftsförderung überhaupt angesprochen. Ziel der Wirtschaftsförderung ist es, die Konkurrenzfähigkeit der österreichischen Wirtschaft, vor allem im exponierten Sektor, zu erhalten, nach Möglichkeit zu erhöhen.
Dabei geht es in erster Linie darum, die möglichen komparativen Vorteile unseres Landes zu realisieren. In Ermangelung anderer Ressourcen muß es vordringliches Ziel sein, das geistige Potential und damit den Produktionsfaktor Technologie für den Produktionsprozeß in größtmöglichem Umfang zu mobilisieren.
Der Faktor Technologie ist im weiteren Sinne zu interpretieren; er umfaßt nicht nur Forschung und Entwicklung, sondern darüber hinaus die Umsetzung neuer Technologien im Produktionsprozeß, die Produktionsvorbereitung, moderne Organisationsformen und auch ein zukunftsweisendes Marketing.
Zwar gibt es auf dem Gebiete des Technologieeinsatzes eine Reihe von Förderungsmöglichkeiten. Sie folgen jedoch alle dem Antragsprinzip, sind mit schwerfälligen bürokratischen Genehmigungsverfahren verbunden und erweisen sich insgesamt gesehen wenig wirksam.
Die grundsätzliche Strategie sollte darauf hinauslaufen, eine generelle Änderung der marktwirtschaftlichen Knappheitsverhältnisse zu erzielen. Eine Wirtschaftspolitik, die ernsthaft bemüht ist, den Faktor Technolgie in umfassender Form zu fördern, muß darauf gerichtet sein, den generellen Datenkranz für unternehmerische Entscheidungen zu ändern.
Dies könnte etwa in der Form erfolgen, daß neben die bisherige steuerliche Begünstigung der Investitionen alternativ als Option eine generelle steuerliche Begünstigung der Ausgaben für den Faktor Technologie tritt...
Der Autor ist Professor Tür Volkswirtschaftslehre, Volkswirtschaftspolitik und Finanzwissenschaften an der Universität Linz.
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