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Die Demokratisierung betrieblicher Entscheidungen

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Inwieweit müssen Manager auf gesellschaftliche Zielsetzungen Rücksicht nehmen? Müssen sie das überhaupt, wenn diese mit den Interessen der von ihnen geführten Unternehmungen teilweisą oder ganz im Widerspruch stehen? Kann und soll die in den Händen von Managern liegende Entscheidungsgewalt „demokratisiert” werden? Auf diese brennenden Fragen versucht Dr. Walter Fremuth, Generaldirektorstellvertreter der Giro-Zentrale, in seinem Vortrage „Management und Gesellschaft”, den er kürzlich im Innsbrucker Berufsforderungsinstitut hielt, eine Antwort zu geben. Unser Bericht faßt das Referat von Dr. Fremuth zusammen:

„Die zunehmend verstärkte Artiku- lierung eines Teiles der Bevölkerung gegen staatliche Entscheidungsträger mit Hilfe von Volksbegehren, Bürgerinitiativen und nicht zuletzt auch mit verstärktem Einsatz der Massenmedien, läßt grundsätzlich auf ein weitverbreitetes Demokratiebewußtsein schließen. Damit ist nicht gesagt, daß sich die aktiven oder passiven Träger solcher Aktivitäten stets der ihnen verfassungsmäßig eröffneten Rechte und der vielfältigen Institutionen eines parlamentarisch-demokratischen, föderalistisch organisierten Rechtsstaates auch nur annähernd bewußt wären. Wohl aber soll damit zum Ausdruck gebracht sein, daß der Staatsbürger von heute weitgehend die Scheu vor der Obrigkeit, vor der institutionalisierten Autorität verloren hat. Der Bürger beginnt zu erkennen, daß er der eigentliche Souverän im Staat ist.

Weniger klar ist ihm aber offenbar, daß Demokratie nicht die Auflösung einer organisierten Gesellschaft von

7.5 Millionen Menschen mit unterschiedlichen Interessenlagen in

7.5 Millionen „Ich”-Parteien bedeuten kann.

Vor diesem Hintergrund eines grundsätzlich wünschenswerten Demokratieverständnisses, jedoch eines weniger wünschenswerten fehlenden Solidaritätsbewußtseins, tritt uns eine erheblich auf das Formale reduzierte Demokratie in der politischen Wirklichkeit entgegen. Ein Parlament, dem schon auf Grund des zahlenmäßig völlig unzureichenden Expertenstabes erhebliche Wirksamkeit fehlen muß. und dessen personelle Zusammensetzung infolge der zunehmenden Beamtenmandatare den demokratischen Regelkreis unwirksam werden läßt, wird trotz der regelmäßig festzustellenden höheren Wahlbeteiligung nicht mehr als die Inkarnation der Demokratie empfunden. Wahlen in allgemeine Vertretungskörperschaften werden so immer mehr zu Wahlen für oder gegen eine amtierende Regierung, ja sogar für oder gegen einen bestimmten Bundeskanzler, Landeshauptmann oder Bürgermeister. Das innere Engagement bei Wahlen in die personellen Selbstverwaltungskörper ist noch wesentlich geringer.

Aus all dem resultiert das „Unbehagen in der Demokratie”. Damit in Verbindung ist mit einer Reihe von organisatorischen Überlegungen der im theoretischen Raum immer unüberhörbarer gewordene Ruf nach einer Dezentralisierung von Entscheidungsmacht zu sehen. Eine lebendige Demokratie hat viel mehr im Vorfeld zentraler und föderaler politischer Entscheidungen auf möglichst breiter Basis innerhalb der demokratischen Parteien verwirklicht zu werden.

Dieser gesellschaftliche Hintergrund, dem noch eine Reihe weiterer Wahrnehmungen hinzuzufügen wäre, wirft die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung der Manager und die Forderung nach einer Demokratisierung unternehmerischer Entscheidungen auf. Denn die Unternehmungen sind gewissermaßen solche dezentralisierte Entscheidungszentren, und das Verhältnis zwischen dem Arbeitnehmer und „seinem” Unternehmen ist mindestens so intensiv wie jenes zu seinem Wohnsitz oder zu seinem Staat.

Eine Entscheidung für den Markt impliziert im wesentlichen auch die Entscheidung für mögliches Privateigentum an Unternehmungen. Daß damit keine Ausschließlichkeit für privates Unternehmereigentum ausgesagt wird, versteht sich von selbst. Daß aber privates Unternehmereigentum in einem solchen System eine wesentliche Rolle spielen muß, soll damit ausgedrückt werden. Für mich ist diese Entscheidung keine „ideologische”, sondern eine rein pragmatische, an Hand empirischer Wahrnehmungen.

Ist man bereit, das grundsätzlich marktwirtschaftliche System und damit das Privateigentum an Unternehmungen zu akzeptieren, folgt daraus, daß das Management zumindest im Falle privater Unternehmungen eigentumsbezogen handeln muß. Manager müssen mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes das ihnen anvertraute fremde Untemehmensver- mögen nach bestem Wissen und Gewissen unter dem Interessensgesichtswinkel seiner Eigentümer führen. Fehlen anderweitige Direktiven seitens der Eigentümer - und dies wird regelmäßig der Fall sein - dann wird sich die Untemehmensführung vom Ziel der Vermögens- und Gewinnmaximierung für die Eigentümer leiten lassen müssen.

Gesellschaftsbezogene Verantwortung des Managements wird von mir bejaht, wenn die Voraussetzungen dafür stimmen. So sind die vom Kemge- halt des Privateigentums her unüber- schreitbar gesetzten Grenzen anzuerkennen, weil ihr Überschreiten eine grundlegende Änderung des bestehenden Wirtschaftssystems bewirken würde. Eine Änderung ist zwar durchaus möglich, nur muß man sich vorher aller Vor- und Nachteile bewußt sein.

Die Forderung nach Demokratisierung unternehmerischer Entscheidungsprozesse hat mehrere Motive. Einmal, weil das anfangs kurz dargestellte Demokratieunbehagen eines Großflächenstaates den Gedanken zur Dezentralisation von Entscheidungsvorgängen fördert. Diese Theorie übersieht aber vielleicht jene Gefahren, die in einer solchen institutiona- len Änderung gelegen sein müssen: Ein zu intensives Nahverhältnis zum Wähler und damit zu den von der Entscheidung Betroffenen führt zur Flucht vor unpopulären Entscheidungen, zu Lokal-(Betriebs-)egoismus und zur Gefahr, daß fachlich Nichtqualifizierte mitreden.

Vieles davon läßt sich auch auf Betriebsebene bezogen aussagen. Schließlich liegt es auf der Hand, daß Arbeitnehmer das Schicksal des entscheidenden Mittelpunktes ihrer Lebensinteressen, nämlich des Unternehmens, das ihnen Arbeit und damit den Lebensunterhalt bietet, mitbe stimmen wollen. Die Frage ist nun, in welchen Belangen der Untemehmensführung die Entscheidungskompetenz der Eigentümer und des Managements zum Wohl aller Beteiligten mit den Arbeitnehmern geteilt werden kann.

Die meisten unternehmerischen Tagesentscheidungen, die unmittelbare Auswirkungen für das Unternehmen selbst haben, werden der Mitbestimmung entzogen bleiben müssen. Anders verhält es sich wohl bei dienst- und besoldungsrechtlichen Maßnahmen, sowie bei der innerbetrieblichen Sozialpolitik. Trotzdem werden aber auch schicksalsentscheidende Maßnahmen für das Unternehmen mit gutem Grund gemeinsam mit dem Faktor Arbeit, also der organisierten Belegschaft, zu treffen sein. Jeder weitere Schritt in Richtung mehr Mitspracherecht der Arbeitnehmer im Unternehmen wird daher unter dem Blickwinkel einer gesunden Balance zwischen den in einer wirtschaftlichen Einheit wirkenden Faktoren und damit den objektiven Voraussetzungen für eine erfolgreiche Untemehmensführung einerseits und anderseits auf gesamtwirtschaftliche Notwendigkeiten mit Vorsicht zu vollziehen sein.

Will man die prompte Entschei- dungsfahigkeit eines Unternehmens nicht gefährden und gleichzeitig das geistige Potential in einem Unternehmen mit einer zusätzlichen Motivierung der Mitarbeiter verbinden, so wird wohl die Entscheidungskompetenz und Verantwortlichkeit des Managements klar auszusprechen sein. Dies soll jedoch im Vorfeld der zu treffenden Entscheidungen mit einer breiten Mitsprachebasis geschehen. Bei anfallenden Entscheidungen sollen also alle, die zu einem anstehenden Problem fundierte Meinungen äußern können, zu einer Diskussion außerhalb der üblichen hierarchischen Gegebenheiten aufgefordert werden.

Hat jedoch die Geschäftsführung eine Entscheidung gefällt, sollte sie eine unbedingte und prompte Vollziehung ihrer Weisungen erwarten können. Jedem an dem Entscheidungsund Ausführungsvorgang Beteiligten müßte bewußt sein, daß eine getroffene Entscheidung für das Management vielfach die Basis für weitere Maßnahmen darstellt, an der nicht der gleiche Personenkreis teilnimmt.

Von Seiten der Arbeitnehmer werden vielfach Mitentscheidungswünsche geäußert, die in Wahrheit Wünsche nach besserer Information darstellen. Eine sehr wesentliche Managementaufgabe stellt deshalb zweifellos die Vorsorge für eine ausreichende Information der verschiedenen Ebenen eines Unternehmens dar.”

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