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Die Direktwahl war erfolgreich

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Mit Spannung hat man am 10. März nicht nur in Kärnten den Gemeinderatswahlen entgegengesehen (FURCHE 10/1991), kam doch diesem Urnengang der Charakter einer Premiere zu: Erstmals in Österreich wurden die Bürgermeister direkt vom Gemeindebürger gewählt.

Um dies zu ermöglichen, gab es zwei Stimmzettel, einen gelben für die Bürgermeisterwahl und einen weißen für die Wahl der Partei, auf dem man überdies drei Kandidaten der gewählten Partei den „Vorzug” geben konnte.

Dieser neue Wahlmodus bot die Chance des Stimmensplittings. Mit anderen Worten: Der Bürger konnte seine Entscheidung teilen, also einen Bürgermeister wählen, der nicht der von ihm gewählten Partei angehört. Vor und nach der Beschlußfassung dieses neuen Wahlrechtes durch den Kärntner Landtag hat es vielfach Stimmen gegeben, wonach dieses System den Wähler überfordern könnte, es könnte ihm als zu kompliziert erscheinen.

Die Befürchtungen dieser Art erwiesen sich als unbegründet. Das Stimmensplitting wurde vom Wähler durchaus angenommen und in zahlreichen Gemeinden haben Bürgermeister die absolute Mehrheit erreicht, wurden also schon im ersten Wahlgang „direkt” gewählt, während ihre Partei zum Teil deutlich schlechter lag.

Auch die Möglichkeit der Vergabe der Vorzugsstimmen wurde rege genützt, in einzelnen Gemeinden haben bis zu 3 0 Prozent der Wähler Vorzugsstimmen vergeben. Allerdings hat das neue System vor allem hinsichtlich des Vorzugsstimmensystems doch manche Wähler verunsichert, denn die Zahl der ungültigen Stimmen stieg von 5.672 im Jahr 1985 auf 14.064, Skeptiker hatten jedoch eine viel höhere Zahl befürchtet.

Anzumerken ist, daß es gegen die Bürgermeister-Direktwahl zunächst verfassungsrechtliche Bedenken gegeben hat, auch seitens des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes. Man war der Auffassung, daß aufgrund der bisherigen Auslegung der Verfassung die Bestellung des Bürgermeisters dem Gemeinderat vorbehalten sei. Inzwischen hat sich interessanterweise die verfassungsrechtliche Lehrmeinung geändert. Hervorzuheben ist, daß für die Bürgermeister-Direktwahl vor allem die SPÖ eingetreten ist, die in Kärnten über die meisten Bürgermeister verfügt. Sie spekulierte zurecht mit dem Bürgermeisterbonus, der am Sonntag dann auch tatsächlich zum Tragen gekommen ist.

1985 gab es in Kärnten 121 Gemeinden, heuer stieg die Zahl durch Trennungen auf 128 an. 1985 stellte die SPÖ 68 Bürgermeister, die ÖVP 39, die FPÖ sechs und acht entfielen auf Namenslisten. Am 10. März konnte sich die SPÖ bereits

59 Bürgermeistersessel sichern, die ÖVP 25 und acht entfielen auf Namenslisten, die FPÖ ging also zunächst leer aus, was ein bitterer Wermutstropfen in ihrem Erfolg war.

In 36 Kärntner Gemeinden wird es also am 24. März eine Stichwahl zwischen den zwei Kandidaten mit der höchsten Stimmenanzahl geben und dabei werden mehreren FPÖ-Kandidaten durchaus Chancen zugebilligt.

In Klagenfurt muß sich der populäre ÖVP-Bürgermeister Leopold Guggenberger dem sozialistischen Herausforderer Michael Ausser-winkler, einem jungen Arzt, stellen. Diese Konstellation ist interessant: 1973 hatte Guggenberger den Vater seines jetzigen Herausforderer besiegt, nun strebt der Sohn des damals Besiegten die Revanche an.

Die SPÖ kam am 10. März insgesamt auf 153.428 Stimmen (45,3 Prozent und 1.108 Mandate), 1985: 146.888 Stimmen, 46,5 Prozent und 1.120 Mandate. Die FPÖ auf 72.788 Stimmen, 21,5 Prozent und 524 Mandate (38.546,12,2 Prozent, 274 Mandate), die ÖVP auf 82.722 Stimmen, 24,4 Prozent und 613 Mandate (99.450, 31,5 Prozent, 750 Mandate). Auf Namenslisten entfielen 29.860 Stimmen (8,8 Prozent) und 219 Mandate.

Die SPÖ hat also 6.540 Stimmen dazugewonnen, aber an Prozentanteilen um 1,2 eingebüßt. Die FPÖ konnte 34.242 Stimmen dazulegen (plus 9,3 Prozent), die Zahl ihrer Mandate stieg um 250 an. Die ÖVP büßte 16.728 Stimmen ein (minus

7,1 Prozent) und die Zahl ihrer Mandate schrumpfte um 137.

Nach diesem Vergleich ist also die FPÖ „der große Sieger”, es ist aber anzumerken, daß es in Kärnten den „Haider-Effekt” schon seit der Nationalratswahl 1986 gibt. Bei der Landtagswahl 1989 und der Nationalratswahl 1990 lag die FPÖ deutlich vor der ÖVP, diesmal wurde die ÖVP wieder zweitstärkste Partei: ihr Vorsprung vor der FPÖ beträgt rund 10.000 Stimmen.

Claudia Haider abgeblitzt

Es ist also verständlich, daß sich nach dem sonntägigen Wahlgang die Vorsitzenden aller drei Landtagsparteien zufrieden gegeben haben. Alle haben ihre Wahlziele erreicht, sogar die ÖVP, die wieder den zweiten Rang in Kärnten angestrebt hat.

Die slowenische Volksgruppe, die über nur wenige Gemeinderatssitze verfügt, weil ihre Angehörigen bei Urnengängen meist SPÖ oder ÖVP wählen, hat ihre Position in etwa gehalten.

Ein Detail erregte großes Interesse: In der Gemeinde Feistritz im Rosental kandidierte die Gattin des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider, Claudia, als Quereinsteige-rin für die Position des Bürgermeisters, wurde aber enttäuscht, weil sie weniger Stimmen erhielt als ihre Partei und letztlich dem SPÖ-Bür-germeister den Vortritt überlassen mußte.

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