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Die Diskriminierung, die Deklassierung

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Das Rechenexempel ist — zugegebenermaßen —etwas kompliziert: aber gleich zwei seriöse Untersuchungen haben dieser Tage mit dem Instrumentarium der Virtschaftsstatitik und “Ökonometrie arbeitete Daten geliefert, die “die Arbeit der Hausfrau für;die Volkswirtschaft angeben. Resultat: die Nur-Hausfrau leistet quantitativ mehr als eine durchschnittliche Hebamme, Kindeisgärtnerin oder Krankenschwester.

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Das Rechenexempel ist — zugegebenermaßen —etwas kompliziert: aber gleich zwei seriöse Untersuchungen haben dieser Tage mit dem Instrumentarium der Virtschaftsstatitik und “Ökonometrie arbeitete Daten geliefert, die “die Arbeit der Hausfrau für;die Volkswirtschaft angeben. Resultat: die Nur-Hausfrau leistet quantitativ mehr als eine durchschnittliche Hebamme, Kindeisgärtnerin oder Krankenschwester.

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Man müßte solche Fakten nicht besonders anführen, wäre nicht ein weit verbreiteter Trend in der öffentlichen Meinung vorhanden, die Rolle der Nur-Hausfrau systematisch zu diskreditieren. Die Nur-Hausfrau: Das ist ein vom Geist der Zeit unberührtes Hausmütterchen, das Mann, Kinder und Haushalt sozusagen nur vorgibt, um sich an einer „vollwertigen“ Berufsarbeit vorbeizudrücken. Oder: „Eine Nur-Hausfrau legt sich schnell zwei Kinder zu, weil sie es sonst zu nichts gebracht hat“, wie man unlängst in der Glosse einer Wiener Tageszeitung als Resümee lesen konnte.

Die Nur-Hausfrau ist nämlich in das Schußfeld allerorta aktiver Emanzipations-Amazonen geraten, die schon das kleine Mädchen zum Fast-Mann drillen wollen, um es nur ja von Haushalt, Küche und Herd abzuhalten; Emanzipations-Amazonen halten es für schick, nicht mit Abwaschwasser und Bügeleisen in Berührung zu kommen — und die Selbstbefreiung der Frau vornehmlich auch als Problem der Haushaltsentfremdung zu sehen.

Dabei liegt das Problem der Nur-Hausfrau jedenfalls auf einer ganz anderen Ebene. Tatsache ist, daß die Gesellschaft und die in ihr wirksamen gesellschaftlichen Kräfte nicht recht wissen, welchem Modell sie Vorrang einräumen wollen; aus Gründen der Arbeitsplatzsicherung ist etwa die Gewerkschaftsbewegung nicht sonderlich an den berufstätigen Frauen interessiert. Diese sind — noch mehr als die Gastarbeiter — „Konkurrenten“ für die Haupterwerbsträger, die jedenfalls bis auf weiteres immer noch die Männer sein werden. So kann auch die Wirtschaft ihre in jeder Beziehung fragwürdige Diskriminierung der Frauenarbeit ungestört weiterführen: Und was Rudolf Weiler schon vor zehn Jahren in seiner Untersuchung über „Wirtschaftswachstum und Frauenarbeit“ in Österreich schrieb, hat sich nicht geändert: die

weiblichen Durchschnittsverdienste liegen unverändert bis zu 25 Prozent unter denen der Männer — bei gleichartiger Tätigkeit.

Die in der letzten Zeit von den politischen Parteien — zuletzt von der SPÖ — vorgeschlagenen Pläne, dia zwischen „Hausfrauengehalt“ und erheblich angehobenen Geburtsund Kinderbeihilfen schwanken, und die nicht zuletzt auch bei Vorschlägen zu den diversen Steuerreformen Pate standen, müssen insgesamt doch als Versuche gewertet werden, Wählergeschenke zu verteilen. An der Grundproblematik hat sich nichts geändert. Und damit kommen wir zum Ergebnis der eingangs zitierten jüngsten Untersuchungen zurück.

So ermittelte das Institut für Technologie und Betriebstechnik der Technischen Hochschule Wien, daß Hausfrauenarbeit als Summe von Punkten, nach denen manuelle und intellektuelle Arbeit einzustufen ist, einer Tätigkeit entspricht, die in typischen Frauenberufen mit 5000 bis 6000 Schilling entlohnt wird.

Der Katholische Familienverband kommt' in einer wissenschaftlichen Untersuchung (unabhängig) zu einem ganz ähnlichen Ergebnis; die Studie rechnet vor: Wenn ein Familienvater mit zwei Kindern und einer Frau, die den Haushalt versorgt, monatlich 5400 Schilling verdient, dann lebt eine solche Familie — nach dem Sozialschichtenindex des Institutes für empirische Sozialforschung — am Rande des Existenzminimums. Oder anders ausgedrückt: Wenn ein Familienvater mit 5400 Schilling den gleichen Lebensstandard wie sein unverheirateter, kinderloser Kollege haben will, müßte er real 11.300 Schilling verdienen.

Und das trifft den eigentlichen Kern der Familienpolitik in Österreich. Was ist der Gesellschaft die Familie wert? Was tut die Gesellschaft für die Familie — wenn die Frau die deklamatorische Diskrimi-

nierung ebenso hinnimmt wie die soziale Deklassierung — aber die Erziehung der Kinder nicht Kinderhorten oder Großmüttern überläßt?

Familienpolitik ist freilich nicht nur eine Frage an das Budget. Man kann mit ausgeschütteten Millionen zwar für ein wenig Ausgleich sorgen, aber dennoch nicht die Probleme der Familien lösen. Da ist nämlich zum ersten die Preisspirale, die niemanden so sehr zur Kasse bittet wie Familien mit Kindern; da ist die von den Kommunen völlig vernachlässigte Frage der Kindergärten; da ist das Problem der Ganztagsschule. Vor allem aber ist da wohl auch die Frage zulässig, warum es nicht endlich möglich ist, der Teilzeitarbeit von Frauen eine Chance zu geben! Tausende ausgebildete Frauen gehen der Volkswirtschaft verloren und müssen eine soziale Deklassierung mitmachen — obwohl zunehmende Technisierung des Haushalts und ein wenig mehr öffentliche Hilfe es ermöglichen könnten, daß sie wieder zeitweise, stundenweise einer Arbeit nachgehen, ohne sich dabei in jene Gewissenskonflikte zu stürzen, die ein Fulltimejob mit sich bringen würde. Freilich: Auch hier ist es allein mit Gesetzesänderungen noch nicht getan. Vor allem in der Wirtschaft und im Bundesdienst müßte die Bereitschaft bestehen, die Arbeit der auch nur stundenweise arbeitenden Frauen nicht wiederum zu diskriminieren — kurz: diesen Frauen nicht jene Tätigkeit anzuhängen, die sonst niemand übernehmen will.

Politiker und Wirtschaftspartner sind aufgerufen, nicht nur von neuen Gesellschaftsmodellen zu reden, sondern auch etwas zu tun. Tausende Frauen, Tausende Familien wüßten es zu danken.

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