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Die drei Konflikte
Man könnte mit Recht den Standpunkt vertreten, daß es heute in Nordirland nicht einen Konflikt gibt, sondern deren drei. Da ist einmal der alte Zwist zwischen der protestantischen Mehrheit und der katholischen Minderheit, der zu vielen Morden aus rein konfessionellen Gründen geführt hat und vor einigen Tagen einen neuen Tiefpunkt erreichte, als in Belfast auf einen katholischen Leichenzug geschossen wurde. Zweitens ist da der ebenfalls alte Konflikt zwischen den Sicherheitskräften und der Provisorischen IRA. Diese Organisation hat in den letzten Wochen viele ihrer Führer verloren, die teils festgenommen, teils getötet, teils — in der Irischen Republik — zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Aber nichts deutet darauf hin, daß die Provisorische IRA von ihrer Terrorkampagne läßt, und vermutlich war sie für den Mord an einem Polizisten verantwortlich, der dieser Tage einer bei einem Verkehrsunfall verletzten Frau helfen wollte.
Der dritte Konflikt ist erst jetzt zum Ausbruch gekommen: nämlich der Kampf zwischen bewaffneten protestantischen Extremisten und dem britischen Militär. Der Generalstreik am 7. Februar, von militanten Protestanten ausgerufen, war als Protestaktion gegen die Verhaftung zweier protestantischer Extremisten begründet worden, die eine Handgranate in einen Autobus mit Katholiken geworfen haben sollen. Alle verantwortungsbewußten protestantischen Politiker, darunter der Führer der Unionspartei, Brian Faulkner, hatten den Streikaufruf verurteilt. Dennoch scheint er erfolgreich gewesen zu sein, vor allem deshalb, weil die protestantischen Extremisten es ebenso wie die IRA verstanden, ihre Glaubensgenossen einzuschüchtern. In Belfast kam es während des Streiks zu dem bisher schwersten Zusammenstoß zwischen Protestanten und britischen Soldaten. Dabei wurden fünf Personen getötet und mehrere verwundet. Die protestantischen Extremisten behaupten, das britische Militär habe auf unbewaffnete Zivilisten geschossen, eine Beschuldigung, die die Armee mit aller Entschiedenheit zurückweist.
Die Lage könnte kaum schlimmer sein. Gibt es noch irgendeine Hoffnung für die Zukunft? Der Minister für Nordirland, William Whitelaw, hat im Unterhaus den Streik und das Verhalten der protestantischen Extremisten scharf verurteilt, aber hinzugefügt, die britische Regierung sei entschlossen, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten, und sie werde die Truppen auf keinen Fall abziehen. Die Labour-Opposition forderte ihn auf, in Nordirland alle registrierten Schußwaffen für eine ballistische Nachprüfung einzuziehen, so daß sich bei künftigen Schießereien die Eigentümer feststellen lassen. Der Minister lehnte das nicht rundweg ab, betonte jedoch, das eigentliche Problem seien nicht die registrierten, sondern die vielen Waffen, die sich illegal im Besitz von Katholiken wie Protestanten befänden.
Mit jeder neuen Terrorwelle aber wird das Verlangen nach Waffen noch größer. Und der katholische Kriegsteilnehmerverband in Nordirland hat erklärt, er werde eine Abordnung in die Irische Republik entsenden, um Waffen für den Schutz katholischer Gemeinden gegen Angriffe von Protestanten zu kaufen.
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