6888545-1979_37_12.jpg
Digital In Arbeit

Die Dritte Welt darf hoffen

Werbung
Werbung
Werbung

Unter der Präsidentschaft der österreichischen Bundesministerin für Wissenschaft und Forschung, Hertha Fimberg, tagte jüngst in Wien die Konferenz der Vereinten Nationen über Wissenschaft und Technik im Dienst der Entwicklung. Für die 4000 Teilnehmer aus über 140 Staaten und mehreren Dutzend internationaler Organisationen hatte man die Wiener Stadthalle in ein riesiges Konferenzzentrum umgestaltet. Zusätzlich tagte die Arbeitsgruppe „Wissenschaft, Technik und die Zukunft” im Kongreßzentrum der Hofburg, deren hauptsächlich von Wissenschaftlern erarbeitetes (und dafür reichlich allgemein gehaltenes) Papier von der Konferenz angenommen wurde. Auf einem Parallel-Forum der nichtstaatlichen internationalen Organisationen kamen zu ausgewählten Sachgruppen täglich Wissenschaftler aus aller Welt zu Wort.

Seit der Konferenz von San Fran- zisko im April 1945, wo die Organisation der Vereinten Nationen geboren wurde, dürfte kaum jemals eine hochpolitische Staatenkonferenz so gut vorbereitet gewesen sein wie diese. Zahlreiche regionale Konferenzen hatten zu diesem Zweck stattgefunden, und das Vorbreitungskomitee in New York hatte nicht weniger als fünf Sessionen abgehalten.

Die Entwicklungsländer waren noch kurz vor Beginn in Bukarest zusammengetroffen, um ein« gemeinsame Marschroute festzulegen und damit jene offenen Meinungsverschiedenheiten nicht auftreten zu lassen, die erst vor kurzem zum Scheitern der Konferenz für Handel und Entwicklung in Manila beigetragen hatten.

Schließlich hatte in der Woche vor der Konferenz das Beratende Komitee für die Anwendung von Wissenschaft und Technik im Dienste der Entwicklung in der Wiener Hofburg getagt - ein UN-Gremium, das ausschließlich Fachleute aus einschlägigen Bereichen umfaßt, was nicht verhindern konnte, daß diese, wie es ein Beobachter formulierte, „die ihnen vielleicht zum letzten Mal gebotene Gelegenheit versäumten, der Entwicklung der Dritten Welt auf den richtigen Weg zu helfen”. (Dabei übersieht er freilich, daß sich die entscheidenden Fragen auch auf diesem Gebiet als in erster Linie politische der Sachkompetenz von Naturwissenschaftlern notwendigerweise entziehen.)

Tatsächlich waren die der Konferenz vorliegenden Probleme in erster Linie politische, in zweiter Linie rechtliche, und erst in letzter Linie auch wissenschaftliche. Die Hauptfrage war Sind die reichen Länder bereit, den raschen technologischen Aufstieg der armen ausreichend zu finanzieren?

Daß ein solcher Aufstieg ohne entsprechende Mittel nicht möglich sein würde, darüber war man sich eigentlich überall einig. Wieviel und auf welche Weise aber Geld aufgebracht werden sollte, darüber gingen die Ansichten weit auseinander. Die Entwicklungsländer brachten einen Plan nach Wien mit, der bis 1985 die Errichtung eines Fonds von zwei Milliarden US-Dollar vorsah, wobei diese Summe durch eine Art zwangsweiser Weltsteuer von den Industriestaaten eingetrieben werden sollten.

Zu diesem Zweck forderten die Entwicklungsländer die Schaffung eines neuen UN-Komitees, das von der UN-Generalversammlung ab- hängen und ihnen damit die Möglichkeit geben sollte, ihre dort von keinem Vetorecht der Großmächte einschränkbare Abstimmungsmehrheit voll zum Tragen zu bringen.

Die Staaten des Ostblocks, die gerne gesehen hätten, wie der Westen geschoren wird, unterstützten diese Forderungen mit der Einschränkung, ihnen selbst dürften nicht mehr Lasten auferlegt werden, als sie freiwillig übernähmen, denn sie hätten ja niemals Kolonien besessen, die Dritte Welt daher nicht ausgebeutet und seien also zu einer Wiedergutmachung nicht verpflichtet.

Der Westen anerkannte zwar die Notwendigkeit vermehrter Entwicklungshilfe auf dem Technologiesektor, wollte aber in Anbetracht seiner eigenen angespannten Wirtschaftslage nicht über ein bestimmtes Maß hinausgehen, sich überdies finanziell nicht derart in die Hand der Entwicklungsländer geben, daß ihn diese hätten regelrecht besteuern können.

Sollte die Konferenz nicht völlig unverrichteter Dinge auseinandergehen, so mußte nach einem Kompromiß gesucht werden, wozu neben Kanada und den nordischen Staaten auch Österreich anerkennenswerte Anstrengungen unternahm. Institutioneil einigte man sich schließlich darauf, das neue, allen Staaten offen stehende Komitee, das keine Besteuerungskompetenz haben würde, nur im Wege des Wirtschafts- und Sozialrates an die Generalversammlung berichten zu lassen, weil in diesem die Industriestaaten überproportional vertreten sind und sich daher besser durchsetzen können.

Was das Geld anlangt, so machten die USA (auf die es letztlich ankam, weil sie den Hauptanteü aufzubringen hätten) einen letzten Vorschlag: entweder ein vorläufiger Fonds von 250 Millionen US-Dollar mit der Chance, diese Summe durch spätere Verhandlungen noch wesentlich zu erhöhen, oder 300 Millionen US-Dollar, aber als letztes Wort.

Die Entwicklungsländer zogen schließlich die Taube auf dem Dach in Form späterer Neuverhandlungen vor, was wahrscheinlich ein Fehler war, weil sich die USA wohl auch im Fall der 300 Millionen nicht für immer neuen Verhandlungen hätten entziehen können.

Daß dieses Ergebnis das Problem des Technologietransfers nicht in zufriedenstellender Weise löst, wurde am Ende von niemandem bestritten. Immerhin wurde die Verhandlungsbasis zwischen arm und reich nicht zerstört, während eine völlige Frustration der Dritten Welt auch böse Folgen für den Frieden hätte haben können.

(Der Autor nahm als Mitglied der Delegation des Heiligen Stuhles an der UNCSTD-Konferenz teil.)

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung