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Die eiserne Mark

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Die Steiermark hat ihre alteingesessene Industrie zum zweiten Mal zum Thema einer Landesausstellung gemacht. 1968 hieß es „Der Bergmann - der Hüttenmann — Gestalter der Steiermark". 1984: „Erz und Eisen in der Grünen Mark". Eine Wendung vom Menschen zum Material? Doch vom Menschen ist auch diesmal viel die Rede.

Die Ausstellungsorte sagen einiges über seine heutigen Sorgen. Der Kammerhof in Eisenerz war bis ins späte 18. Jahrhundert Sitz des Kammergrafen der Innerber-ger Hauptgewerkschaft. „Innerberg" ist der Bereich nördlich des Erzberges, der südliche heißt „Vordernberg" wie der gleichnamige Ort, wo in einigen stillgelegten Werkgebäuden Außenstellen der Ausstellung eingerichtet wurden. Denn eigentlich gehört die ganze verarmte „Eisenstraße" zwischen Leoben und Hieflau mit ihren vielen Industriedenkmälern dazu.

Die alte Eisengegend braucht neue Impulse. Nicht zuletzt denkt man an Fremdenverkehr. Das ist keineswegs absurd: die in grüne Berge gebetteten Industriedenkmäler sind wirklich mehr Denkmäler als umweltbedrohende Ungetüme. Wenn man sieht, wie sich die Städte Eisenerz und Vordernberg herausgeputzt haben, glaubt man an die Richtigkeit des Weges, den man nur konsequenter gehen müßte.

Daran kranken die steirischen Landesausstellungen: daß man alle zwei Jahre einen total neuen Mitarbeiterstab zusammenstellt und nicht imstande ist, Erf ahrungen zu sammeln und zu nutzen. Das trifft nicht das wissenschaftliche Niveau, wohl aber Organisation und Werbung.

Wer sich einmal entschlossen hat, die Reise zum Erzberg, zu diesem weltbekannten braunen Stufenberg zu machen, fühlt sich reich belohnt. Es ist ein aufregendes Abenteuer, die Geschichte der Eisenverarbeitung mit all ihren Nebenzweigen zu studieren. Aber man muß sich geistig in einen Berg- und Hüttenmann verwandeln, hart am Material arbeiten. Es wird einem nichts geschenkt.

Wissenschaftler waren am Werk, die aus den Statistiken der Eisenproduktion ganze Völkerschicksale erklären können, die Zusammenhänge zwischen dem Waldreichtum der Steiermark und den ewig holzkohle-hungri-gen Eisenschmelzern aufzeigen. Die uns lehren, daß die Erkenntnis der Endlichkeit der Energiequellen eine alte Erfahrung des Menschen ist und daher die Steiermark mit eisernen Gesetzen „grün" erhalten wurde.

Anschaulich wird es, wo die primitiven Abbaumethoden zu studieren sind: die engen Stollen, die einfachen Keile und Lichtquellen, die Tröge, in denen das Gestein geschleppt wurde. Daneben werden die modernen Methoden gezeigt. Man kann die alten Hütten in Bild und Modell sehen, aber auch in Vordernberg ein komplett eingerichtetes „Radwerk" zur

Erzverhüttung besichtigen. Moderne Methoden werden per Multimedia-Schau vorgeführt.

Die Produkte: das waren nicht nur Waffen. Das reichte vom einfachen Hammer, von den massenweise in Holzfässern verschickten Sensenblättern bis zur kompletten Eisenbahn. Vom Eisenguß-Schmuck bis zu Häusern und Brücken in Eisenkonstruktion.

Da kann man im Modell das „Eiserne Haus" in Graz sehen und jene Grazer Franz-Karl-Brücke, die eine besonders gelungene Eisenkonstruktion und mit Statuen der .Äustria" und der „Styria" geschmückt war. Die Herrlichkeit wurde 1964 zerstört, weil man die Brücke dem wachsenden Verkehr zuliebe verbreitern mußte. Dann aber erfand man die Fußgängerzonen, und die breite Brücke wurde gar nicht gebraucht. Planung!

Eisen- und Stahlprodukte aus jüngster Zeit werden gezeigt, auch moderne Kunstwerke aus Metall sowie traditionelle Grabkreuze fehlen nicht. Vom Brauchtum der Bergleute und von den Künsten, die durch Berg- und Hüttenwesen inspiriert wurden, hätte man allerdings gern mehr gesehen.

Der Kammerhof war übrigens im 19. Jahrhundert Jagdschloß des Kaisers. Nach dem Attentat von Sarajevo bekamen es die unmündigen Waisen des Thronfolgerpaares; so gehört der Kammerhof heute der Familie Hohenberg. Das Land Steiermark hat ihn gepachtet und restauriert. Nach Schluß der Ausstellung (14. Oktober) wird die Stadt ein neues Kulturhaus haben.

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