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Die Entflechtung schreitet voran

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Welche Akzente setzte Johannes Paul II. bei seiner Spanienreise? Wie beeinflußt der erste Besuch eines Papstes die gesellschaftliche Situation des Landes?

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Welche Akzente setzte Johannes Paul II. bei seiner Spanienreise? Wie beeinflußt der erste Besuch eines Papstes die gesellschaftliche Situation des Landes?

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Die 16. Auslandsreise Papst Johannes Paul II., die längste auf europäischem Boden und zugleich die längste nach dem Attentat vom 13. Mai 1981, führte den Papst nach Spanien. Uber 7000 Kilometer legte er im Flugzeug oder Hubschrauber zurück, besuchte 16 Städte, alle wichtigen Wallfahrtsorte dieses Landes und hielt rund 40 Ansprachen.

Der Uberblick über die zahlreichen Ansprachen zeigt, daß die Erneuerung der spanischen Kirche in ihrem raschen gesellschaftlichen Wandlungsprozeß als Leitmotiv dieser Pastoralreise anzusehen ist.

Äußerer Anlaß war der 400. Todestag der Patronin Spaniens. Teresa von Avila ist für Karol Woj-tyla mehr als eine große Heüige. Ihr Name steht zusammen mit dem des heiligen Johannes vom Kreuz (1542-1591) für die Erneuerung des Karmeliterordens.

In Toledo, der alten Hauptstadt Spaniens, deren Stadtbild von einer christlichen Kathedrale und einer ehemaligen maurischen Festung geprägt ist, rührte der Papst an das Grundgefühl der Nation: „Toledo war eine Stadt der Begegnung von Kulturen die über die Grenzen Spaniens hinausreichte, um Einfluß auf die Kulturen des europäischen Westens zu nehmen."

Das bringt zum Ausdruck, was der relativ junge Begriff „Hispa-nidad" meint und Inbegriff dessen ist, worauf der Spanier stolz ist. Er ist stolz, einem Volk anzugehören, dessen Mut ebenso auf dem Schlachtfeld wie in der Arena besungen wird. Spanier sein heißt, sich im Besitz der Wahrheit zu wissen, was auf der Iberischen Halbinsel soviel heißt wie katholisch sein.

Zum Stolz des Spaniers gehört auch das Bewußtsein, diese Wahrheit in einem mehrhundertjährigen zähen Ringen gegen die muslimischen Mauren und gegen die großen Häresien verteidigt zu haben.

Doch gerade diese „Hispani-dad" wird heute nicht mehr von allen Spaniern voll angenommen. Es besteht kein Zweifel, daß bei der jüngsten Wahl viele Katholiken, unter ihnen nicht wenige Priester und Ordensleute, sozialistisch gewählt haben. Das signalisiert einen tiefgreifenden Wandlungsprozeß im Denken und Fühlen. Die Grundaussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils rütteln an so manchen Grundpfeilern, auf denen die „Hispanidad" ruht.

Die Kirche ist aber nicht bereit, den Einfluß im öffentlichen Leben Spaniens allein dem Staat und seinen Parteien zu überlassen. Zweimal im Verlauf seiner zehntägigen Pastoralreise zitierte der Papst den Artikel 27 der spanischen Verfassung, welcher den Religionsunterricht in den staatlichen Schulen garantiert. Sorge haben die spanischen Katholiken auch hinsichtlich der vom Staat subventionierten Privatschulen. 40 Prozent der spanischen Kinder und Jugendlichen besuchen sie.

Im zunehmenden Entflechtungsprozeß der traditionell engen Bindungen von Staat und Kirche suchen die Bischöfe nach einer von gegenseitiger Toleranz und von Verständnis getragenen Zusammenarbeit. Die Bischöfe sind sich im klaren, daß dies Gesetze ermöglicht, die nicht mehr mit der katholischen Uberzeugung im Einklang stehen. Der Papst versicherte, die Kirche respektiere die Eigenständigkeit des Staates und dessen Bemühen um eine gesunde Gesellschaft, stellte aber auch klar, daß „einige wesentliche Anliegen im Heilsplan Gottes über die Ehe" in der neuen spanischen Gesetzgebung nicht genügend beachtet würden. Er nannte die Unauflöslichkeit der Ehe und den Schutz des ungeborenen Lebens.

Die neue Situation skizzierte er in Madrid vor rund 1,5 Millionen spanischen Katholiken: „Ihr seid dazu aufgerufen, in aller Öffentlichkeit den ganzen inneren Reichtum eurer Gemeinschaft in Treue und Ausdauer zu leben, was auch dann gilt, wenn vielleicht Gesetze in andere Richtungen weisen."

In dem vom Terrorismus'heim-gesuchten Baskenland entwickelte der Heilige Vater seine Vorstellungen von der Erneuerung des Ordenslebens. „Loyola ist ein Ruf zur Treue, nicht nur für die Gesellschaft Jesu, sondern indirekt auch für die anderen Orden und Kongregationen." Diese Treue beziehe sich vor allem auf die besondere Berufung, die den verschiedenen Gemeinschaften eigen ist.

Wie schon in England, so wirkte der Papst auch in Spanien nicht mehr so frisch, spontan und energiegeladen wie noch vor wenigen Jahren, wenngleich seine Stimme den alten, kraftvollen Ton bewahrte. Die Last eines vierjährigen Pontifikats und die schweren Folgen eines Attentats sind nicht spurlos an ihm vorübergegangen.

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