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Die Entgleisungen stoppen!

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Der Verfasser ist Generalsekretär-Stellvertreter der Industriellenvereinigung und deren Pressereferent. Vielen FURCHE-Lesern als Autor bekannt, greift er heute ein Thema auf, zu dem nächste Woche auch der angesehene Linzer Altbürgermeister Ernst Koref das Wort ergreifen wird.

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Der Verfasser ist Generalsekretär-Stellvertreter der Industriellenvereinigung und deren Pressereferent. Vielen FURCHE-Lesern als Autor bekannt, greift er heute ein Thema auf, zu dem nächste Woche auch der angesehene Linzer Altbürgermeister Ernst Koref das Wort ergreifen wird.

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Einleitend seien zwei Bemerkungen gestattet:

1. Es zeugt von der bedenklichen Verschlechterung des politischen Klimas in unserem Land, daß nüchterne, mehr von staatspolitischer Verantwortung als der Suche nach parteipolitischen Vorteilen getragene Überlegungen in immer weniger Publikationen eine Abdruckchance haben.

2. Der Verfasser gehört einer Generation an, die immerhin noch genug von den politischen Gewaltakten der Ersten Republik mitbekam, daß sie sich berechtigt fühlt, bereits als Warner auftreten zu dürfen (besser: zu müssen). Wer noch den Kanonendonner der Beschießung des Karl-Marx-Hofes irn^Qhr hat, wer daran denkt, daß der „Ständestaat“ nicht immer nur von dem darÄals so vielbeschworenen christlichen Geist getragen war, der steht der Lage anders gegenüber als die vielen forschen Jungpolitiker aus allen Lagern, die da meinen, sich über eine geschichtliche Tragik hinwegsetzen zu können.

Aus diesen beiden Bemerkungen sei das Recht abgeleitet, den politischen Stil, wie er derzeit in Österreich gepflegt wird, nicht nur aufs tiefste zu bedauern, sondern auch seine für den österreichischen Staat bereits gefährliche Dimension aufzuzeigen. Niedriger kann das Niveau der Auseinandersetzung nicht mehr sein als jenes, auf das der verbale Krieg der beiden großen Parteien gesunken ist.

Nun soll man auch nicht einer verklärenden Nostalgie erliegen. Selbst in jenen Jahren, die heute schon zur Heldenzeit der Zweiten Republik erhoben werden, ging es nicht nur kavaliersmäßig zu.

Aber damals gab es noch gewisse Gemeinsamkeiten. Heute aber bedient man sich in der politischen Argumentation - dem allgemeinen Trend zur Abwertung der Sprache folgend - bereits eines Kaschemmentones. Man verzeihe den bitteren Ausdruck: aber das, was wir erleben, ist auf beiden Seiten eine „Verpülcherung“ der pohtischen Polemik.

Wenn so viel (und so einfältig und verantwortungslos zugleich!) von „Staats- und Parteiverdrossenheit“ in den Massenmedien die Rede ist, so muß doch die Frage gestellt werden, ob daran nicht im wesentlichen die politischen Kräfte selbst Schuld tragen.

Man gewinnt immer mehr den Eindruck, als gehe der Krieg der Parteien an der Masse der Menschen vorbei, als fühlten sich dadurch, wenn überhaupt noch, nur ganz kleine Funktionärszirkel angesprochen. Es wäre reizvoll für

Kommunikationswissenschafter, zu untersuchen, ob nicht im Grunde die Zeitungen und der Rundfunk nur noch als Träger für Botschaften zwischen Parteiseknetariaten oder

Interessenvertretungen genützt werden.

Dazu kommt die äußerst gefährliche, aber in den Eigengesetzlichkeiten der Medien begründete Tendenz, Ereignisse zu „schaffen“, um darüber berichten zu können. Die Genesis vieler politischer Konflikte kann zur Bestätigung dieser Behauptung herangezogen werden.

Wh haben seit einiger Zeit in Österreich - zumindest wird uns das von einzelnen Exponenten der Parteien versichert - eine Ideologiediskussion. Man ist stolz darauf, daß man häufiger als früher die „Grundwerte“ beschwört. Es bleibt zu fragen, wie tief diese Diskussion wirklich reicht, und ob sie nicht im Grunde' oft mit dem Arsenal von* vorgestern bestritten wird.

Nur eines sollte dabei bedacht werden: Hüten wir uns vor einem neuen Religionskrieg, der es so weit kommen läßt, daß etwas eintritt, vor dem der große Österreicher Mayer-Gunthof immer gewarnt hat: daß man schließlich nicht mehr miteinander reden kann!

Diese Befürchtung wird durch eine Vielzahl publizistischer Entgleisungen - aus jüngster Zeit beispielsweise den Tiefschlag des „Profil“ gegen denBundeskanzler-ebenso genährt wie durch Entwicklungen, die sich am Rande der etablierten Institutionen abzeichnen (siehe Frächterstreik und das Unbehagen in diesen Kreisen, für das man Verständnis haben kann, das jedoch nicht von hemmungslosen Agitatoren ausgenützt werden sollte).

Und noch eine Sorge drängt sich auf: das ist die gegenseitige Auf-schaukelung, indem das Beziehen immer noch extremerer Positionen Reaktionen auslöst. Mit anderen Worten: „links“ wird „linker“, „rechts“ wird „rechter“. Die nichtsozialistischen Kräfte müßten, wenn sie staatspolitisch denken, alles Interesse daran haben, daß in der SPÖ, die in dieser Hinsicht auf eine reiche Tradition zurückblickt, „linke“ Tendenzen nicht stärker werden. Was uns in der SPÖ fehlt, ist ein Helmut Schmidt - die Richtung, die er einschlägt, sollte beispielgebend sein.

Österreich steht jetzt vor einem auf wechselnden Schauplätzen ausgefochtenem Wahlkampf in Permanenz. Da wäre es hoch an der Zeit, daß die „großen alten Männer“ dieses Staates aus beiden Lagern das Wort ergreifen: zu einem beschwörenden Appell, „das Ende zu bedenken“.

Wäre dies nicht vielleicht auch die Stunde des Staatsoberhauptes? Denn das, was in Jahrzehnten aufgebaut wurde, sollte - man verzeihe den Ausdruck - nicht von politischen Lausbuben (auf beiden Seiten) zerschlagen werden dürfen.

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